Kurzstreckenflüge abschaffen oder nicht? Einerseits sind sie so schädlich fürs Klima wie kein anderes Verkehrsmittel. Andererseits erfüllen sie eine wichtige Transportaufgabe.

Mitten im Wahlkampf für die Bundestagswahl 2021 kommt ein Thema wieder zurück: Kurzstreckenflüge. Als die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock im Mai gegenüber der Bild am Sonntag ein perspektivisches Aus für Kurzstreckenflüge formuliert hat, war die Debatte wieder groß.

Kurzstreckenflüge am wenigsten klimafreundlich

Tatsächlich sind Kurzstreckenflüge laut Umweltbundesamt im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln wie Fernbus oder Bahn am wenigsten klimafreundlich. Für ihren Vergleich untersucht das Umweltbundesamt unter anderem folgende Aspekte:

  • Energiequellen: Die Bahn fährt mit Strom, der teilweise Öko-Strom ist, teilweise aber auch nicht. Autos verbrennen Benzin oder Diesel, Flugzeuge Kerosin. Diese Unterschiede müssen bei der Berechnung berücksichtigt werden.
  • Auslastung: Bei den Werten spielt auch eine Rolle, mit wie vielen Personen die Bahn, das Auto oder das Flugzeug unterwegs ist. Ist es voll besetzt, hat es pro Person einen geringeren Verbrauch als eins, wo jeder zweite Sitz leer ist. Gerechnet wird hier mit Durchschnittswerten.
  • Nicht-CO2-Effekte: Dieser Aspekt spielt beim Fliegen eine weitere Rolle und beschäftigt sich beispielsweise damit, in welcher Flughöhe die Treibhausgase ausgestoßen werden. Je höher ein Flugzeug unterwegs ist, desto größer ist der negative Effekt aufs Klima. Bei Kurzstreckenflügen ist die Höhe zwar relevant, der Punkt betrifft aber vor allem Langstreckenflügen, die deutlich höher fliegen. Weil Flugzeuge aber vor allem beim Start viel Sprit verbrauchen, zieht das Umweltbundesamt für Kurzstreckenflüge im Vergleich mit Flügen über lange Strecken eine schlechtere Bilanz. Verglichen wird hier nicht der absolute Treibhausgas-Ausstoß, sondern die Klimawirkung pro Kilometer pro Passagier.

Werden diese und weitere Kriterien berücksichtigt, ermittelt das Umweltbundesamt Zahlen, die sich vergleichen lassen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt bestätigt, dass die Zahlen belastbar und nachvollziehbar sind:

  • Bei einem Inlandsflug stößt ein Flugzeug durchschnittlich 214 Gramm CO2 pro Person pro Kilometer aus.
  • Bei der Bahn liegt der Wert bei 29 im Fernverkehr und 54 im Nahverkehr.
  • Das Auto kommt dem Flugzeug nahe: Es erzeugt im Schnitt 154 Gramm CO2 pro Person pro Kilometer. Die Flugstrecke mit der Fahrt mit einem großen Auto zu ersetzen, in dem eine Person alleine fährt, macht also keinen sehr großen Unterschied zum Kurzstreckenflug.

Die Hälfte aller Inlandsflüge sind Anschlussflüge

Laut dem Statistischen Bundesamt waren im vergangenen Jahr 14 Prozent aller Passagierflüge in Deutschland mit einer Strecke von bis zu 1000 Kilometern Inlandsflüge. Markus Fischer, Programmdirektor Luftfahrt beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, sagt, dass 40 bis 50 Prozent dieser innerdeutschen Flüge Anschlussflüge sind, die Passagiere zum Beispiel von ihrem Regionalflughafen zu einem großen Knotenpunkt bringen wie dem Flughafen in Frankfurt am Main oder Düsseldorf.

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Würden Kurzstreckenflüge verboten, hätte das nur wenig Einfluss auf die CO2-Emissionen. Am Ende bewegt sich das in einem niedrigen einstelligen Prozentbereich vom gesamten CO2-Ausstoß Deutschlands - wahrscheinlich sogar weniger als ein Prozent.

In der politischen Debatte um die Kurzstreckenflüge gibt es daher zwei Ansichten: Ein Teil sieht in einem Verbot keinen entscheidenden Vorteil fürs Klima und hält es für unnötig. Die andere Seite hält ein Verbot auch bei einem geringen Effekt für sinnvoll und spricht sich für einen Umstieg vom Flugzeug auf die Schiene aus.

Alternativen zum Kurzstreckenflug müssen besser werden

So wie das Bahnnetz heute ausgebaut ist, gibt es allerdings auch Nachteile. Die Bahn kommt beispielsweise öfter zu spät als das Flugzeug: Im Im Jahr 2019 hatte fast jede vierte bis fünfte Bahn eine Verspätung von über 15 Minuten – aber nur jedes achte Flugzeug. Fliegen ist zuverlässiger.

Neben der Unpünktlichkeit bemängeln einigen auch die teilweise hohen Preise für Bahntickets. Weil Flugtickets für manche Strecken deutlich günstiger sind, wählen einige Menschen eben das Flugzeug statt die Bahnfahrt, sagt Katrin Dziekan vom Umweltbundesamt. Hier brauche es ein Umdenken für mehr Klimafreundlichkeit.

"Auf manchen Strecken innerhalb Deutschlands ist die Fahrt mit dem Zug durchaus schon konkurrenzfähig zum Fliegen, allerdings spielt oft der sehr hohe Preis der Bahnfahrt im Vergleich zum Flugticket eine relativ große Rolle."
Katrin Dziekan, Umweltbundesamt

Am Ende ist die Frage nach den Kurzstreckenflügen also eine gesellschaftlich-politische, bei der verschiedene Vorlieben gewichtet werden müssen.

Shownotes
CO2-Emissionen
Kurzstreckenflüge: Schlecht fürs Klima, dafür zuverlässig
vom 16. Juli 2021
Moderatorin: 
Jenni Gärtner
Gespärchspartner: 
Konstantin Köhler, Deutschlandfunk Nova