Der Kongress hat im Eiltempo entschieden, Trump hat zugestimmt: Die Epstein Files sollen offen gelegt werden. Was steht drin – und warum könnte genau das für Trump problematisch werden?
Auf den Jungferninseln liegt Little Saint James – eine Privatinsel des Investmentbankers Jeffrey Epstein, die auch "Orgy Island" genannt wurde. Er besaß auch Anwesen in New York, New Mexico und Florida sowie einen Privatjet, der schon mal als "Lolita Express" bezeichnet wurde. Behörden und Zeugen warfen ihm vor, minderjährige Mädchen angeworben, auf seine Anwesen gelockt und dort sexuell ausgenutzt zu haben.
2008 wurde Epstein wegen Anklagen im Zusammenhang mit der Ausbeutung einer Minderjährigen verurteilt. Durch einen Deal kam er nach dreizehn Monaten frei. 2019 erfolgte eine erneute Festnahme, da ihm vorgeworfen wurde, zahlreiche minderjährige Mädchen missbraucht und sie auch an einflussreiche Personen vermittelt zu haben.
Die Epstein-Akten: riesige Datenmengen
Zu einem Prozess kam es jedoch nicht, da Epstein einen Monat nach seiner Festnahme tot in seiner Zelle aufgefunden wurde. Nach seinem Tod wurden viele Ermittlungen nicht weitergeführt. Zahlreiche Unterlagen sind jedoch teilweise bis heute nicht veröffentlicht worden.
"Das sind wirklich unglaublich große Mengen an Daten und Dokumenten."
Die Akten stammen aus Ermittlungen gegen Jeffrey Epstein, die bereits in den 2000er-Jahren begannen und sich vor allem auf die später bekannt gewordenen Fälle systematischen Missbrauchs von minderjährigen Mädchen und jungen Frauen beziehen.
Sie umfassen große Mengen an Vernehmungsprotokollen, Schriftverkehr, beschlagnahmten Gegenständen sowie Unterlagen von FBI und Staatsanwälten, erklärt unsere Korrespondentin Anne Reidt, die den Fall Epstein von Washington aus beobachtet.
Virginia Giuffre – Von Mar-a-Lago in Epsteins Welt
Ghislaine Maxwell gehört zu den zentralen Figuren in Epsteins Umfeld. Sie wurde zu 20 Jahre Gefängnis verurteilt – wegen Menschenhandel mit Minderjährigen zu sexuellen Zwecken. Maxwell lockte vor allem junge Frauen an, oft aus prekären Verhältnissen, und verschaffte Epstein Zugang zu ihnen.
Einige Frauen berichten, dass sie auch von Maxwell missbraucht wurden. In erster Linie diente sie jedoch als Mittlerin: Sie versprach Jobs als Masseurin, zahlte Geld, und zwang die Opfer dann, mit Epstein oder anderen Männern Sex zu haben. Ihre Rolle war somit entscheidend für das Netzwerk.
"I was recruited at a very young age from Mar-a-Lago and intrapped in a world that i didn’t understand."
Das prominenteste Opfer ist Virginia Giuffre. In ihrem Buch "Nobody’s Girl" schildert sie, wie sie bei Epstein landete. Vorher arbeitete sie im Spa-Beriech von Donald Trumps Mar-a-Lago. Ghislaine Maxwell lockte sie mit einem verlockenden Jobangebot von dort weg – nur um in eine Welt eingeschlossen zu werden, die sie nicht verstand, so Giuffre.
Aus schwierigen Verhältnissen stammend, hoffte sie auf eine Chance und bat um Hilfe – stattdessen wurde sie skrupellos ausgenutzt und praktisch zur Privatsklavin der beiden. Nach eigener Aussage wurde sie über Jahre immer wieder von Epstein und Maxwell vergewaltigt, stand rund um die Uhr zur Verfügung und wurde auch irgendwann anderen Männern zum Sex angeboten.
Prominente Namen und geheime Aufnahmen
Ein Name taucht dabei immer wieder auf: Andrew Mountbatten-Windsor, der Bruder von King Charles, der seinen Prinzen-Titel mittlerweile abgeben musste. Giuffre beschreibt, wie sie auf Anweisung von Ghislaine an verschiedenen Orten Sex mit ihm haben musste – unter anderem auch auf Jeffrey Epsteins Privatinsel in der Karibik.
Daneben tauchen auch der ehemalige US-Präsident Bill Clinton und weitere prominente, reiche Männer auf, die Epstein kannten und teils seine Häuser besuchten – etwa auf Parties. Stephen Hawking, Bill Gates, Michael Jackson, David Copperfield und Donald Trump sind Namen, die fallen. Ob sie in den Missbrauch verwickelt waren, ist nicht bekannt.
"Er hat die Taten und die Beteiligten wohl gefilmt. Ob diese Aufnahmen noch existieren und Teil der Akten sind, weiß man bisher nicht."
Es gibt die Hoffnung, dass die Veröffentlichung weiterer Epstein-Daten Aufschluss geben. Mehrere Opfer berichteten, dass Epstein in seinen Anwesen überall versteckte Kameras hatte, um Taten und Beteiligte zu filmen. Ob diese Aufnahmen noch existieren und Teil der bisher zurückgehaltenen Akten sind, ist bislang unklar.
Verschwörungserzählungen rund um die Akten
Unsere Korrespondentin meint, dass wohl niemand den kompletten Überblick über das Material hat. Viele Ermittler kennen große Teile davon, und Justizministerium sowie FBI – mindestens Justizministerin und FBI-Chef – haben sich ein gutes Bild gemacht. Auch das Weiße Haus, inklusive Präsident, soll Einsicht gehabt haben.
"Der Verdacht, dass es sich um einen Komplott der Mächtigen handelt, nährt diese Verschwörungserzählungen rund um die Akten."
Nach Meinung Trumps sind die Akten "superlangweilig". Tatsächlich waren bei der ersten Freigabe im Frühjahr nur unspektakuläre Schriftstücke dabei, aus denen nichts weiter entstand, so unsere Korrespondentin. Doch gerade dieser Umstand nährt Verschwörungserzählungen, wonach mächtige Leute angeblich alles vertuschen – ein Narrativ, das durch die fehlenden spektakulären Ergebnisse verstärkt wird.
Trumps Hin und Her bei den Epstein-Dokumenten
Trump persönlich soll die Freigabe bis zuletzt blockiert haben. Michael Johnson, Sprecher des Repräsentantenhauses, schickte im Sommer Abgeordnete früher in die Pause, um eine Abstimmung zu verhindern. Trump übte zudem massiv Druck auch auf republikanische Unterstützer aus, beschimpfte sie sogar öffentlich – letztlich ohne Erfolg.
Trump hatte im letzten Wahlkampf versprochen, die Akten freizugeben, zog dann aber zurück – und jetzt will er sie doch veröffentlichen. Für Demokraten, Öffentlichkeit und einige Republikaner ist die Frage groß: Warum wehrte sich der Präsident so vehement, wenn er selbst nicht belastet wäre? Bisher haben sich aus den Dokumenten keine Beweise für Trumps Beteiligung am Missbrauch ergeben.
"Es gibt mehr und mehr Hinweise und Andeutungen, dass er [Trump] mehr wusste, als er bisher eingeräumt hat."
Hinweise deuten darauf hin, dass Donald Trump mehr wusste, als er zugibt. Medienberichten zufolge wurde er von der Justizministerin über seine Nennung in unveröffentlichten FBI-Dokumenten informiert. Kein Beweis für ein Fehlverhalten, aber es erklärt seinen abrupten Kurswechsel – ebenso wie den Rückzieher von Justizministerin und FBI-Chef nach der ersten Aktenfreigabe.
Offene Fragen – Trump im Fokus
Fakt ist: Trump und Epstein kannten sich definitiv. Sie wohnten in Florida nahe beieinander, und Virginia Giuffre, die zuvor bei Trump gearbeitet hatte, wurde von dort zu Epstein geholt. Videoaufnahmen zeigen die beiden bei Partys in den 90ern, was ihre enge Verbindung belegt und die historischen Kontakte greifbar macht.
"2002 hat er [Trump] Epstein in einem Interview einen großartigen Mann genannt und hat auch gesagt, dass Epstein schöne Frauen genauso mögen würde wie er."
In den Epstein-Akten taucht Trumps Name mehrfach auf. Laut Gerichtsprotokollen flog er mindestens siebenmal mit Epsteins Privatjet. 2002 nannte er Epstein in einem Interview einen großartigen Mann und machte Bemerkungen über dessen Vorliebe für junge Frauen. Epstein selbst sagte, Trump sei zehn Jahre lang sein bester Freund gewesen.
2004: Streit wegen einer Immobilie
2004 soll es dann zwischen Trump und Epstein einen Streit um eine Immobilie gegeben haben. Als Präsident distanzierte sich Trump 2019 deutlich von Epstein. Er betonte, von dessen Missbrauch nichts gewusst zu haben, und erklärte, wegen des Streits lange nicht mehr mit ihm gesprochen zu haben.
Epstein selbst behauptete kurz vor seinem Tod, Trump habe davon gewusst und Maxwell gebeten, damit aufzuhören. Neue Dokumente, darunter Mails von Epstein an Maxwell, werfen weitere Fragen auf: Trump soll mehrere Stunden mit einer ungenannten Person in Epsteins Haus verbracht haben. Konkrete Straftaten konnten ihm bislang allerdings nicht nachgewiesen werden.
Maga-Lager spricht von "Kampagne der Demokraten"
Die Kehrtwende Trumps erklärt Anne Reidt damit, dass er offenbar erkannte, die Abstimmung nicht verhindern zu können. Mehrere Republikaner wollten die Akten freigeben, Abgeordnete standen in ihren Wahlkreisen unter Druck. Also entschied Trump nach dem Motto: Ich habe nichts zu verbergen.
Bereits im Frühjahr veröffentlichte Dokumente sind online abrufbar, doch sie stehen oft nicht im direkten Kontext und liefern nur Ausschnitte. Werden jetzt neue Dokumente veröffentlicht, müssen sie gesichtet, eingeordnet und interpretiert werden. Genau darin liegt die Herausforderung: Das nächste Kapitel wird sein, wie Medien, Experten und die Öffentlichkeit die Inhalte deuten, so unsere Korrespondentin.
Wenn belastendes Material auftaucht, müssen Gerichte klären, wie Mitwisserschaft oder Mittäterschaft bewertet werden. Opfervertreter fordern schon lange, dass Beteiligte vor Gericht gestellt werden. Doch auch ohne Urteil können Personen gesellschaftlich fallen – so wie Andrew Mountbatten-Windsor oder der ehemalige US-Finanzminister Larry Summers, die nach Enthüllungen ihre öffentlichen Pflichten zurückzogen.
Politisch brisant
Für Trump könnte neues Material politisch brisant werden. Wenn sich herausstellt, dass er eine zentrale Rolle in Epsteins Netz hatte, hätte das eine enorme Sprengkraft – vor allem im Maga-Lager. E
Doch es bräuchte belastbare, wenig interpretierbare Beweise. Sonst bleibt die Darstellung vieler Trump-Unterstützer bestehen: Das sei alles bloß eine Kampagne der Demokraten.
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