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Fabian Forster ist einer von zehntausenden Reservisten, die für die Bundeswehr bereitstehen. Das neue Wehrdienstgesetz soll noch mehr Leute wie ihn anziehen. Aber kann die Truppe so viele Neue überhaupt stemmen – und klappt das wirklich ohne Pflicht?

Die Bundesregierung will die Bundeswehr vergrößern. Dafür hat das Bundeskabinett am 27. August 2025 ein neues Wehrdienstgesetz beschlossen, das noch durch den Bundesrat muss. Das Ziel: Mehr junge Menschen sollen bereit sein, einen Dienst an der Waffe zu leisten. Zunächst freiwillig.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) nennt als Begründung für das Gesetz die aktuelle Bedrohungslage, auch im Hinblick auf Russland: "Eine starke Armee, personell und materiell, ist das effektivste Mittel, um Kriege zu verhindern."

Derzeit zählt die Bundeswehr 183.000 Soldatinnen und Soldaten. Bis 2029 sollen es 260.000 sein. Auch die Zahl der aktiven, das heißt einsatzfähigen Reservistinnen und Reservisten soll in diesem Zeitraum von 34.000 auf 200.000 wachsen.

Neues Wehrdienstgesetz setzt auf Freiwilligkeit – noch

Wer in Deutschland Wehrdienst geleistet hat, ist lebenslang passiver Reservist. Das heißt, er oder sie hat keine regelmäßigen Pflichten gegenüber der Bundeswehr, kann aber im sogenannten Verteidigungs- oder Spannungsfall eingezogen werden. Daneben gibt es aktive Reservistinnen und Reservisten. Diese haben sich nach dem Wehrdienst verpflichtet, weiterhin regelmäßig an Wehrübungen, Einsätzen oder Lehrgängen der Bundeswehr teilzunehmen.

"Wenn der Dienst den Charakter eines staatsbürgerlichen Pflichtdienstes hat, denkt man nicht viel darüber nach und macht es einfach. Bei mir war es genauso."
Fabian Forster, Reservist

Einer von ihnen ist Fabian Forster. Er ist 41 Jahre alt, Major der Reserve und Vorsitzender des Reservistenverbands Bayern. Nach der Schulzeit hat er den damals noch verpflichtenden Wehrdienst geleistet und ist danach aktiver Reservist geworden. "Inzwischen habe ich über 500 Wehrübungstage hinter mir und bereue keine Sekunde davon."

Wehrdienst seit 2011 nicht mehr verpflichtend

Von 1957 bis 2011 war der Wehrdienst, wie Fabian Forster ihn selbst geleistet hat, für Männer in Deutschland verpflichtend. Wer verweigerte, musste einen Freiwilligendienst ableisten. Seitdem ist die Wehrpflicht ausgesetzt, es gibt jedoch einen freiwilligen Wehrdienst, an dem sich bisher jedoch aus Sicht der Bundeswehr zu wenige beteiligen.

Das will die Bundesregierung mit dem neuen Gesetz ändern: Ab 2026 sollen alle volljährigen Männer und Frauen einen Fragebogen zugeschickt bekommen. Männer müssen ihn beantworten, für Frauen ist er freiwillig. Ab 2027 sollen verpflichtende Musterungen hinzukommen. Anders als bei der alten Wehrpflicht bleibt der Dienst jedoch freiwillig.

Kritik an Bürokratie und fehlender Infrastruktur

Tatsächlich ist das Interesse an der Bundeswehr bereits gestiegen, sagt Reservist Fabian Forster. Viele, die früher Wehrdienst geleistet haben, melden sich inzwischen und wollen aktive Reservistinnen und Reservisten werden, erzählt er.

Jede und jeder, der zur Reserve zurückkehren will, muss sinnvollerweise ärztliche Untersuchungen und Sicherheitsüberprüfungen durchlaufen, sagt Forster. Doch diese dauern nach seiner Erfahrung unverhältnismäßig lange, beklagt er: "Allein die Sicherheitsüberprüfung dauert im Schnitt sieben Monate. Ich kenne Fälle, in denen Kameraden ein Jahr gewartet haben."

Sicherheitsüberprüfung dauert (zu) lange

Die langen Wartezeiten seien nicht nur für die Anwärterinnen und Anwärter frustrierend, sondern auch für die Bundeswehr ein Problem. "In dieser Zeit stehen die Leute nicht für Übungen zur Verfügung", sagt Fabian Forster.

"Die Bundeswehr ist überfordert. Das liegt zum einen an der Bürokratie, zum anderen an der mangelnden Digitalisierung."
Dorothee Frank, Verteidigungsexpertin

Dorothee Frank ist Redakteurin beim Defense Network und Expertin für Verteidigung und Wehrtechnik. Sie sieht die langen Wartezeiten vor allem in der überbordenden Bürokratie begründet. Zudem, sagt sie, wäre die Bundeswehr auf mindestens zwei Punkte nicht vorbereitet, falls in den nächsten Jahren wirklich viele Freiwillige zum Wehrdienst bereitstünden:

  • fehlende Infrastruktur: "Es gibt schlicht nicht genug Kasernen und Betten. Viele Standorte wurden in den letzten Jahren geschlossen oder für andere Zwecke genutzt. Neue Kasernen müssten gebaut werden. Das dauert."
  • fehlendes Material: "Panzer, Flugzeuge, Systeme – das alles ist begrenzt. Man kann nicht beliebig viele Menschen aufnehmen, ohne dass sie am Ende rumsitzen und Däumchen drehen."

Die Verteidigungsexpertin glaubt ohnehin nicht, dass das Ziel, die Bundeswehr zu vergrößern, mit dem jetzt geplanten Gesetz erreicht wird. Immerhin sei die Bundeswehr bereits jetzt attraktiv, betont sie. Und zählt auf: Der freiwillige Wehrdienst werde gut bezahlt, Zeitsoldaten bekämen die Möglichkeit zu studieren, Übergangszeiten würden bezahlt.

"Früher mussten die Leute die Bundeswehr kennenlernen. Heute verschickt man einen Fragebogen. Glaubt man ernsthaft, dass das reicht, um den immensen Personalbedarf zu decken?"
Dorothee Frank, Verteidigungsexpertin

Auch Fabian Forster zweifelt, dass Freiwilligkeit ausreichen wird. "Nicht, weil die Bundeswehr unattraktiv wäre", betont er, "sondern weil wir einfach zu wenige Menschen haben. Stichwort: Demografie und Fachkräftemangel."

Verpflichtung nicht ausgeschlossen

Er spricht sich daher für eine Rückkehr zum verpflichtenden Wehrdienst aus. Selbst Bundeskanzler Friedrich Merz schließt eine solche Verpflichtung nicht aus – die Union hätte sie am liebsten jetzt schon wieder eingeführt.

"Wenn wir in den nächsten Jahren sehen, dass die Zielgrößen nicht erreicht werden, haben wir im Gesetz einen Mechanismus angelegt, der zu einer höheren Verpflichtung führen kann."
Friedrich Merz, Bundeskanzler

Ob es gelingt, in wenigen Jahren eine Armee von fast einer halben Million Soldat*innen und Reservist*innen aufzubauen? Dorothee Franks Antwort darauf fällt deutlich aus: "Dafür braucht es viel Mut und politischen Rückhalt. Und den sehe ich in diesem Gesetz noch nicht."

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an unboxingnews@deutschlandradio.de

Shownotes
Neuer Wehrdienst
Mehr Soldaten, mehr Chaos?
vom 27. August 2025
Moderation: 
Rahel Klein
Gesprächspartner: 
Fabian, Reservist für die Bundeswehr
Gesprächspartnerin: 
Dorothee Frank, Expertin für Wehrtechnik und Verteidigung