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Ein Jahr hat der Student Richard Prechtl aufs Bafög gewartet. Oft hat er auf Mahlzeiten verzichtet. Die Studierendenwerke sind überlastet, insbesondere das in Thüringen. Das Verfahren wird noch in Papierform abgewickelt und ist dringend reformbedürftig.

Das Bafög ist die günstigste Möglichkeit ein Studium zu finanzieren, steht auf der Website des Kölner Studierendenwerks. Auf diesen Satz folgt die Frage, wo man sonst 50.000 Euro bekommen kann und nur gut ein Fünftel des Geldes wieder zurückzahlen muss.

Ein gutes Argument, das dem Studenten Richard Prechtl allerdings gar nichts genutzt hat. Er hat ein ganzes Jahr darauf gewartet, dass seinem Antrag auf Bafög zugestimmt wird. Während seines Bachelorstudiengangs im Fach Soziale Arbeit lebte er deswegen am Existenzminimum.

"Meistens habe ich mich gegen das Frühstück entschieden, weil man irgendwie die Zeit zwischen Frühstück und Mittagessen auch gut überbrücken kann, ohne zu essen."
Richard Prechtl, hat seine Bafög-Förderung erst gegen Ende seines Studiums erhalten

Morgens steht der 27-Jährige mit der Frage auf, ob er es sich leisten kann, zu frühstücken. Während seines Studiums lässt Richard das Frühstück oft ausfallen, weil ihm das Geld fehlt.

Um über die Runden zu kommen, leiht sich der Student 2.500 Euro bei Freunden und spendet regelmäßig Thrombozyten, eine Art Blutspende, für die er 50 Euro erhält. Maximal alle zwei Wochen kann er das machen. Außerdem nutzt er Foodsharing.

Seine Kosten kann er kaum decken und für Bücher reicht sein Geld nicht. Die muss er sich leihen. Nicht selten denkt er über einen Studienabbruch nach.

Langes Warten auf Bafög: Studierender verzichtet auf Masterstudiengang

Gegen Ende seines Bachelorstudiengangs wird sein Antrag genehmigt. Richard bekommt auf einen Schlag Tausende Euro ausgzahlt. Da hat er sich allerdings schon gegen den Master entschieden und einen Job angefangen. Er ist froh, dass er den Bachelor in der Tasche hat, ohne einen Schufa-Eintrag erhalten zu haben.

Eigentlich soll das Bundesausbildungsförderungsgesetz dafür sorgen, dass auch Menschen mit geringen finanziellen Mitteln an Bildung teilhaben können. Das ist mit dem Begriff Bildungsgerechtigkeit gemeint. Die ist allerdings nicht vorhanden, wenn es Monate dauert, bis einem Antrag zugestimmt wird.

"Das ist völlig absurd aus meiner Sicht. Das ist eigentlich eine Digitalisierung oder eine Verwaltungsform aus dem Steinzeitalter."
Matthias Anbuhl, Chef des deutschen Studierendenwerks

Richards Fall ist kein Einzelfall. Aktuell haben laut dem Thüringer Wissenschaftsministerium noch etwa 7.500 Studierende keine Rückmeldung bekommen, ob ihre Bafög-Anträge bewilligt werden. Damit das Geld schneller ausgezahlt werden kann, hat sich Richard mit anderen Studienreden zusammengeschlossen.

Bafög-Ämter sind überlastet und unterbesetzt

Unter anderem haben sie eine Petition mit dem Titel "Bafög oder Abbruch“ im Thüringer Landtag eingereicht und fordern eine schnellere Bearbeitung und Auszahlung. Auch in anderen Bundesländern läuft es beim Bafög nicht rund, sagt Katharina Rummenhöller Mitglied vom FZS, dem Zusammenschluss von Student*innenschaften.

"Die Situation ist durchweg in allen Bundesländern schlimm. Die Bafög-Ämter sind überlastet und unterbesetzt."
Katharina Rummenhöller, Mitglied vom FZS, dem Zusammenschluss von Student*innenschaften

Besonders schwierig ist die Situation in Thürigen. Das zuständige Studierendenwerk ist sehr stark überlastet. Die Sachbearbeiter*innen kommen mit den Bafög-Anträgen nicht hinterher, weil sich deren Anzahl in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt hat.

Grund dafür ist, dass sich in Erfurt eine private Hochschule angesiedelt hat, an der auch ein Fernstudium möglich ist. Mittlerweile sind dort mehr als 100.000 Menschen eingeschrieben. Das Thüringer Studierendenwerk ist für die Bearbeitung aller Anträge dieser Hochschule verantwortlich.

Bafög-Anträge: Bürokratisch und in Papierform

Dazu kommt, dass die gesamten Bafög-Verfahren in Papierform abgewickelt werden müssen. Das zuständige Bundesforschungsministerium hat eine Reform des Ausbildungsgeldes angekündigt: Das Verfahren soll weniger bürokratisch und digitaler werden. Passiert ist aber seit der Ankündigung anscheinend noch nichts, sagt unser Reporter Martin Schütz.

Das Verfahren ist obendrein sehr fehleranfällig, was die Bearbeitungszeit deutlich verlängern kann. In fast allen Bafög-Anträgen fehlen nämlich entweder Angaben oder auch notwendige Anhänge, erläutert Matthias Anbuhl, der Chef des deutschen Studierendenwerks.

Und nicht zuletzt müssen die Kolleginnen und Kollegen von Matthias Anbuhl tausende Seiten ausdrucken, lochen und abheften, klassisch Briefe tippen und diese per Post verschicken. In Zeiten, in denen andere europäische Länder ihren Postdienst komplett einstellen, erscheint das mindestens fragwürdig, wenn nicht sogar absurd.

Shownotes
Studium
Warten aufs Bafög: Studierende am Existenzminimum
vom 02. Oktober 2025
Moderation: 
Christoph Sterz
Autor: 
Martin Schütz, Deutschlandfunk Nova