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Laura ist zuletzt sehr geräuschempfindlich geworden. Sie nutzt deshalb Earplugs oder bewusst eingeplante Ruhephasen, um mit Lärm klarzukommen. Psychologin Suzan Wolf erklärt, dass Lärm unser Stresssystem aktiviert und was wir dagegen tun können.

Früher war Laura unempfindlich gegenüber Lärm, doch besonders im vergangenen Jahr ist sie deutlich sensibler geworden, erzählt sie. Laute Musik im Taxi, das Quietschen der Bremsen in der U-Bahn oder Sirenen der Rettungsdienste – vor allem, wenn Laura gestresst ist, triggern Geräusche besonders. "Ich versuche dann, meine Ohren zuzuhalten und so den Geräuschpegel für mich und mein System zu reduzieren", sagt sie.

"Ich versuche dann, meine Ohren zuzuhalten und so den Geräuschpegel für mich und mein System zu reduzieren."
Laura, laute Geräusche werden ihr schnell zu viel

Ist sie entspannt, dann mag Laura auch gern laute Musik. Wenn ihr Nervensystem aber unausgeglichen ist, reagiere sie deutlich empfindlicher auf Geräusche. Nach viel Arbeit, zu wenig Schlaf, Essen oder Trinken sei Lärm besonders schwer auszuhalten.

Ein Portrait von Laura, die in die Kamera blickt
© Mariano Paredes
Laura helfen Earplugs gegen den Lärm

Die zunehmende Geräuschempfindlichkeit erklärt Laura unter anderem mit einem einschneidenden vergangenen Jahr mit Jobverlust, Umzug in eine neue Stadt und neuem Umfeld. Ein Therapiebeginn habe ihr Leben aufgerüttelt. In dieser Phase habe sie vieles hinterfragt, seitdem nehme sie Lautstärke deutlich intensiver wahr.

Lärm – Die Welt ist lauter geworden

Lärmforscher Christian Popp von der Deutschen Gesellschaft für Akustik ist überzeugt: Unsere Welt ist insgesamt lauter geworden – vor allem in Städten. Verkehr tags und nachts, mehr Gastronomie, dichteres Wohnen und zahlreiche Einzelgeräusche sorgen dafür, dass heute rund um die Uhr mehr Lärmquellen auf Menschen einwirken als früher, meint er.

"Ich bin der festen Überzeugung, dass wir mehr Lärm haben – und zwar rund um die Uhr."
Christian Popp, Deutsche Gesellschaft für Akustik

Befragungen würden zeigen: In Deutschland stören vor allem Straßenverkehrslärm. Wenn nachts ein extrem lautes Motorrad durch Hamburg fährt, wecke das laut Popp bis zu 50.000 Menschen auf. Auch der Schienen- und Fluglärm nerve, werde aber weniger belastend wahrgenommen als früher. Als weitere Lärmquelle gelten Nachbarn, erst danach kämen Freizeit-, Industrie- und Gewerbelärm.

Mit Earplugs gegen den Alltagslärm

Gegen den Alltagslärm hat Laura Strategien entwickelt, um besser damit umzugehen. Sie trage fast immer unauffällige Earplugs bei sich und nutze sie etwa im Restaurant. Notfalls würde sie das Essen auch mitnehmen und woanders essen. Wenn sie Einfluss habe, etwa im Taxi, bittet sie, die Lautstärke zu reduzieren, sagt sie.

"Ich habe immer meine Earplugs mit dabei. Das ist so ähnlich wie die Geräuschunterdrückung bei Kopfhörern."
Laura, laute Geräusche werden ihr schnell zu viel

Ihre Freunde seien sehr verständnisvoll, was ihren Alltag erleichtern würde. Dennoch gibt es Situationen wie laute Sportveranstaltungen, die sie hemmen, weil sie Überreizungen fürchtet. Deshalb ist das Leben in der Stadt trotz kultureller Vorteile für ihr Nervensystem nicht immer ideal, sagt sie.

Lärm aktiviert das Stresssystem

Suzan Wolf ist Psychologin und Achtsamkeitstrainerin und gibt Kurse in Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR) – Stressbewältigung durch Übung der Achtsamkeit. Denn beim Lärm geht es am meisten um Stress.

"Unser Körper scannt die Umgebung, ob irgendwo potenzielle Gefahren lauern, und Lärm kann ein Signal sein, dass es eine Gefahr gibt."
Suzan Wolf, Psychologin und Achtsamkeitstrainerin

Unser Körper scannt ständig die Umgebung auf potenzielle Gefahren, so die Psychologin. Lärm könne ein Signal dafür sein, dass es eine Gefahr gibt. Werde ein Geräusch – bewusst oder unbewusst – als bedrohlich wahrgenommen, so schüttet der Körper Adrenalin und Cortisol aus. Das könne entweder Flucht- oder Kampfinstinkte auslösen, sodass man sich erschöpft zurückziehe oder wütend reagiere.

Lärmspitzen und Dauerlärm besonders belastend

Besonders belastend können Lärmspitzen wie auch Dauerlärm sein. Plötzliche Geräusche wie Sirenen würden das Nervensystem triggern und kurzfristig Anspannung oder einen schnelleren Herzschlag auslösen.

Suzan Wolf blickt in die Kamera
© Franziska Ambach
Psychologin Suzan Wolf sagt: Wie wir Lärm bewerten, macht einen Unterschied

Auch ein permanentes Grundrauschen wie an viel befahrenen Straßen könne belasten. Durch den Gewöhnungseffekt oft unbemerkt, ist der Körper dauerhaft aktiviert, so die Psychologin.

"Wenn ich sehr angespannt bin oder mich gestresst fühle, dann reagiere ich auf Lärm stärker, der eigentlich gar nicht so schlimm ist."
Suzan Wolf, Psychologin und Achtsamkeitstrainerin

Ob uns Lärm überlastet, erkennen wir daran, wie stark wir auf Geräusche reagieren, so Suzan Wolf. Selbst wenn wir es bewusst kaum wahrnehmen, könne das Nervensystem gereizt sein. Das zeige sich etwa durch gesteigerte Reaktionen auf eigentlich harmlose Geräusche wie Musik oder Nachbarschaftslärm. Wer angespannt oder gestresst sei, reagiere in solchen Momenten dann deutlich empfindlicher.

Lärm aus- und Stille einladen

Im Alltag sei es wichtig, dass sich unser System regelmäßig beruhigen könne. Besonders bei hoher Lärmbelastung ist es hilfreich, bewusst Phasen der Stille einzuplanen, so die Psychologin. Im Park die Naturgeräusche wahrnehmen, auch Kopfhörer mit Noise Cancelling oder weißes Rauschen könnten helfen, Lärm auszublenden und Ruhe gezielt einzuladen.

"Ist viel Lärm präsent im Alltag, dann ist es hilfreich, wenn wir immer wieder Phasen haben, in denen es still ist."
Suzan Wolf, Psychologin und Achtsamkeitstrainerin

Wie wir auf Lärm reagieren, können wir auch durch die eigene Bewertung beeinflussen. Glauben wir, der Lärm von Nachbarn oder Baustelle geschehe absichtlich, fühlen wir eher Wut und Aggression. Ändern wir die Bewertung und nehmen den Lärm als normale Alltagsgeräusche wahr, reagiert der Körper weniger stark, erklärt die Psychologin. Dies sei eine Stellschraube, die wir nutzen könnten, da Lärm oft unvermeidlich sei.

Neurodivergente reagieren stärker auf Geräusche

Wie Menschen Lärm empfinden, sei sehr individuell. Unterschiede entstehen durch Reizoffenheit und die Fähigkeit, irrelevante Geräusche zu filtern, so Suzan Wolf. Biologie, Lebensphase, Gewohnheiten und Aufwachsen spielten eine Rolle. Manche Menschen könnten Lärm gut ausblenden, andere empfänden ihn als konstant störend.

"Menschen, die neurodivergent sind, zum Beispiel mit ADHS oder Autismus, für die sind Geräusche oft ein ganz großes Thema."
Suzan Wolf, Psychologin und Achtsamkeitstrainerin

Besonders neurodivergente Menschen, etwa mit ADHS oder Autismus, reagieren oft stärker auf Geräusche, so die Expertin. Ihre neurologische Verarbeitung ermögliche es ihnen weniger, Reize zu filtern. Für sie sei Lärm daher häufig belastender, während Neurotypische ihn kaum bemerkten oder problemlos ignorieren könnten.

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Shownotes
Immer Noise Cancelling
Warum machen uns laute Geräusche so fertig?
vom 17. November 2025
Gesprächsparterin: 
Laura Herz, Content Creatorin und Autorin, laute Geräusche werden ihr schnell zu viel
Gesprächsparterin: 
Suzan Wolf, Psychologin und Achtsamkeitstrainerin
Gesprächspartner: 
Christian Popp, Lärmforscher bei der Deutschen Gesellschaft für Akustik, erstellt Lärmgutachten
Moderation: 
Przemek Żuk
Redaktion: 
Betti Brecke, Christian Schmitt, Ivy Nortey
Produktion: 
Susanne Beyer
Quellen: