Mit Vitaminpillen, Detox-Drinks und Pülverchen gegen den Corona-Virus: Vor allem im Netz werden momentan Nahrungsergänzungsmittel verstärkt beworben. Und das mit Erfolg: Die Umsätze steigen. Alles Quatsch – oder bringen die Präparate wirklich was?

Frank Spiegel ist Gründer von Nature Love. Seine Firma verkauft Nahrungsergänzungsmittel, die besonders natürlich sein sollen. In den vergangenen Wochen hatten er und sein Team gut zu tun. Denn seit der Corona-Pandemie steigt die Nachfrage. Besonders beliebt sind Produkte, die das Immunsystem stärken sollen, sagt der Unternehmer.

"Wir haben bei den Produkten, die die normale Funktion des Immunsystems unterstützen, eine erhöhte Nachfrage verspürt. Das ist besonders Vitamin C, Zink und Vitamin D3."
Frank Spiegel, "Nature Love"

Angst und Unsicherheit

Für Angela Clausen ist das keine Überraschung. Sie ist Ernährungswissenschaftlerin und arbeitet bei der Verbraucherzentrale NRW. Die Menschen seien durch Corona verunsichert, sagt die Expertin.

"Es ist natürlich so: Dieser Virus macht einen ziemlich hilflos und jeder möchte gerne aktiv irgendwas tun."
Angela Clausen, Ernährungswissenschaftlerin

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) warnt vor "schwarzen Schafen, die aus der aktuellen Corona-Situation Kapital schlagen möchten." Viele Menschen seien momentan verunsichert, schreibt das BVL. Die Angst vor dem Coronavirus werde jetzt schamlos ausgenutzt.

Auch Angela Clausen beobachtet den Markt – mit Sorge: Viele Anbieter würden versuchen, von der Panik der Menschen zu profitieren. Mit scheinbaren Wunderheilmitteln versprechen sie COVID-19-Erkrankungen vorbeugen oder gar heilen zu können.

Werbeaussagen meist verboten

Damit verstoßen viele Anbieter gegen das Gesetz. In Deutschland dürfen Nahrungsergänzungsmittel nicht als Arzneimittel beworben werden. Das heißt: Es dürfen keine Aussagen gemacht werden, "die sich auf die Beseitigung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten beziehen," schreibt das BVL.

"Wir haben eine ganz klare Regulierung, dass jeglicher Krankheitsbezug für Nahrungsergänzungsmittel verboten ist. Aussagen wie 'schützt vor Viren' oder 'bekämpft Viren' sind eindeutig verboten."
Angela Clausen, Verbraucherzentrale NRW

Trotzdem scheinen viele Webshops damit durchzukommen und gute Geschäfte zu machen. Das liege auch daran, sagt Angela Clausen, dass die zuständigen Kontroll-Behörden nicht genug Personal hätten, um die vielen verschiedenen Anbieter zu überprüfen.

Gefährliche Nebenwirkungen

Viele Angebote bleiben weiterhin online – und das kann gefährlich werden. Denn die Pillen, die man im Netz oder im Drogeriemarkt kaufen kann, können zu niedrig, aber auch viel zu hochdosiert sein. Im schlimmsten Fall kann das bei Vitamin-D-Präparaten zu Nieren-, Gefäß- oder Herzschäden führen, erklärt Martin Smollich. Er leitet die Arbeitsgruppe Pharmakonutrition am Institut für Ernährungsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein.

"Bei Vitamin D ist es so, dass sehr hohe Dosierungen zu Nierenschäden führen können, zu Gefäßschäden, zu Herzschäden."
Martin Smollich, Institut für Ernährungsmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Lübeck

Präparate meist nicht notwendig

Anders als Arzneimittel sind Nahrungsergänzungsmittel nur dazu bestimmt, dem Körper zusätzlich Vitamine, Mineralstoffe und andere Stoffe zuzuführen, um die normale Ernährung zu ergänzen. Bei einer normalen abwechslungsreichen Ernährung sei das aber überflüssig, sagt Martin Smollich.

"Das geht bei den Mikronährstoffen, die jetzt bei Infektionen eine Rolle spielen problemlos in aller Regel über die normale abwechslungsreiche Ernährung."
Martin Smollich, Institut für Ernährungsmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Lübeck

Das Immunsystem durch Ernährung und Bewegung fit zu halten, ist natürlich immer eine gute Idee, sagt Martin Smollich – auch ohne Pandemie.

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Shownotes
Geschäft mit der Angst
Mit Vitaminpillen gegen Corona
vom 14. April 2020
Moderator: 
Ralph Günther
Gesprächspartner: 
Frank Spiegel, Gründer von "Nature Love"
Gesprächspartnerin: 
Angela Clausen, Ernährungswissenschaftlerin, Verbraucherzentrale NRW
Gesprächspartner: 
Martin Smollich, Institut für Ernährungsmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Lübeck