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Lübeck, Tübingen, Jena – dorthin will die Deutsche Bahn womöglich bald weniger Fernverkehrszüge schicken. Was bedeutet es, wenn Großstädte ihren Anschluss an den Bahn-Fernverkehr verlieren? Und kann das vielleicht sogar Vorteile haben?

Die Deutsche Bahn ist oft Ziel von Kritik und Häme: Verspätungen, Ausfälle, Streiks und Streckensanierungen, die sich über Jahre ziehen. Das alles führt bei Bahnkund*innen regelmäßig zu Unmut und Verärgerung. Die öffentliche Kritik an der Deutschen Bahn reißt nicht ab.

Die neue Bahn-Chefin Evelyn Palla will das ändern. Sie will den Konzern sanieren und aus dem Minus holen.

"Der Grundsatz im Fernverkehr lautet, dass er eigentlich – per Definition – in Deutschland eigenwirtschaftlich erbracht werden muss. Heißt im Prinzip: Der muss sich selbst finanzieren."
Niklas Hoth, Reporter und Bahn-Blogger

Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder stellte bei der Bundespressekonferenz am vergangenen Montag (22.09.2025) die neue Bahn-Strategie und die neue Bahn-Chefin vor. Ihr neues Mammutvorhaben geht Evelyn Palla mit dem Versuch an, Aufbruchsstimmung zu verbreiten.

Kein einfaches Unterfangen: Medien haben mögliche zukünftige Fahrpläne vorab veröffentlicht – und das sorgt bereits für Kritik. Offiziell sind die Fahrpläne aber noch nicht. Das Ziel: Fernverbindungen, die sich nicht rechnen, sollen ab Dezember und dem kommenden Jahr seltener befahren oder sogar ganz eingestellt werden.

Deutsche Bahn: Jahrzehnt der Sanierungen steht bevor

Für den Fernverkehr in Deutschland gilt, dass er sich selbst finanzieren muss. Die Deutsche Bahn sollte am Ende also entweder bei null rauskommen oder bestenfalls sogar Gewinne machen, sagt der Journalist und Bahn-Blogger Niklas Hoth. Beides sei aber seit vielen Jahren nicht der Fall.

Nun steht laut neuer Bahn-Strategie ein Jahrzehnt der Sanierungen an. Diese kosten große Summen. Um das alles zu finanzieren, soll künftig unter anderem durch Streckenkürzungen gespart werden.

"Der Wunsch nach guter Anbindung passt nicht mit dem Wunsch zusammen, wirtschaftlich zu sein und Geld zu verdienen."
Niklas Hoth, Reporter und Bahn-Blogger

Die Erwartung ist aber eine andere – von Seiten der Politik beispielsweise, erklärt Niklas Hoth. Eine Forderung, die man oft hört, sei: Jede Region sollte gut angebunden sein und auch in kleineren Städten sollten die Fernverkehrszüge halten, sagt der Journalist.

Fakt ist: Wo weniger Menschen leben, gibt es weniger Fahrgäste. Die Folge: Züge sind nicht ausgelastet. Das gilt vor allem für kleinere Städte. Um Geld einzunehmen wird sich die Deutsche Bahn künftig daher wohl mehr auf Streckenverbindungen zwischen den großen Metropolen konzentrieren.

Das Saaletal mit der thüringischen Stadt Jena gehört – neben anderen Regionen – nicht dazu.

"Jena als Beispiel wird Intercity-Verbindungen verlieren. Da fährt gerade – mehr oder weniger – alle zwei Stunden ein Zug. Im nächsten Fahrplan (...) werden da deutlich weniger Züge fahren."
Niklas Hoth, Reporter und Bahn-Blogger

Voraussichtlich werden von diesen Einsparungen im kommenden Jahr neben Jena und Siegen auch einige Urlaubsregion betroffen sein: Oberstdorf, Berchtesgaden und Garmisch-Partenkirchen zählen wohl dazu.

Mögliche Konsequenzen dieser fehlenden Fernverkehrsanbindung könnten Prestigeverlust und auch wirtschaftliche Einschnitte sein, sagt Niklas Hoth. Denn eine gute Anbindung kann einen Standort attraktiver machen.

Fernverkehranbindung als Standortfaktor

Als Beispiel nennt er Städte wie Montabaur und Limburg. Die haben das große Glück so Niklas Hoth, dass sie an der Schnellfahrstrecke zwischen Köln und Frankfurt am Main liegen. Es sind beides Städte, die einen ICE-Bahnhof bekommen und dadurch einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt haben, sagt der Bahn-Blogger.

Entlastet weniger Fernverkehr manche Strecken?

Es gibt aber auch die Argumentation, dass weniger Fernzüge manche Strecken auch entlasten könnten, sagt Niklas Hoth. Wenn die regionale Anbindung und Taktung gut sei, könnten Fernzüge auf stark befahreren Strecken zu einer Überlastung führen. Denn verspätete Fernzüge können auch die Verspätung von Nahverkehrszügen verursachen.

Aber wenn sie fehlen, müssten Fahrgäste wahrscheinlich häufiger umsteigen. Das ist vor allem mit viel Gepäck und auch für ältere Fahrgäste ein Problem, sagt der Bahn-Blogger.

Turbulenter Bahnverkehr zwischen Tübingen und Stuttgart

Benedikt Döllmann ist Lokalpolitiker im Gemeinderat von Tübingen. Die Strecke zwischen Stuttgart und Tübingen nutzt er oft. Der IC zwischen Stuttgart und Tübingen ist seit einer Weile wegen Baustellen ausgesetzt – und könnte möglicherweise auch gar nicht wieder eingesetzt werden. Selbst als der IC noch fuhr, hat Benedikt Döllmann oft den Regionalverkehr bevorzugt – weil dieser günstiger ist oder mit dem Deutschlandticket ohne Extrakosten befahren werden kann.

Doch sein Reiseerlebnis wird oft getrübt – "turbulent" nennt Benedikt Döllmann den Bahnverkehr: Mitunter muss er dreimal umsteigen, Baustellen und Schienenersatzverkehr mit Bussen macht die Hin- und Rückfahrten oft umständlich und zeitaufwenig. Dabei fährt Benedikt Döllmann generell gerne Zug. Die geplanten Einschnitte beim Fernverkehr hält er für eine schlechte Idee. Ideal fände er einen ICE-Bahnhof in Tübingen mit einer guten Anbindung in alle Richtungen.

Kein Finanzierungsplan für Sanierung, Aus- und Neubau

Das Schienennetz muss nicht nur saniert, sondern auch aus- und neugebaut werden, sagt der Journalist Niklas Hoth. Dafür fehlt allerdings der Finanzierungsplan, der festlegt, wie und wo in den nächsten Jahren investiert werden soll.

Dass nicht nur die Sanierung der bestehenden Strecken wichtig ist, sondern auch der Aus- und Neubau, erklärt Niklas Hoth damit, dass die Verspätungen vor allem dadurch entstehen, dass das bestehende Schienennetz einfach zu voll ist. Um ein besseres Vorankommen im Bahnverkehr möglich zu machen, fehlen aber noch die Konzepte, kritisiert er.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an unboxingnews@deutschlandradio.de

Shownotes
Bahn-Fahrpläne
Wenn Großstädte ihren Fernverkehr verlieren
vom 23. September 2025
Host: 
Ilka Knigge
Gesprächspartner: 
Niklas Hoth, Reporter und Bahn-Blogger
Gesprächspartner: 
Benedikt Döllmann, Lokalpolitiker im Gemeinderat von Tübingen