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Mit der elektronischen Patientenakte sind nun alle wichtigen Gesundheitsdaten über die Versichertenkarte abrufbar. Arzt Bahman Afzali sagt, dass er so besser behandeln kann. Doch was heißt das für den Datenschutz, und wer hat Zugriff auf die Daten?

Wer beim Hausarzt schon mal versucht hat, die Handschrift eines Neurologen zu entziffern oder auf einen MRT-Befund per Fax gewartet hat, weiß: Das deutsche Gesundheitswesen ist alles – nur nicht digital. Mit der elektronischen Patientenakte (ePA) soll sich das jetzt ändern.

Hausarzt Bahman Afzali aus Bedburg bei Köln durfte die ePA vor dem offiziellen Start in seiner Praxis testen. Für ihn steht fest: Er hat jetzt einen besseren Überblick über seine Patient*innen.

"Die ePA, richtig eingesetzt, führt dazu, dass ich sehe, welche Medikamente verschrieben wurden, was andere Fachärzt*innen gemacht haben – und ich kann auf dieser Basis behandeln."
Bahman Afzali, Arzt für Allgemeinmedizin

Im Gespräch macht er deutlich, dass viele Probleme in der Praxis genau daran scheitern: Informationen fehlen, Überweisungen verlaufen im Sande, Rückmeldungen bleiben aus.

Bahman Afzali, Arzt für Allgemeinmedizin
© Nico Kleemann
Bahman Afzali, Arzt für Allgemeinmedizin

Afzali betont, dass es mit der ePA endlich möglich sei, vernetzt zu arbeiten – und Patient*innen mehr Einblick in ihre eigene Behandlung zu geben. Zufrieden zeigt er sich auch mit dem Ablauf der Testphase.

"Beim E-Rezept damals hat man einfach losgelegt – das war ein Desaster. Dieses Mal war es holprig, ja, aber wir wussten früh, worauf wir uns einlassen."
Bahman Afzali, Arzt für Allgemeinmedizin

Vertrauen – aber mit Bauchgefühl

Die Einführung der ePA ist verpflichtend – es sei denn, man widerspricht. Derzeit haben laut Krankenkassen-Spitzenverband nur rund 5  Prozent der Versicherten aktiv widersprochen. Doch laut einer Zeit-Umfrage trauen viele Menschen dem System nicht: Nur etwa die Hälfte glaubt, dass die ePA ausreichend sicher ist.

Auch Lukas Kohlenbach, Arzt und Wissenschaftsjournalist, beschäftigt sich beruflich mit digitaler Sicherheit im Gesundheitswesen. Er betont, dass Datenschutz in diesem Bereich besonders ernst genommen werden müsse.

"Vertraue ich jetzt schon dieser Sicherheitsinfrastruktur, oder warte ich erst mal ab und gucke, was da in den nächsten Monaten vielleicht rauskommt?"
Lukas Kohlenbach, Arzt und Wissenschaftsjournalist

Standardmäßig erhalten Ärztinnen, Apothekerinnen und Krankenhäuser nach dem Einlesen der Gesundheitskarte für 90 Tage Zugriff auf die Daten. Es sei jedoch auch möglich, bestimmte Praxen auszuschließen, einzelnen Ärzt*innen dauerhaft Zugriff zu gewähren oder sensible Dokumente – etwa vom Psychiater – auszublenden oder zu löschen.

Wichtig ist aber auch: Wer bisher nicht widersprochen hat, kann das jederzeit noch tun. Sonst kann beim nächsten Arztbesuch etwas in die ePA hochgeladen werden. Ab Oktober müssen alle Ärzt*innen mitmachen. Für Patient*innen bleibt es freiwillig.

Sensible Daten – sensibler Umgang

Auch Hausarzt Bahman Afzali findet das Thema Datenschutz wichtig. Er nennt bestimmte exponierte Personenkreise, die besonders von Hackerangriffen betroffen wären. Diese Personengruppe sei bei der Entwicklung der ePa nicht mitgedacht worden.

"Es gibt Menschen, die in exponierten Positionen arbeiten, deren Daten für Erpressung missbraucht werden können. Diese Szenarien haben wir in diesem Konzept nicht berücksichtigt."
Bahman Afzali, Arzt für Allgemeinmedizin

Zudem weist er auch auf die Gefahr hin, dass in Fällen von häuslicher Gewalt Daten missbraucht werden könnten. Ein Ex-Partner könnte demnach bei der Krankenversicherung anrufen, eine neue Versichertenkarte verlangen und so in Erfahrung bringen, wo Behandlungen stattfinden oder welche Medikamente verschrieben werden.

"Ein Ex-Partner könnte bei der Krankenversicherung anrufen, eine neue Versichertenkarte verlangen und so herausfinden, wo Behandlungen stattfinden oder welche Medikamente verschrieben werden."
Bahman Afzali, Arzt für Allgemeinmedizin

Afzali fordert, dass der Datenschutz weiter verbessert werden muss, um ein sicheres Umfeld für alle zu schaffen. Seinen Patientinnen und Patienten rät er deshalb, zu prüfen, ob sie mit den Daten, die in der elektronischen Patientenakte gespeichert werden, leben können.

Jede und jeder muss für sich entscheiden

Man solle sich die eigene Erkrankung anschauen und sich fragen, ob dies etwas sei, wofür man möglicherweise verfolgt werden könnte – und dann für sich persönlich entscheiden, ob man damit einverstanden sei.

"Schau dir deine Erkrankung an. Glaubst du, dass das im Prinzip etwas ist, wofür man dich verfolgen könnte? Und dann entscheide persönlich für dich, ob du damit fein bist."
Bahman Afzali, Arzt für Allgemeinmedizin

Doch für viele seiner Patient*innen ist die ePA trotzdem ein Gewinn – gerade diejenigen seien froh, die das Gesundheitssystem kennen und wissen, das der Datenaustausch meist händisch per Brief passiert.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

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  • Host: Marcel Bohn
  • Gesprächspartner: Bahman Afzali, Arzt für Allgemeinmedizin
  • Gesprächspartner: Lukas Kohlenbach, Wissenschaftsjournalist