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Berufsschullehrerin Jana beobachtet zunehmend, wie sich Schüler diskriminierend äußern. Eine Studie zeigt, dass junge Erwachsene häufiger rechtsextrem eingestellt sind als die Gesamtgesellschaft. Wir schauen, was da hilft.

Jana ist 35. Sie ist Lehrerin für Deutsch und Philosophie an einer Berufsschule in Schleswig-Holstein. Sie setzt sich für mehr Bildungsgerechtigkeit ein und ist Mitglied bei der Partei Die Linke. Ihre Schüler*innen sind im Alter zwischen 16 und Anfang 20.

Jana gewinnt immer mehr den Eindruck, dass diskriminierende Äußerungen unter den Schüler*innen zunehmen, hat sie uns erzählt. Dazu gehören zum Beispiel Aussagen, dass Ausländer*innen Jobs wegnehmen würden. Oder dass sich Arbeit nicht lohne.

Extreme Positionen scheinen sagbarer zu werden

Solche Äußerungen schockieren Jana nicht mehr. Sie hört aber nicht darüber hinweg, sondern versucht, möglichst schnell zu reagieren: mit Gesprächen in der Klasse oder teilweise auch mit den Eltern.

"Ich versuche immer sehr, sehr schnell auf so etwas zu reagieren. Auch wenn ich Klassen zum Beispiel neu habe, dass man schnell klar macht, wie wir im Klassenverband miteinander reden."
Jana, Lehrerin an einer Berufsschule

Extremistische Positionen ihrer Schüler*innen seien nicht komplett neu. "Aber ich würde sagen, dass es häufiger wird und auch sagbarer", sagt Jana. Aussagen würden nicht mehr heimlich geteilt, sondern im Klassenverband auch laut formuliert. Ein großer Faktor dafür sei Social Media, so Jana. Wenn sie ihre Schüler*innen fragt, wie sie zu solchen Aussagen gelangen, dann antworten sie häufig: "über Tiktok".

Janas Eindruck ist, dass die Schüler*innen ihre Informationen vermehrt von politisch rechts stehenden Accounts bekommen, meist in kurzen Videos präsentiert. Diese Infos würden dann an der Schule nacherzählt. Häufig seien es mehrheitlich Schüler als Schülerinnen, die extreme Positionen teilten.

Neue Studie: "Die angespannte Mitte"

Alle zwei Jahre veröffentlicht die Friedrich Ebert Stiftung die repräsentative Mitte-Studie. In diesem Jahr unter dem Titel "Die angespannte Mitte". In der Studie wird die Zustimmung zur Demokratie untersucht, genauso wie menschenfeindliche Einstellungen, geschlossene rechtsextreme Weltbilder und Graubereiche.

In der Studie bekennen sich 80 Prozent der Befragten zur Demokratie, sagt der Journalist Patric Seibel. 3,3 Prozent der Befragten zeigten ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild. Dieses Weltbild werde anhand unterschiedlicher Dimensionen abgefragt, erklärt Seibel.

Frage in der Mitte-Studie: Hatte der Nationalsozialismus auch seine guten Seiten?

Dazu gehöre zum Beispiel, wie Menschen eine Verharmlosung des Nationalsozialismus bewerten. Es gebe etwa Aussagen wie "Der Nationalsozialismus hatte
auch seine guten Seiten". Die Antwortmöglichkeiten variieren von "stimme voll zu", "stimme überwiegend zu" bis hin zu "lehne völlig ab".

"Das sind tatsächlich 20 Prozent, die nicht klar sagen können: 'Nein, lehne ich völlig ab'. Sondern die so im Teils-Teils-Bereich bleiben."
Patric Seibel, Journalist

Die Befragten lassen sich nicht immer klar zuordnen, sondern landen in einer Art Grauzone: Dazu gehören jene, die demokratiegefährdende Aussagen nicht völlig ablehnen. Das bedeutet aber auch, dass diese Gruppe künftig rechtsextreme Aussagen eher zustimmen könnten als Befragte, die aktuell demokratigefährdende Aussagen klar ablehnen.

Waren die rechtsextremen Ansichten nie weg?

Eine Frage, die auch bei der Mitte-Studie immer wieder auftaucht, lautet:

  • Waren die rechtsextremen Ansichten im Grunde nie weg und sind jetzt nur wieder sagbarer?
  • Oder entstehen solche Ansichten gerade (wieder) neu?

Zu dieser Frage forscht zum Beispiel Vicente Valentim, ein Politologe aus Portugal. "Er sagt, die Leute waren immer schon rechts – aber jetzt trauen sie sich, es offen zuzugeben und trauen sich auch, diese Parteien zu wählen", so Seibel.

Parteien wie etwa die AfD in Deutschland. Der Zugewinn sei eben nicht über Nacht passiert.

"Das weiß man aus vielen, vielen Untersuchungen: Einstellungen bleiben über ganz lange Zeiträume stabil."
Patric Seibel, Journalist

Was die Mitte-Studie auch zeigt: Bildung ist sehr wichtig. "Die schützt eindeutig vor Rechtsextremismus", sagt Patric Seibel.

Rechtsextreme Positionen im Klassenzimmer

Lehrkräfte wie Jana sind gefragt. Kommt es zu extremen Positionen, macht sie im Klassenverband schnell klar, "dass rassistische, diskriminierende, beleidigende, ausgrenzende Äußerungen bei uns nichts zu suchen haben".

Zur Not drohen Konsequenzen. Verbote allein seien allerdings keine Antwort. Jana geht mit den Schüler*innen ins Gespräch und versucht so herauszufinden, woher solche Aussagen oder Überzeugungen kommen.

"Wenn man dann nicht weiter ins Gespräch geht, dann wird das Verhalten nur unterdrückt."
Jana, Lehrerin an einer Berufsschule

Für ein Aufrütteln wünscht sich Jana Hilfestellen, an die sich Lehrkräfte wenden können. Es fehlten auch verpflichtende Fortbildungen. Der Umgang mit extremen Positionen in Klassenzimmern werde nicht im Referendariat und auch nicht im Studium behandelt.

Wunsch nach Hilfestellen für Lehrkräfte

Darüber hinaus wünscht sich Jana insgesamt mehr Zivilcourage, nicht allein an Schulen.

"In dem Moment, wo eine oder einer aufsteht, ist die Bereitschaft der anderen, auch was zu sagen, viel größer."
Jana, Lehrerin an einer Berufsschule

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an unboxingnews@deutschlandradio.de

Shownotes
Jung und rechts
Werden demokratiefeindliche Aussagen sagbarer?
vom 06. November 2025
Host: 
Rahel Klein
Gesprächspartnerin: 
Jana, Lehrerin in Schleswig-Holstein
Gesprächspartner: 
Patric Seibel, Journalist beim Norddeutschen Rundfunk