Eine fröhliche Freundesgruppe reist in eine einsame Hütte – das perfekte Setting für einen Horrorfilm. Warum es Spaß machen kann, sich auf der sicheren Couch zu fürchten, und was wir dabei über Angst lernen können, erklärt ein Psychotherapeut.
Je gruseliger und fantasievoller die Kostüme, desto besser – das gilt für Halloween, der Nacht vor Allerheiligen. Wir malen uns Narben, Augenringe, Falten und greifen zu Kunstblut, gefärbten Kontaktlinsen und falschen Zähnen. So verwandeln wir uns in den Horror-Clown, die untote Mumie oder den röchelnde Zombie. Und die Party kann beginnen.
Angst ist primär ein Schutzmechanismus
In der Regel meiden wir Dinge, die uns Angst machen oder unheimlich sind. Angst ist ein Warnsignal: Unser Körper will uns vor Gefahr schützen. Doch beim Horrorfilm auf dem Sofa wissen wir genau, dass die Bedrohung nicht echt ist, sagt der Psychotherapeut Bastian Willenborg.
Wenn wir einen Horrorfilm schauen, sind wir gespannt und warten sogar darauf, dass etwas "Unheimliches" oder "Entsetzliches" passieren wird, Denn die Gewissenheit, dass keine Gefahr droht, macht es spannend und aufregend, aber erträglich.
"Wir können Angst in einer sicheren Situation erleben – und das macht sie kontrollierbar.“
Wir können dadurch die Kontrolle über unsere Emotionen behalten. Sozusagen das Angst haben üben, sagt Bastian Willenborg. Beim Gruseln geht es auch nicht um einen Adrenalinkick, wie bei Intensiv-Sportarten, sondern darum, intensive Emotionen zu verspüren.
Lerneffekt: Angst muss nicht immer gefährlich sein und lässt sich steuern
Bedenklich wäre es erst dann, wenn es zu einer Obsession wird, Horrorfilme zu schauen, sagt der Psychtherapeut.
Jemand, der zu Angstzuständen neigt oder beispielsweise eine ausgeprägte Angst vor Spinnen hat, kann dennoch durchaus in der Lage sein Horrorfilme zu schauen. Denn der Grusel, der keine Gefahr birgt, aktiviert andere Areale in unserem Hirn.
Es gibt Bereiche, die Angst kontrollieren können, die beispielsweise dann aktiv sind, wenn tatsächlich keine akute Bedrohung herrscht, erklärt Bastian Willenborg.
"Der Kopf, der weiß schon: Ist das jetzt gerade echte Angst, – etwas, was gerade gefährlich für mich ist? Oder ist das was Berechenbares?
Gruselige Angstmomente, in denen wir uns in Sicherheit befinden, können uns somit lehren, dass Angst nicht immer gefährlich sein muss, und dass sie sich steuern lässt.
Emotional neugierig
Besonders diejenigen, die emotional neugierig sind oder intensive Emotionen spüren wollen, sind dafür offen, sich mit gruseligen Dingen zu konfrontieren, sagt Bastian Willenborg,
Der Psychotherapeut schaut selbst lieber psychologische Horrorfilme, statt Splatterfilme, in denen Blut spritzt. Die findet er eher ekelig, als angsteinflößend.
"Diese Menschen sind oft emotional neugierig – sie wollen erleben, was Angst mit ihnen macht."
Gruseln kann verbinden
Der Reiz des Schreckens ist auch ein soziales Erlebnis. Gemeinsam zu zittern, zu lachen und sich nach dem Schreckmoment in Sicherheit zu wiegen, schafft Nähe. Schon Kinder lernen beim Halloween-Gruseln: Angst darf Spaß machen. Und manchmal steckt hinter dem Zombie vor der Tür eben doch nur der Papa mit Schminke.
