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Polnische Legionäre kämpften im 19. Jahrhundert für die Kolonialmacht Frankreich im heutigen Haiti. Polen selbst war damals kein souveräner Staat. Ein Vortrag der Historikerin Anka Steffen über die ambivalente Rolle Osteuropas im Kolonialismus.

Ab 1791 rebellierten in Saint-Domingue, dem heutigen Haiti, Sklaven gegen ihre französischen Kolonialherren. An der Seite Frankreichs kämpften ab dem 19. Jahrhundert rund 5.000 polnische Legionäre – auch gegen die Sklaven.

Osteuropas Rolle im Kolonialismus

Die Historikerin Anka Steffen zeichnet in ihrem Vortrag ein ambivalentes Bild der Rolle Polens im Kolonialismus. Polen war zu dieser Zeit kein souveräner Staat.

Historische Quellen deuten darauf hin, dass sich die polnischen Legionäre mit den versklavten Freiheitskämpfern identifizierten, erklärt die Historikerin. Obwohl sie zugleich gegen sie kämpften – als französische Legionäre. Als Haiti 1804 unabhängig wurde und die französische Armee abzog, blieben etwa 400 polnische Legionäre auf der Insel, so Anka Steffen. Bis heute gibt es in Haiti eine Minderheit mit polnischer Einwanderungsgeschichte.

"Der Mythos der heroischen Polen, die sich weigerten, gegen wehrlose oder gleichgesinnte Freiheitskämpfer zu kämpfen, wird vermeintlich durch zeitgenössische Aussagen gestützt."
Anka Steffen, Historikerin

Doch der Mythos der heroischen Polen, die durch ihre Weigerung zu kämpfen und damit die Anerkennung der Aufständischen erlangten, lässt sich nicht eindeutig belegen, zeigt Anka Steffen. Die Historikerin lässt in ihrem Vortrag die Legionäre selbst zu Wort kommen und zitiert aus historischen Quellen.

"Die polnischen Legionäre teilten das koloniale Weltverständnis der Franzosen und waren somit automatisch Teil des kolonisierenden Universums."
Anka Steffen, Historikerin

Der Heroismus ist in Teilen auch Mythos

Die Geschichte polnischer Legionäre auf Sankt Roman zeigt, dass Polen nicht allein Objekt imperialer Ansprüche gewesen ist, sagt Anka Steffen. Vielmehr sollten wir Osteuropa als Raum begreifen, in dem imperiale Kolonialdiskurse verhandelt wurden, so die Historikerin.

"Die Dichotomie 'der Westen' und 'der Rest" ist nicht ausreichend, um die hierarchische Weltordnung der kolonialen und postkolonialen Gegenwart zu erfassen."
Anka Steffen, Historikerin

Anka Steffen ist Historikerin am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien und forscht dort zu Globalgeschichte. Ihren Vortrag "Im Namen der Freiheit. Eine Fallstudie zu den polnischen Legionären auf Haiti" hielt sie am 12. September 2025 im Rahmen des Workshops Transversales Denken und Handeln - Kulturwissenschaftliche Paradigmen im Kontext der transatlantischen Versklavungsgeschichte an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Hier ist der Vortrag in leicht gekürzter Fassung zu hören.

Hinweis und Korrektur zum Vortrag:

  • Bei Minute 15:03 spricht Anka Steffen von "Jan Pepłowski"; an dieser Stelle ist jedoch "Jan Pachoński" gemeint. Die Erwähnung von "Jan Pepłowski" davor ist korrekt.
  • Bei Minute 17:30 sagt Anka Steffen, dass Haiti 1801 seine Unabhängigkeit proklamierte. Das korrekte Datum ist 1804.
Shownotes
Kolonialismus
Polnische Legionäre auf Haiti
vom 14. November 2025
Moderation: 
Nina Bust-Bartels
Gesprächspartnerin: 
Anka Steffen, Historikerin, Universität Wien
  • Vortrag: Polnische Legionäre auf Haiti
  • Historischer Überblick
  • Was erlebten die polnischen Legionäre auf Haiti?
  • Eine osteuropäische Perspektive in der globalen Kolonialgeschichte