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Marlene hat keinen Kinderwunsch. Sie ist sich da sehr sicher, trotzdem fragt sie sich manchmal, warum das bei ihr so ist. Wie die Gesellschaft auf Frauen reagiert, die kinderlos bleiben wollen und wie wir damit in Partnerschaften umgehen.

Marlene hat schon in der Grundschule in das Freundebuch ihrer Freunde geschrieben, dass sie sich ihre Zukunft so vorstellt: Mann, Haus, keine Kinder. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Sie ist 27 und ist überzeugt, dass sie kinderlos bleiben möchte. Aus ihrem Umfeld kamen immer wieder Stimmen, die sagten: "Das ändert sich bestimmt noch. Warte, bis du 30 bist." Marlene denkt sich dann: Nein!

Bin ich komisch, weil ich nicht Mutter werden will?

Manchmal hat Marlene aber doch ein komisches Gefühl und hinterfragt ihre Einstellung. Das passiert zum Beispiel, wenn sie zu Besuch bei ihrer Familie ist. Sie hat mehrere Geschwister mit Kindern – und dann wird oft übers Kinderkriegen gesprochen. Marlene fühlt sich bei diesen Gesprächen häufig fehl am Platz und ist in gewisser Weise auch irritiert: "Irgendwie fühlt es sich komisch an, dass mir das so fremd ist, weil ich dieses Bedürfnis nie hatte."

"Irgendwann sitzt man da und denkt sich: Bin ich eigentlich komisch? Sollte ich nicht das wollen, was in meinem Kopf anscheinend alle wollen – Familie gründen?"
Marlene, hat keinen Kinderwunsch

Marlene sieht sich regelmäßig mit der Erwartungshaltung konfrontiert, dass Frauen Kinder bekommen müssten. Sie hört immer wieder Aussagen wie: "Die biologische Uhr tickt." Aus ihrer Sicht gibt es in der Gesellschaft wenig Akzeptanz dafür, keine Kinder haben zu wollen.

Bewusste Entscheidung, keine zu Kinder wollen

Mit ihrem Wunsch, kinderlos zu bleiben, ist Marlene jedoch nicht alleine. Die Sozialwissenschaftlerin Annkatrin Heuschkel sagt, dass Frauen wie Marlene mittlerweile ganz bewusst diese Entscheidung treffen, ohne eigene Kinder zu leben. Sie sieht auch eine Form der erweiterten Fürsorge, zu sagen, dass Frauen ein Leben ohne Kinder nicht nur leisten können, sondern auch wollen.

"Es ist eine ganz bewusste Entscheidung, auch zugunsten eines ungeborenen Kindes."
Annkatrin Heuschkel, Sozialwissenschaftlerin

Frauen entscheiden sich sehr früh gegen eigene Kinder

Annkatrin Heuschkel ist auch Mitautorin der Studie "Gewollte Kinderlosigkeit", die zeigt, dass Frauen in ihrem Wunsch, keine Kinder bekommen zu wollen, ernst genommen werden sollten. Denn bei vielen Frauen kommt dieser Wunsch bereits sehr früh auf. Laut der Studie entscheiden sich etwa 60 Prozent der Frauen schon vor ihrem 25. Lebensjahr bewusst für ein Leben ohne Kinder.

"Etwa 42 Prozent wussten das sogar schon im Alter von unter 18 Jahren. Solche Frauen nennt man auch Früh-Entscheiderinnen, weil sie sich schon in sehr jungen Jahren festlegen", so die Sozialwissenschaftlerin. Es gibt auch die Spät-Entscheiderinnen oder Aufschieberinnen, die sich im Laufe der Zeit erst fragen, ob das Mutterdasein überhaupt etwas für sie ist.

"Wir sollten Frauen vertrauen und akzeptieren, dass hier persönliche Entscheidungen getroffen werden."
Annkatrin Heuschkel, Soziologin

Laut dem Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend (BMFSFJ) sind 20 Prozent der Frauen in Deutschland kinderlos – also etwa 8,5 Millionen. Es wird davon ausgegangen, dass sich die meisten dieser Frauen bewusst dafür entschieden haben. Die Gründe dafür können sehr unterschiedlich sein, so Annkatrin Heuschkel. Neben dem Wunsch nach mehr Freizeit, der Selbstverwirklichung und der finanziellen Verantwortung spielen aber auch noch andere Faktoren eine Rolle.

Sorge vor Bevölkerungswachstum und Klimawandel

"Für jede zweite gewollt kinderlose Frau spielt das stetige Bevölkerungswachstum und der spürbare Klimawandel eine Rolle." Auch der Beziehungsstatus sei ausschlaggebend. Häufig heißt es, es fehle einfach der richtige Partner oder die richtige Partnerin. "Tatsächlich sind viele in einer Beziehung und entscheiden sich aus großer Zufriedenheit heraus gegen eigene Kinder."

Das Idealbild von Familie

Trotzdem gibt es nach wie vor dieses Idealbild in der Gesellschaft, dass wir eine Familie gründen sollen, sagt Annkatrin Heuschkel. Frauen werde vorgelebt, es sei normal, Kinder zu haben. Und es komme auch zu abwertenden Reaktionen, wenn dieser Kinderwunsch nicht vorhanden ist, so die Sozialwissenschaftlerin.

"Der Kinderwunsch ist stark gesellschaftlich geprägt. Man könnte auch sagen, er ist gesellschaftlich normalisiert."
Annkatrin Heuschkel, Sozialwissenschaftlerin

Marlene hat dieses Idealbild schon früh hinterfragt. Bis heute hat sie konkrete Vorstellungen davon, wie ihr Leben einmal aussehen soll – allerdings sind Kinder kein Bestandteil. "Ich hätte gerne ein eigenes Haus oder eine Wohnung und hoffentlich meinen Partner für immer an meiner Seite. Reisen, intensiv meinen Hobbys nachgehen und meine Karriere sind mir auch ziemlich wichtig."

Angst, die Kinderlosigkeit zu bereuen

Wer wie Marlene keinen Kinderwunsch hat, sich aber manchmal fragt, ob das die richtige Einstellung ist, sollte sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzen, rät die systemische Paartherapeutin und Kinderfrage-Coach Anna Schmutte. "Es ist ja im Prinzip völlig in Ordnung, keine Kinder zu bekommen. Aber was ist es für mich persönlich, was mich daran irritiert? Welche Glaubenssätze habe ich vielleicht in mir und was wird mir von außen suggeriert?"

Das helfe dabei, eine bewusste Entscheidung für sich zu treffen und später die Kinderlosigkeit nicht zu bereuen. Die Angst vor Reue sei nämlich dann am stärksten, wenn man das Gefühl hat, keine aktive Entscheidung getroffen zu haben, sagt Anna Schmutte.

Wichtige Fragen, die sich Frauen und Männer deshalb stellen sollten:

  • Habe ich Lust darauf, Mutter oder Vater zu sein?
  • Habe ich Lust darauf, Zeit mit einem Kind zu verbringen?
  • Hab ich Lust, fürsorglich mit einem Kind umzugehen?
"Wenn man kein inneres Ja für ein Kind spürt, sollte man es vielleicht auch nicht machen."
Anna Schmutte, systemische Paartherapeutin und Kinderfrage-Coach

Wenn sich in einer Beziehung ein Partner Kinder wünscht und der andere nicht, kann das zu einer Trennung führen – muss es aber nicht zwingend, findet Anna Schmutte. Auch hier rät sie, ins Gespräch zu gehen: "Gibt es Möglichkeiten, bestimmte Ängste aus dem Weg zu räumen, und ist der Kinderwunsch der einen Person wirklich so absolut, dass sie dafür die Beziehung beenden müsste?"

Marlene und ihr Partner haben sehr früh über dieses Thema gesprochen und entschieden, dass beide mit Marlenes nicht vorhandenem Kinderwunsch leben können.

Hinweis: Auf dem Bild oben ist nicht Marlene zu sehen.

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Empfehlungen aus dem Beitrag:
  • Heuschkel, A & Rahnfeld, C. (2023). Gewollte Kinderlosigkeit. Springer Fachmedien Wiesbaden
Shownotes
Kein Kinderwunsch
Wie stehe ich selbstbewusst zu meiner Entscheidung?
vom 31. Oktober 2025
Gesprächspartnerin: 
Marlene, hat keinen Kinderwunsch
Gesprächspartnerin: 
Anna Schmutte, systemische Paartherapeutin und Kinderfrage-Coach
Gesprächspartnerin: 
Annkatrin Heuschkel, Sozialwissenschaftlerin und Mitautorin der Studie "Gewollte Kinderlosigkeit"
Autorin und Host: 
Shalin Rogall
Redaktion: 
Anne Bohlmann, Stefan Krombach, Ivy Nortey, Friederike Seeger
Produktion: 
Jan Morgenstern
Quellen: