Joelina fällt auf, dass sie in bestimmten Beziehungen ein eher ängstlicher Bindungstyp ist. Sie setzt sich damit auseinander und lernt, liebevoller mit sich umzugehen. Zwei Experten erklären, wie sich Bindungsstile auf Beziehungen auswirken können.
Ihre erste Beziehung hatte Joelina, als sie 13 Jahre alt war. Mit 19 haben sich die beiden getrennt. Joelina beschreibt die Zeit mit ihrem damaligen Freund als harmonisch und stabil. Nach dieser Beziehung beobachtet sie aber, dass sich ihr Bindungsverhalten verändert hat.
Als sie andere datet, fällt Joelina auf, dass sie die Sicherheit, die sie aus ihrer ersten Beziehung kannte, mit anderen nicht mehr spürt. "Nach der langen Beziehung bin ich zweimal in Situationships gelandet, wo ich auf jeden Fall ängstlich gebunden war und auch erst darüber gelernt habe, dass ich mich überhaupt so verhalte", sagt sie.
"Es ist vor allem ein Gefühl von Machtlosigkeit, dass man Angst davor hat, die andere Person zu verlieren und darüber nicht die Kontrolle zu haben."
Für Joelina fühlt sich dieser ängstliche Bindungsstil nach Machtlosigkeit an. Sie hat Angst davor, die andere Person zu verlieren. Sie vergleicht die Situationships mit einer Achterbahnfahrt. Je mehr Zeit sie mit der anderen Person verbracht hat, je vertrauter es zwischen ihnen wurde, desto härter war der Bruch, als sie sich nicht mehr gesehen haben. Als plötzlich keine Nachricht mehr kam. "Irgendwas ist komisch. Man kann sich aber nicht erklären, warum das jetzt so ist und fragt sich dann: Habe ich etwas falsch gemacht?", erinnert sie sich.
Die Bindungstypen
Joelina hat sich daraufhin auf Social Media und über Bücher mit Beziehungsmustern und den verschiedenen Bindungstypen auseinandergesetzt.
In der Psychologie gibt es die Bindungstheorie. Die unterscheidet in vier Bindungstypen. Dabei sind auch Mischformen möglich:
- Sichere Bindung: Kann Nähe und Distanz gut regulieren, ist verlässlich und kann auch in Beziehungskrisen stabil bleiben.
- Unsicher-vermeidende Bindung: Hat eher ein Problem mit Nähe und Bindung, wirkt scheinbar unabhängig und neigt dazu, bei Erwartungen oder bei Verpflichtungen auf Abstand zu gehen.
- Unsicher-ambivalente Bindung: Kann klammernd oder verlustängstlich sein, schwankt zwischen Nähebedürfnis und Vermeidung, versucht, sich die Beziehung oft durch Kontrolle oder übermäßige Aufmerksamkeit zu sichern.
- Ängstlich-vermeidende Bindung: Gleichzeitiges Auftreten von vermeidendem und ängstlichem Bindungsverhalten, geprägt von einer starken inneren Angst vor Zurückweisung.
Individuell und wandelbar
Hierbei ist wichtig zu verstehen, dass es sich bei den einzelnen Bindungstypen um Persönlichkeitsmerkmale handelt, die man nutzen kann, um sein Verhalten zu erforschen und besser zu verstehen. Bei den Bindungstypen handelt es sich nicht um klinische Diagnosen, Krankheiten oder ähnliches.
Die Erfahrung, die Joelina gemacht hat, zeigt: Bindungsstile können sich im Laufe des Lebens wandeln. Sie können sich auch je nach Partner*in oder Familienmitglied unterscheiden, sagt Pascal Vrticka. Er forscht auf dem Gebiet und ist Leiter des Social Neuroscience of Human Attachment (SoNeAt) Lab an der University of Essex in England.
"Bindungsstile sind normalerweise relativ beziehungsspezifisch. Ich kann zum Beispiel eine sichere Bindung zu meiner Mutter haben, aber eine eher etwas unsicher-vermeidende zu meinem Vater und dann sogar eine unsicher-ängstliche zu meiner Partnerin, zu meinem Partner", erklärt er.
"Wir gehen heutzutage davon aus, dass wir unterschiedliche Bindungsstile haben können mit unterschiedlichen Beziehungspartnern- und partnerinnen."
Wie gut es zwei Menschen mit ihren jeweiligen Bindungsstilen in ihrer Beziehung geht, können aber letztlich nur sie selbst sagen. "Obwohl man in der Forschung versucht, den besten Bindungsstil oder die beste Kombination herauszufinden, ist es natürlich nicht so, dass eine Beziehung zwischen einer vermeidenden und einer ängstlichen Person nur Nachteile hat", so Pascal Vrticka.
Bindungstypen in Beziehungen
Joelina ist mittlerweile in einer neuen Beziehung und hat gemerkt, dass es ihr geholfen hat, sich mit den unterschiedlichen Bindungsstilen auseinanderzusetzen. Sie geht seitdem verständnisvoller und liebevoller mit sich um. Ihr tut es auch gut, dass sie mit ihrem Partner über ihre jeweiligen Verhaltensmuster sprechen kann.
"Es ist wichtig, dass wir miteinander ins Gespräch gehen, dass wir ganz genau wissen: Was macht dir Angst?"
Sich offen über seine Ängste und Bedürfnisse auszutauschen, dazu rät auch Katharina Eder. Sie ist Systemische Therapeutin und Heilpraktikerin für Psychotherapie.
Wenn unsere Partner*innen zum Beispiel eher ängstlich oder vermeidend sind, können wir unterstützen, indem wir "ins Gespräch miteinander gehen, dass wir ganz genau wissen: Was macht dir Angst, welche Situation? Es ist auch nicht immer gleich, nicht jede Person ist gleich", sagt sie.
Hierbei gehe es darum herauszufinden, wo gegensätzliche Bedürfnisse liegen könnten, die möglicherweise zu Konflikten führen und dann gemeinsam einen Mittelweg zu finden.
Auf der anderen Seite können wir auch etwas für uns selbst tun. Wenn wir zum Beispiel eher zu einem ängstlichen Bindungsstil neigen, können wir darauf achten, um uns herum für Entspannung zu sorgen. Denn: Wenn wir Ängste haben, reagiert unser Nervensystem sehr stark, erklärt Katharina Eder. Das sollten wir regulieren, indem wir Tools in unseren Alltag einbauen, die uns Ruhe bringen. Das kann zum Beispiel ein Spaziergang sein, Meditation oder ein Hobby.
In der Podcast-Folge geht Katharina Eder noch weiter darauf ein, wie man in einer Beziehung zueinanderfinden kann, wenn unterschiedliche Beziehungstypen aufeinandertreffen. Klickt dafür oben auf den Play-Button.
Korrektur (14.11.2025): In einer früheren Version des Artikel hatten wir die "desorganisierte Bindung" als einen Typ aufgezählt. Diese Kategorie wird jedoch nur verwendet, wenn man Bindung im Kindesalter untersucht, nicht bei Erwachsenen. Bei Erwachsenen hingegen – wenn man Bindungsverhalten mithilfe von Fragebögen erfasst – gibt es die Kategorie "ängstlich-vermeidende Bindung"
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