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Als Anneke mit dem Vollzeitjob anfängt, merkt sie, dass sie sich schöne Momente im Alltag bewusst kreieren muss. Das tut sie auch und spürt dadurch mehr Lebensfreude. Ein Psychologe erklärt, wie wir länger etwas von solchen Glücksmomenten haben.

Arbeiten, einkaufen, putzen, schlafen gehen. Anneke ist Anfang 20, als sie in dieses Hamsterrad gerät. Irgendwann ist für sie klar, dass das nicht alles sein kann. Sie möchte auch besondere Momente erleben, trotz 9-to-5-Job. Und die schafft sie sich ganz bewusst. Manchmal sind es die kleinen Momente im Alltag, die sie besonders wahrnimmt. Glücklich macht es Anneke zum Beispiel, wenn die Sonne in ihr Büro scheint. Sie versucht aber auch, Treffen mit ihrem Partner oder Freunden intensiver zu genießen.

Raum für Glücksmomente

Wichtig sind für Anneke außerdem die Zeiten, in denen sie mal was ganz alleine für sich unternimmt. Sie wird dann zum Beispiel kreativ und malt oder bastelt.

"Ich schreibe jeden Abend einen Glücksmoment des Tages auf."
Anneke, hat gelernt, im Alltag auf schöne Momente zu achten

Anneke hat Meditation dabei geholfen, besser auf schöne Momente im Alltag zu achten. Sie hat sich aber auch Erinnerungen im Handy eingestellt oder Zettelchen irgendwo hin geklebt. Außerdem dokumentiert Anneke ihre Erlebnisse auf Social Media und führt Tagebuch über ihre Glücksmomente: "Dann hat man den vielleicht in dem Moment nicht so wahrgenommen, aber man kann sich im Nachgang darüber freuen."

"Ich bin insgesamt zufriedener"

Seitdem Anneke besondere Momente bewusster wahrnimmt, fühlt sie sich insgesamt zufriedener, sagt sie: "Weil man oft im Leben auf diese ganz großen Dinge fokussiert ist, auf die großen Ziele. Und sich immer denkt: Wenn ich das erreicht habe, bin ich zufrieden und glücklich. Aber wenn man auf die kleinen Dinge achtet, hat man immer wieder so Glücksmomente. Das hebt einfach die Stimmung und gibt eine neue Perspektive auf das eigene Leben."

Damit sie länger etwas von diesen Momenten hat, hält Anneke sie fotografisch fest. Die Fotos klebt sie am Ende des Monats dann in ihr Notizbuch. Auch wenn manche Leute Anneke dafür belächeln, ihr engster Freundeskreis akzeptiert, wie sie mit ihren kleinen Glücksmomenten im Alltag umgeht.

Warum es Menschen schwerfällt, die schönen Dinge zu sehen

Anneke versucht, den Fokus ganz bewusst auf positive Dinge in ihrem Leben zu legen. Tatsächlich konzentrieren sich Menschen im Laufe der Zeit immer stärker auf negative Erlebnisse, erklärt der Neurowissenschaftler Tobias Esch: "Weil an den vermeintlich negativen Momenten sehr schnell unser Überleben hängt. Und wenn das Überleben bedroht ist, sind wir sofort in der Lage, alles andere stehen und liegen zu lassen und in die Kampf- oder Fluchtreaktion zu gehen. Deswegen dringen negative Momente so stark durch."

Jugendliche und Ältere positiver gepolt

Im jugendlichen Alter sieht das noch anders aus. Da werden negative Dinge eher ausgeblendet. Das hängt auch damit zusammen, dass in dieser Zeit meist andere Menschen die Verantwortung für Jugendliche übernehmen. Mit Ende 20 bzw. Anfang 30 ändert sich dem Neurowissenschaftler zufolge diese Wahrnehmung und Dinge werden eher pessimistisch und skeptisch betrachtet. Bei Älteren wandele sich das dann wieder.

"In der zweiten Lebenshälfte, gerade bei Älteren, nimmt dieses Gefühl ab und wir sind eher auf Positives gepolt."
Tobias Esch, Leiter des Instituts für Integrative Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung, Universität Witten/Herdecke

Auch die Schnelllebigkeit heutzutage könnte mit ein Grund sein, warum es einigen Menschen schwerfällt, auf positive Momente zu achten, sagt der Psychologe Michael Tomoff: "Wir sind häufig im Autopilot-Modus. Wir arbeiten und haben Sachen zu erledigen. Wir haben eigentlich nicht die Zeit, eine Sekunde mal hochzuschauen und zu überlegen, was tut mir eigentlich gerade gut. Was ist jetzt gerade schön um mich herum."

Für den Psychologen ist ein weiterer Grund, dass viele Menschen sehr hohe Erwartungen an Dinge haben: "Durch Werbung, durch Social Media. Wir bekommen häufig das Bestmögliche vorgehalten und das ist nicht unbedingt mit der Realität im Einklang."

Viele nehmen sich Kritik sehr zu Herzen

Der Psychologe erklärt auch anhand eines Beispiels, warum uns negative Dinge nachhaltig beschäftigen: Wenn wir Lob bekommen und gleichzeitig Kritik, dann beschäftigt uns die Kritik länger, erklärt Michael Tomoff: "Das hat viel mit unserer Persönlichkeit zu tun. Es gibt Menschen, die interessiert das nicht großartig und die können das abhaken. Aber ich würde sagen, der Durchschnitt nimmt sich das sehr stark zu Herzen."

"Wenn ich ein Kompliment bekomme oder auch drei oder vier am Stück – und eine Sache kritisch zurückgemeldet bekomme – dann ballert diese Sache am meisten rein und beschäftigt mich den ganzen Tag."
Michael Tomoff, Diplom-Psychologe, systemischer Coach, Trainer und Autor

Laut dem Psychologen hängt diese Reaktion mit der Angst vor dem Alleinsein zusammen. Menschen fürchten, dass sie nicht geliebt werden, Freunde verlieren oder sozial ausgestoßen sind. "Und ausgestoßen zu sein hieß früher, wo wir noch in kleinen Stämmen und Dörfern gelebt haben: zu sterben, weil man alleine nicht so leicht überleben konnte."

Dankbarkeit kultivieren

Um sich besser auf die positiven Dinge im Leben zu konzentrieren, kann es dem Psychologen zufolge helfen, ein Dankbarkeitstagebuch zu führen: "Also beispielsweise am Abend drei Dinge aufschreiben, die toll waren. Das jeden Tag zu tun, führt dazu, während des Tages schon viel früher darüber nachzudenken: Das könnte heute Abend wieder auf die Liste kommen."

Andere Möglichkeiten, um Positives mehr zu spüren, könnten zum Beispiel sein, zu spenden oder sich sozial zu engagieren, so Michael Tomoff. "Irgendwo etwas Gutes zu bewirken, das dir das Gefühl gibt: Da läuft eine Menge schief in der Welt, aber ich habe in meiner kleinen Welt die Möglichkeit, was zu ändern und was Gutes dagegen zu halten."

Schöne Momente nachhaltig machen

Für wichtig hält der Psychologe auch, besondere Erlebnisse möglichst intensiv zu erleben. Als Beispiel nennt er das Treffen mit einem Freund oder einer Freundin: "Wir haben total super gequatscht, wir haben vielleicht lecker gegessen, wir haben uns gegenseitig unterstützen können. Was wir häufig machen, ist, dass der eine dem anderen am nächsten Tag noch eine Sprachnachricht aufsagt: Ich schätze das so, Zeit mit dir zu verbringen und danke, dass du für mich da warst."

"Diese Momente noch mal Revue passieren lassen, bewusst inne zu halten, bevor die dann weiterziehen."
Michael Tomoff, Diplom-Psychologe, systemischer Coach, Trainer und Autor

Ähnlich wie Anneke es handhabt, rät der Psychologe dazu, Fotos von besonderen Momenten zu machen, Erlebtes aufzuschreiben oder mit Freunden und Familie zu teilen. Auch Düfte, Musik oder besondere Kleidungsstücke können uns an schöne Momente erinnern und dabei helfen, sie wieder aufleben zu lassen.

Auch körperliche Bewegung kann für mehr Glücksmomente im Alltag sorgen. Michal Tomoff empfiehlt zum Beispiel, mal nicht den Fahrstuhl zu nehmen, sondern die Treppe oder mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren. "Ich sehe das als Möglichkeit, mich körperlich besser aufzustellen – und Körperfitness ist definitiv ein sehr großer Faktor, wenn es um Happiness geht."

Hinweis: Auf dem Bild oben ist nicht Anneke zu sehen.

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Shownotes
Lebensfreude
Unbeschwerte Momente im Alltag mehr fühlen
vom 09. April 2025
Gesprächspartnerin: 
Anneke, hat gelernt, im Alltag auf schöne Momente zu achten
Gesprächspartner: 
Michael Tomoff, Diplom-Psychologe, systemischer Coach, Trainer und Autor
Gesprächspartner: 
Tobias Esch, Leiter des Instituts für Integrative Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung, Universität Witten/Herdecke
Host & Autorin: 
Caro Nieder
Redaktion: 
Ivy Nortey, Sarah Brendel & Friederike Seeger
Produktion: 
Norman Wollmacher