Die schwarz-rote Regierung streicht Ukrainern das Bürgergeld – das bedeutet nicht nur weniger Geld, sondern auch weniger Support. Doch was spart Deutschland dadurch wirklich? Und wie wirkt sich die Entscheidung auf den Fachkräftemangel aus?
Menschen, die aus finanzieller Not oder beruflicher Perspektivlosigkeit ihr Land verlassen, haben in der Regel andere Voraussetzungen als Geflüchtete, die aus einem Kriegsgebiet fliehen.
"Wenn man Bürgergeld bekommt, wird man betreut durch die Bundesagentur für Arbeit, bekommt Arbeitsmarkt-Beratung und Zugang zu Sprachkursen:"
Der große Unterschied: Die einen haben die Chance, sich auf den Neuanfang in einem anderen Land in Ruhe vorzubereiten – die anderen müssen ihre Entscheidung eher überstürzt treffen, weil ihr Leben zumeist akut bedroht ist. Sie haben beispielsweise nicht die Zeit, zuerst die Sprache des Ziellandes zu lernen, bevor sie sich auf den oftmals zermürbenden Fluchtweg begeben.
"Der Erhalt des Bürgergelds kann deutlich die Arbeitsmarktintegration beschleunigen."
Das Bürgergeld ist (zusammen mit weiteren, begleitenden Maßnahmen) die notwendige Hilfe, die diese Menschen benötigen, um sich rasch integrieren und auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen zu können, argumentiert die Soziologin Yuliya Kosyakova vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB). Darauf haben etwa Ukrainer*innen, anders als Geflüchtete aus vielen anderen Regionen der Welt, sofort Anspruch, wenn sie in Deutschland ankommen.
"Ich werde mich an den ganzen Diskussionen zu einzelnen Maßnahmen nicht beteiligen. Und auch Markus Söder wird den Koalitionsvertrag gelesen haben – und da steht ein bisschen was anderes drin als das, was er vorschlägt."
Nun gibt es einen ersten Entwurf der Bundesregierung, dass einem Teil der geflüchteten und heute in Deutschland lebenden Ukrainer*innen Asylleistungen statt dem Bürgergeld gezahlt werden sollen – und zwar denjenigen, die seit April 2025 nach Deutschland gekommen sind.
CSU-Chef Markus Söder geht noch einen Schritt weiter und fordert, dass das für alle geflüchteten Ukrainer*innen in Deutschland gelten soll. Vizekanzler und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil hat sich mit dem Verweis auf den Koalitionsvertrag dagegen ausgesprochen. Es herrscht also Uneinigkeit zwischen Union und SPD.
Asylleistungen machen Versorgung nicht günstiger
Wenn das Bürgergeld durch Asylleistungen ersetzt würde, würden auch viele unterstützende Maßnahmen wegfallen: Sprachkurse und die Begleitung durch die Agentur für Arbeit. Geldeinsparungen soll das der Bundesregierung bringen – tut es aber nicht: Die Versorgung von Ukrainer*innen wir dadurch nicht wirklich billiger.
Der neue Gesetzentwurf bezieht sich auf die geflüchteten Ukrainer*innen, die seit dem 1. April 2025 in Deutschland sind, erklärt Gabor Halasz aus dem ARD-Hauptstadtstudio. Pro Monat kommen rund 12.000 ukrainische Geflüchtete hier an. Rund 1,2 Millionen Ukrainer*innen sind seit Beginn des Krieges hier angekommen.
Mehr erwerbstätige Ukrainer*innen bringen dem Bund mehr als Einsparungen beim Bürgergeld
Statt 563 Euro Bürgergeld würden die Geflüchteten ähnlich wie beispielsweise ein alleinstehender Asylbewerber 441 Euro erhalten. Außerdem werden weniger ärztliche Behandlungen bezahlt. Das bringt dem Bund im Prinzip keine Ersparnisse in 2026, da im kommenden Jahr zusätzliche Kosten entstehen, weil die Verwaltung das System umstellen muss, erklärt unser Haupstadtkorrespondent.
Ab 2027 könnte der Bund dann wohl mit Ersparnissen rechnen – allerdings wäre es rechnerisch besser, wenn mehr Ukrainer*innen erwerbstätig werden würden, sagt Gabor Halasz. Bisher seien es rund 330.000 Ukrainer*innen, die arbeiten.
"Frankreich, Polen, Tschechien – überall ist die Quote der Menschen, die arbeiten, höher als bei uns. Es liegt nicht an den Ukrainer*innen, sondern es liegt an unseren selbstgemachten Regeln."
Unionspolitiker wie Sachsens Ministerpräsident Kretschmer und CSU-Chef Söder suggerieren, dass in Deutschland – aufgrund des Bürgergeldes – weniger geflüchtete Ukrainer*innen erwerbstätig sind als in anderen Ländern. Dem widerspricht, dass Maßnahmen, die mit dem Bürgergeld einhergehen, nachgewiesenermaßen den Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtern, sagt Soziologin Yuliya Kosyakova.
"Eine Sprache gut zu lernen und Arbeit zu finden – das geht mit dem Bürgergeld schneller."
Auch die Ukrainerin Kateryna weiß, was es bedeutet, Hals über Kopf die eigene Heimat zu verlassen und in Deutschland bei null anzufangen. Der ausschlaggebende Grund für ihre Flucht aus Kiew war die Lebensgefahr für ihren achtjährigen Sohn.
"Ich habe gedacht: Ich möchte meinen Sohn nicht tot sehen – wie jede Mutter."
Eine Woche nach dem russischen Angriff im Februar 2022 und dem Beginn des Krieges in der Ukraine entschied sie sich zur Flucht. Dafür nahm Kateryna auch in Kauf, ihre Mutter und ihren Mann, der als Soldat kämpft, zurückzulassen. Das ist nun drei Jahre her und inzwischen konnte ihre Mutter nach Deutschland nachkommen.
In der Ukraine hat Kateryna als diplomierte Musiklehrerin gearbeitet. Sie hofft, dass sie sich nach dem Erwerb ihres B2-Deutsch-Zertifikats als Lehrerin für Offene Ganztagsschulen qualifizieren kann.
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