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Sie nutzen Diskriminierungserfahrungen junger Muslime für ihre Zwecke: “Muslim Interaktiv” hetzt auf Social Media gegen Politik und Medien und fordert einen Gottesstaat. Innenminister Dobrindt hat den Verein jetzt verboten. Wer steckt dahinter?

Videos mit starker, düsterer Musik, markigen Parolen und dem Versprechen, die "wahre Stimme der Muslime" zu sein – so präsentiert sich die islamistische Gruppierung Muslim Interaktiv auf TikTok, Instagram und YouTube.

Mit emotionalen Bildern von Leid im Gazastreifen oder Diskriminierung in Europa ziehen sie besonders junge Männer an. Seit dieser Woche ist der Verein verboten worden. Das Innenministerium sieht in ihm eine Gefahr für die Demokratie.

Jan Dahlmann vom Unboxing-News-Team hat sich die Inhalte genauer angesehen. Ihm fällt auf, wie professionell und gezielt die Gruppe ihre Videos produziert.

"Das ist alles extrem gut gemacht – kurze, emotionalisierte Clips, perfekt auf Plattformen wie TikTok zugeschnitten."
Jan Dahlmann, Deutschlandfunk Nova, Unboxing News

Nach seiner Einschätzung nutzt Muslim Interaktiv Themen wie Rassismus oder den Nahostkonflikt, um Misstrauen gegenüber Politik und Medien zu schüren.

Besonders oft taucht der Sprecher Raheem Boateng auf, der von "gescheiterter Integration" und "verfolgten Muslimen" spricht. In den Clips wird suggeriert, der Westen führe Krieg gegen den Islam – die Lösung sei ein Kalifat.

Vom Social Media-Kanal auf die Straße

Die Gruppe hat auch Demonstrationen organisiert, etwa in Hamburg und Berlin, mit bis zu 1.000 Teilnehmenden. Offiziell richteten sie sich gegen angebliche Islamfeindlichkeit. Auf den Plakaten aber stand: "Kalifat jetzt!".

"Sie sagen, die Antwort auf Diskriminierung sei ein Gottesstaat – also eine Herrschaft, in der Religion die Gesetze bestimmt."
Jan Dahlmann, Deutschlandfunk Nova, Unboxing News

Damit überschreite die Gruppierung die Grenzen der Meinungsfreiheit, sagt Holger Schmidt, ARD-Sicherheitsexperte. Er ordnet das Verbot juristisch ein.

"Ein Vereinsverbot greift, wenn eine Vereinigung gegen die Grundwerte unserer Demokratie verstößt. Das Bundesinnenministerium sagt jetzt, Muslim Interaktiv war so volksverhetzend und ausgrenzend, dass der Schritt richtig ist."
Holger Schmidt, ARD-Sicherheitsexperte

Er erklärt, die Bewegung knüpfe ideologisch an die islamistische Organisation Hizb ut-Tahrir an, die bereits 2003 in Deutschland verboten wurde. Auch Muslim Interaktiv wolle ein weltweites Kalifat – und agiere dabei bewusst im Verborgenen.

"Die Struktur ist sehr geheimnisvoll, sehr abgeschlossen, die Verantwortlichen sind schwer zu greifen. Das ist typisch für Gruppen, die sich ideologisch von Hizb ut-Tahrir ableiten."
Holger Schmidt, ARD-Sicherheitsexperte

Kritik auch aus der muslimischen Community

Auch innerhalb der muslimischen Gesellschaft gibt es deutliche Distanz. In einer Talkshow des Fernsehsenders ServusTV kritisierte Ferah Uluçay, Generalsekretärin des Islamischen Zentralrats der Schweiz, das Vorgehen der Gruppierung.

"Muslim Interaktiv ist eine Gruppe, die Muslime unter einem Kalifat vereinen will. Die große Mehrheit der Muslime lehnt das völlig ab."
Ferah Uluçay, Islamischer Zentralrat der Schweiz – Quelle: ServusTV

Sie wirft der Bewegung vor, Demonstrationen zu instrumentalisieren, um junge Menschen zu rekrutieren und ihre Ideologie zu verbreiten. Für viele Musliminnen und Muslime sei das ein Missbrauch ihres Glaubens.

Holger Schmidt sieht die Gefahr weniger in den Köpfen der Organisatoren – die seien gefestigt –, sondern in ihrer Reichweite. Wenn ihre Inhalte hunderttausende Klicks erzielen, könnten sie Jugendliche beeinflussen, die bislang nichts mit Extremismus zu tun hatten.

"Das Verbot wird sie nicht bekehren, aber es verhindert, dass sie mit ihren Ideen so viele Menschen erreichen."
Holger Schmidt, ARD-Sicherheitsexperte

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an unboxingnews@deutschlandradio.de

  • Unboxing News
  • Host: Marcel Bohn
  • Gesprächspartner: Holger Schmidt, ARD Sicherheitsexperte
  • Gesprächspartner: Jan Dahlmann, Unboxing-News-Team