Tausende Menschen in den USA sind süchtig nach starken Schmerzmitteln auf Opiumbasis. Und für viele führt das in die Heroinsucht. Laut Schätzungen von US-Behörden sind über 180.000 Menschen zwischen 1999 und 2015 an einer Überdosis gestorben.

Dass es so weit gekommen ist, hat auch mit einem Text zu tun, der 1980 in dem medizinischen Fachjournal "New England Journal of Medicine" erschienen ist.  Der Text war gerade mal fünf Sätze und 101 Wörter lang. Dabei handelte es sich um einen so genannten "letter", das ist eine Art Notiz.  

Bekannt wurde der Text als "Porter und Jick Studie" -  benannt nach den beiden Autoren Jane Porter und Hershel Jick. Das kleine Textstückchen wurde mehr als 600-mal zitiert. Das ist für eine medizinische Studie ungewöhnlich viel, vor allem für so eine kurze.

Was steht in der "Porter und Jick Studie"?

Sinngemäß war hier zu lesen: Wir haben unsere Akten durchgeschaut, um rauszufinden, wie viele Krankenhauspatienten durch die Behandlung mit Opiaten süchtig geworden sind. Fast 12.000 Patienten wurden Opiate verabreicht, aber bei nur vier wurde eine Abhängigkeit festgestellt. Das sind weniger als ein Prozent.  

Das Problem der "Porter und Jick Studie": Weder legt die "Notiz" dar, wie die Autoren ihre Zahlen erhoben haben, noch definieren sie, was Sucht bedeutet. Außerdem ging es nur um Patienten, die während eines Krankenhausaufenthalts mit Opiaten behandelt wurden. Die Studie wurde hundertfach aus dem Kontext gerissen und falsch zitiert. Und oft, haben andere Autoren, die die "Studie" zitieren, sie selbst gar nicht gelesen. Bei vielen Ärzten, die in wissenschaftlichen Artikeln nur das kurze Zitat gelesen haben, blieb dann offenbar nur hängen: Opiate machen nicht abhängig.

Opiate schon bei trivialen Schmerzen

Schon Patienten, die eine kleine Operation hatten, beispielsweise eine Zahn-OP, werden mit einem opiumbasierten Schmerzmittel nach Hause geschickt. Deshalb, so David Juurling, Chef der Abteilung für klinische Pharmakologie und Toxikologie an der Uni Toronto, gibt es in Kanada seit Kurzem eine neue klinische Richtlinien für die Behandlung mit Opiaten. 

"Three or four years later, people have a full-blown opioid addiction that relates in part to their initial exposure for something that was really quite trivial."
David Juurling, Chef der Abteilung für klinische Pharmakologie und Toxikologie an der Uni Toronto

Die opiumbasierte Schmerztherapie verbreitete sich in den 90er Jahren weltweit immer mehr. Vermutlich auch, weil die Pharmaindustrie stark für ihre Schmerzmittel auf Opiumbasis warb und dafür gerne die "Porter und Jick Studie" zitierte.

Eine Studie auf der Basis von Krankenkassendaten kam 2013 zu dem Ergebnis, dass sich der Opioidverbrauch weltweit seit 1991 fast verdreifacht hat.

Shownotes
Die "Porter und Jick Studie“ aus dem Jahr 1980
Schmerzmittel mit Suchtpotential
vom 22. Juni 2017
Moderation: 
Dominik Schottner
Gesprächspartnerin: 
Jenny Rieger, Deutschlandfunk Nova