Aliza war vor vier Jahren selbst von K.-o.-Tropfen betroffen und erzählt davon. Der Bundestag hat ein neues Gesetz beschlossen, das den Handel und Missbrauch von K.-o.-Tropfen schärfer bestraft. Was bedeutet die neue Regelung für Betroffene?
Der Bundestag hat am 14. November beschlossen, dass das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) um eine neue Anlage 2 ergänzt wird, in der der Missbrauch von Gamma-Butyrolacton (GBL) und 1,4-Butandiol (BDO) eingeschränkt wird. Die Stoffe BDO und GBL werden von Sexualstraftätern zur Herstellung von K.-o.-Tropfen verwendet. Durch die Gesetzesänderung sind Inverkehrbringen, Handel und Herstellung verboten. Sobald der Bundesrat zugestimmt hat und eine dreimonatige Übergangsfrist abgelaufen ist, tritt das Gesetz voraussichtlich im April 2026 in Kraft.
"K.-o.-Tropfen sind nicht harmlos, sondern ein Mittel gezielter chemischer Gewalt. Als Arzt weiß ich, welche körperlichen und seelischen Schäden solche Substanzen hinterlassen."
Genau diese Erfahrung musste Aliza vor vier Jahren machen. Sie besuchte mit einer Freundin einen Club in Lübeck und kann sich nur noch daran erinnern, dort ein, zwei Getränke bestellt zu haben. Dann zehn Stunden Blackout.
"Ich muss sagen, diese zehn Stunden, die dann wirklich effektiv weg sind, die sind sogar heute noch irgendwie gruselig und unangenehm."
Ihre Erinnerung startet wieder am darauffolgenden Morgen. Ihre Wohnung ist verwüstet, sie hat noch ihre Schuhe und teilweise Kleidung an. "Ich habe erst einmal Angst bekommen", sagt die 29-jährige Hamburgerin. Dann hat sie ihren Körper gecheckt. Das empfand sie als eklig, weil sie nach etwas gesucht hat, was sich vielleicht ereignet hatte. Glücklicherweise fand sie keine Hinweise. Erst danach reagierte ihr Körper auf die K.-o.-Tropfen mit Übelkeit und Erbrechen.
Ihre Freundin ist mit Aliza ins Krankenhaus gefahren, wo sie direkt an die Notaufnahme überwiesen wurde. Dort werden die ersten Grunduntersuchungen gemacht. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass die beiden Substanzen BDO und GBL nachgewiesen werden können, hält die damals untersuchende Ärztin für gering. Zu spät hätte sich Aliza damals untersuchen lassen.
"Wenn man die Vermutung hat, dann direkt morgens schon eine Urinprobe nehmen und kühl lagern, hat mir die Ärztin geraten."
Nach diesem Ereignis war Aliza eine Woche krankgeschrieben und in ärztlicher Behandlung. Ihre Körperfunktionen, Leber und Niere wurden untersucht, ob sich alles im Normbereich bewegt, da die Dosis wohl sehr hoch gewesen sein muss.
Ohne rechtssicheren Nachweis von K.-o.-Tropfen keine Strafverfolgung
Außerdem ist Aliza zur Polizei gegangen und hat eine Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Dadurch wollte Aliza erreichen, dass ihr Kameraaufnahmen, auf denen sie im Club und auf dem Nachhauseweg zu sehen ist, zur Verfügung gestellt werden. "Das lief leider ins Leere", sagt Aliza. Sie könne leider nicht zweifelsfrei nachweisen, dass ihr K.-o.-Tropfen verabreicht wurden, deshalb spricht sie von "vermutlich".
Dass nun die beiden Stoffe BDO und GBL verboten werden, hält Ralf Wischnewski vom Kölner Arbeitskreis K.-o.-Tropfen für richtig. Neben den beiden Stoffen werden meist noch Medikamente oder illegale Drogen den K.-o.-Tropfen beigemischt, erklärt er. BDO und GBL seien aktuell leicht erhältlich.
Beschaffung von K.-o.-Tropfen wird erschwert
In Zukunft sollen der Besitz, Handel und Inverkehrbringen von BDO und GBL verboten sein. Insbesondere der Verkauf der beiden Stoffe steht dann auch unter Strafe. Durch dieses Verbot rechnet Ralf Wischnewski damit, dass insgesamt weniger von den beiden Substanzen im Umlauf sein werden. "Aber wie immer gibt es Mittel und Wege, diese Substanzen in die Welt und auch in den Club zu bringen", sagt Ralf Wischnewski, der auch bei der Drogenhilfe Köln arbeitet.
"Wer die Substanzen bekommen will, wird sie bekommen, aber mit wesentlich höherem Aufwand als vorher."
Um an BDO und GBL heranzukommen, muss nun, statt einfach im Internet zu bestellen, kriminelle Energie aufgewendet werden, prognostiziert Ralf Wischnewski. Auf jeden Fall werde das Gesetz Leute davon abzuhalten K.-o.-Tropfen zu bestellen, die diese einfach nur mal ausprobieren wollen.
Kaum Daten zu Fällen mit K.o.-Tropfen
Die Datenlage zu Straftaten mit K.-O.-Tropfen ist dürftig. Ein Grund ist der schwierige Nachweis von BDO und GBL im Körper. So hat das Bundesland Hessen 94 Fälle mit K.o.-Tropfen im Jahr 2024 erfasst. In Sachsen waren es 88. Andere Bundesländer haben auf Nachfrage geantwortet, dass sie Fälle mit K.-o.-Tropfen nicht erfassen, beziehungsweise diese nicht nachweisbar waren. Vermutlich ist die Dunkelziffer bei solchen Fällen hoch.
Laut Beschluss des Bundesgerichtshofs von 2024 gelten K.-o.-Tropfen nicht als gefährliches Werkzeug. Das Bundesjustizministerium arbeitet jetzt daran, dass diese Einschätzung geändert wird. In dem Gesetzesentwurf des Ministeriums sollen K.-O.-Tropfen künftig bei der Strafverfolgung wie eine Waffe behandelt werden. Außerdem soll der Einsatz von K.-o.-Tropfen mit mindestens fünf Jahre Haft belegt werden. Bisher liegt sie bei drei Jahren.
Erschwerter Nachweis von sexualisierter Gewalt
Hinzu komme, so Ralf Wischnewski, dass sexualisierte Gewalt, ein sexualisierter Übergriff oder Vergewaltigung im Zusammenhang mit der Verabreichung von K.-o.-Tropfen stehen. Das sind zwar Straftaten, aber die Opfer von K.-o.-Tropfen müssten erst nachweisen, dass die andere Person gegen ihren Willen gehandelt hat.
Würden K.-o.-Tropfen als Waffen eingestuft werden, würden die Strafen im Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt höher ausfallen, sagt Ralf Wischnewski. Durch diese Verschärfung erhofft sich die Justiz eine stärkere Abschreckung, vermutet Ralf Wischnewski.
Aber selbst, wenn die Gesetze verschärft werden, bleibe für die Opfer von K.-o.-Tropfen die Schwierigkeit des Nachweises. Die kurze Nachweisbarkeit der Substanzen zusammen mit der geringen Anzahl an Instituten, die rechtssicher die Nachweise erbringen könnten, erschwert es den Opfern, die ja zusätzlich durch die Erinnerungslücken keinen Tathergang schildern können, vor Gericht die Beweislast aufrechtzuerhalten.
"Für uns ist wichtig, weiterhin zu informieren, aufzuklären und die Möglichkeit zu schaffen, schnelle Nachweise anzubieten, sodass Opfer sehr schnell nachweisen können, ob sie Substanzen bekommen haben."
Weil die Gesetzesverschärfung allein die Verabreichung von K.-Oo.-Tropfen nicht verhindert, ist die Information und Aufklärung darüber so wichtig. Doch die Erweiterung des Gesetzes, die eine Aufklärungskampagne mit auf den Weg bringen sollte, wurde nicht beschlossen, kritisiert Ralf Wischnewski.
Tipps von Ralf Wischnewski, um sich vor K.-o.-Tropfen zu schützen:
- Auf sein Getränk achten
- Getränk nicht irgendwo unbeobachtet stehen lassen
- Gemeinsam mit Freund*innen ausgehen, gemeinsam nach Hause gehen
- Auf Freund*innen achten und sofort reagieren, wenn sie sich seltsam verhalten
Und Aliza ergänzt, dass sie zudem was Ralf Wischnewski rät und was sie auch schon früher gemacht hat, jetzt noch mehr auf ihr Umfeld achtet, wenn sie ausgeht.
Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an unboxingnews@deutschlandradio.de
