Diese nervige Serie mit ihren anstrengenden Charakteren – und trotzdem schauen wir sie. Hate Watching ist menschlich und nicht verwerflich, sagt Psychotherapeutin Rosalie Weigand. Außerdem hilft es bei der Emotionsregulation. Nur bitte nicht übertreiben.
Ein Reality-Format, eine Serie oder ein Influencer, dessen Reels und Posts uns einfach nur nerven: Wir konsumieren Inhalte nicht obwohl, sondern weil sie uns nerven und aufregen – Hate Watching heißt das.
Doch warum schauen wir etwas, was wir eigentlich richtig blöd finden? Psychotherapeutin Rosalie Weigand sagt: Wir machen das auch aus sozialen Gründen. "Das Bonding zwischen zwei Personen ist stärker, wenn beide eine Sache nicht mögen, als wenn beide über etwas bonden, was sie mögen." Gemeinsame Ablehnung tut also gut.
"Menschen mögen es, wenn sie bei sich selbst Emotionen provozieren und vorhersehen können, was das für Emotionen sind."
Doch es gibt noch mehr Gründe fürs Hate Watching: Es gibt uns ein Überlegenheitsgefühl, weil wir uns positiv von der Serienfigur oder der Influencerin abheben können, erklärt Rosalie Weigand.
Dazu kommt eine gewisse Neugierde: "Menschen mögen es, wenn sie bei sich selbst Emotionen provozieren können und vorhersehen können, was das für Emotionen sind." Das ist zum Beispiel auch bei Horrorfilmen so. Wir gruseln uns und haben Angst, aber können das auch genießen, weil wir selbst nicht in Gefahr sind.
Hate Watching ist nicht Hass
Diesen Effekt nutzen manche Serien sogar. Als Beispiel nennt Psychotherapeutin Rosalie Weigand die Netflix-Serie "Emily in Paris". Die spiele damit, gehasst zu werden – genauso wie Reality-TV.
Hate Watching ist nicht unmoralisch
Hate Watching ist normal und unbedenklich, betont Rosalie Weigand. Und Hate Watching ist auch nicht gleich Hass. Nur weil man eine Serie oder einen Influencer hatewatched, schreibe man ja nicht gleich Hasskommentare. "Es ist eine Art der Emotionsregulation oder des sozialen Bondings, was ganz normal ist." Auch moralisch verwerflich sei das nicht.
Ab und an "hassen" – oder stundenlang?
Dennoch: Die Dosis macht das Gift, sagt die Psychotherapeutin. Wenn wir viel Zeit damit verbringen, etwas nur zu schauen, um uns darüber aufzuregen, könne das auch problematisch sein. Dann sollten wir uns fragen, wie es uns damit geht, rät sie.
Wenn wir merken, dass Hate Watching zu viel Zeit einnimmt, sollten wir konsequent sein: Die Accounts blockieren oder Benachrichtigungen ausschalten. "Als wäre es ein Suchtmittel", sagt Rosalie Weigand. Wer aber nur hin und wieder und aus Spaß über die neue Dating-Serie lästert oder ein cringy Reel weiterschickt – alles gut.
