Alkohol und Feiern gehören für viele zusammen. Zoé feiert seit acht Jahren nüchtern. Oft erwarten andere, dass sie das rechtfertigt. Ein Psychopharmakologe erklärt, warum Alkohol locker macht. Eine Suchttherapeutin gibt Tipps fürs Feiern ohne Promille.
Vor acht Jahren hatte Zoé ein Schlüsselerlebnis: Sie ist abends unterwegs mit Freunden und bestellt, ohne darüber nachzudenken, ein Bier. Als das Bier vor ihr steht, stellt sie fest, dass sie es gar nicht trinken möchte, sagt sie.
"Ich sage oft: Es ist eine persönliche Entscheidung, ich mag gerade nicht darüber reden."
Sie hat es bestellt, weil es für sie normal ist, im Club oder in einer Bar etwas Alkoholisches zu bestellen – allerdings mehr aus Gewohnheit als aus dem Gefühl heraus, ein Bier trinken zu wollen. Dieser Automatismus gibt Zoé zu denken. Sie bechließt, bewusster zu entscheiden, wann sie etwas trinken möchte und wann nicht.
Und: Sie wagt ein kleines Selbstexperiment und entscheidet, einen Monat lang keinen Alkohol zu trinken, wenn sie abends ausgeht. Denn sie möchte herausfinden, ob ihr das gelegentliche Bier oder der Wein tatsächlich fehlt, wenn sie sie weglässt.
"Sei doch mal locker. Alles gut, ich bin total locker."
Das Einzige, was sie das Trinken vermissen lässt, ist die soziale Komponente, sagt Zoé. Zum Beispiel das gemeinsame Anstoßen (wobei man das natürlich auch mit alkoholfreien Getränken kann, Anmerkung der Redaktion). Und auch die Tatsache, dass sie sehr oft darauf angesprochen wird, ist eine neue Herausforderung für sie, die mit dem Nüchternsein einhergeht.
Nüchtern im Club? Kann doch nicht sein!
Manche verstehen nicht, wie es in einer Bar oder in einem Club funktionieren kann, keinen Alkohol zu trinken. Andere fragen Zoé, ob sie schwanger sei. Und wieder andere fangen an, sich für ihren eigenen Alkoholkonsum zu rechtfertigen, weil sie durch Zoés Verzicht das Gefühl haben, dass ihnen der Spiegel vorgehalten wird.
Dabei interessiert es Zoé gar nicht, wieso andere trinken. In der Regel, will sie, wenn sie ausgeht, einfach nur Spaß haben. Dass sie ständig das Gefühl hat, dass Leute erwarten, dass sie sich sich fürs Nüchternbleiben rechtfertigt, stört Zoé. Deswegen legt sie sich ein paar Standardantworten zurecht.
Nicht mehr der Alien wie vor acht Jahren
Vor acht Jahren hat sich Zoé als Einzelfall und Ausnahme gefühlt. Heute ist es nicht mehr ganz so extrem, sagt sie. Mehr Menschen verzichten wie sie auf alkoholische Getränke. Für Zoé ist es Normalität und für viele Menschen um sie herum wird es das mehr und mehr auch: Manche trinken, wenn sie ausgehen, andere tun es eben nicht.
Alkohol wirkt angstlösend
Rainer Spanagel befasst sich mit Psychopharmakologie. Er sagt, dass Alkohol im Gehirn an Rezeptoren an vielen unterschiedlichen Stellen interagiert – im Gegensatz zu anderen Drogen und Opiaten, die nur auf bestimmte Rezeptoren Einfluss nehmen. Alkohol hat vor allem eine Wirkung, sagt Rainer Spanagel: Er wirkt angstlösend.
Das erfährt Zoé besonders deutlich am eigenen Leib, nachdem sie aufgehört hat, abends in Clubs zu trinken. Das "Ankommen" im Club ist schwieriger. Sich in der engen, lauten, schwitzigen Umgebung wohlzufühlen und auf der Tanzfläche loslassen zu können, ist ohne Alkohol eine Herausforderung. Aber auch das kann man lernen und sich damit arrangieren, sagt Zoé.
Die Partys bewusster auswählen
Um ohne Alkohol in Feierlaune zu kommen, lässt Zoé es langsam angehen: Sie holt sich erst ein Getränk oder geht auf Toilette, bevor sie sich auf die Tanzfläche begibt. Wenn die Musik stimmt, dann fühlt es sich auch nicht mehr "awkward" an, sagt sie.
Sie geht auch nicht mehr feiern, um feiern zu gehen, sondern wählt viel bewusster aus, auf welche Party sie gehen möchte und wann sie lieber zu Hause bleibt.
"Ab 0,2 bis 0,3 Promille haben wir eine klare Wirkung, die zunächst stimulierend wirkt und leicht euphorisierend."
Stefanie Bötsch ist Sozialarbeiterin und Suchttherapeutin. Sie sagt, dass in Deutschland der Konsum von Alkohol oder anderen Drogen seit jeher zum Feiern dazugehört. Wir hinterfragen das oft nicht. Sobald aber jemand stattdessen lieber nüchtern bleiben möchte, stören sich viele anderen daran.
Das findet die Sozialarbeiterin gewissermaßen unfair. Denn jede*r sollte den Raum haben, das zu tun, was er oder sie möchte. Das heißt, dass es auch konsumfreie Räume geben sollte, in denen wir nüchtern bleiben können, ohne das Gefühl zu haben, nicht dazuzugehören.
"Seit jeher ist Feiern in Deutschland mit Konsum verbunden."
Es kann manchmal eine Herausforderung sein, wenn wir ausgehen und gleichzeitig nüchtern bleiben wollen. Oft deshalb, weil die meisten anderen Alkohol trinken oder diejenigen, die nichts trinken möchten, damit konfrontieren.
Für diejenigen, die nüchtern feiern wollen, hat Stefanoe Bötsch ein paar Tipps:
- Sich fragen: Auf welche Art von Party möchte ich gehen? Partys wählen, wo der Alkoholkonsum nicht so im Mittelpunkt steht
- Sich fragen: Wieso möchte ich auf Alkohol verzichten? Wieso ist mir das wichtig? Um eine selbstbewusste Haltung dazu entwickeln zu können
- Auf Sober Raves oder Sober Partys gehen
- Einen Sober Buddy suchen und gemeinsam nüchtern feiern gehen. Wichtig ist, dass derjenige zuverlässig ist und nicht irgendwann schlappt macht und doch etwas trinkt.
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