AfD und Russland – wie tief geht die Verbindung wirklich? Zwischen Spionagevorwurf, Russlandreisen und Geldflüssen: Wir sprechen mit der WDR-Investigativjournalistin Katja Riedel über das, was belegt ist – und das, was sich nicht beweisen lässt.
Es ist eigentlich überhaupt nicht ungewöhnlich, dass eine Oppositionspartei viele Kleine Anfragen im Land- oder Bundestag stellt. Mit einer Kleinen Anfrage kann die Opposition Auskünfte von der Regierung einfordern. Doch dass diese Anfragen der vergangenen Monate extrem detailliert mit Blick auf die kritische Infrastruktur gestellt werden, findet Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) auffällig.
Kleine Anfragen, die große Fragen aufwerfen
Als Beispiel nennt er die Anfrage des AfD-Abgeordneten Ringo Mühlmann. Er habe genau wissen wollen, welche militärischen Transporte seit 2022 – dem Jahr, in dem Russland die Ukraine erneut überfiel – durch Thüringen in Richtung Ukraine gefahren seien. Es soll um die Art des Transports, die Straßen, Schienen sowie die Anzahl der Durchfahrten und bekannten Haltepunkte gegangen sein.
Maier betont: "Es handelt sich hierbei um hochsensible Informationen", und stellt öffentlich die Frage: "Warum will jemand das wissen?" Dann äußert er den Verdacht, dass Informationen, die öffentlich im Landtag abgefragt werden, womöglich in die falschen Hände geraten könnten.
"Es liest sich fast wie eine Auftragsliste des Kremls."
Die AfD reagiert empört auf die Vorwürfe. Der Bundestagsabgeordnete Bernd Baumann spricht von "irrwitzigen Verdächtigungen" und nennt als Grund für die Anfragen, dass Union und SPD die Infrastruktur jahrelang hätten verkommen lassen.
Ob das tatsächlich so ist, lässt sich derzeit nicht belegen. Dass die AfD auffällig oft nach sicherheitsrelevanten Themen fragt, überrascht Katja Riedel nicht. "Tatsächlich haben wir schon einmal einen ähnlichen Fall belegen können", sagt die Investigativjournalistin, die seit zehn Jahren für den WDR zur AfD recherchiert.
AfD spricht offen über Nähe zu Russland
Riedel berichtet vom Fall des AfD-Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier. Damals haben Riedel und ihr Kollege vom NDR, Sebastian Pittelkow, interne Kommunikation zu sehen bekommen – darunter vorformulierte Kleine Anfragen, die Frohnmaier anschließend im Bundestag genauso einreichte. Die Vorlagen dafür stammten von einem Mann, dem der Generalbundesanwalt Spionage für Russland vorwarf. "Die Sicherheitsbehörden gingen davon aus, dass dieser Mann eine Art Kontaktmann russischer Dienste zur AfD war", erklärt Riedel. Der Fall konnte juristisch nie vollständig aufgeklärt werden; der Mann sei inzwischen tot, so die Journalistin.
Markus Frohnmaier ist heute (Stand: 24.10.2025) stellvertretender Fraktionsvorsitzender der AfD im Bundestag. Aus seiner Nähe zu Russland macht Frohnmaier aber keinen Hehl, im Gegenteil: Er reist regelmäßig nach Russland, gibt dort Interviews im russischen Staatsfernsehen, berichtet Riedel. Erst kürzlich kündigte er an, im Frühjahr dorthin zu reisen. "Ich glaube, es ist wichtig, dass auch dahin die Gesprächskanäle offengehalten werden", sagte er.
Juristische Ermittlungen laufen
Laut Journalistin Riedel sind solche Reisen nicht zu unterschätzen: "AfD-Politiker werden im russischen Staatsfernsehen wie politisch Promis behandelt. Und die russische Seite kann sagen: Nicht jeder in Deutschland ist uns gegenüber kritisch."
"Moskau verbündet sich überall mit Bewegungen, die für Unfrieden innerhalb eines Landes sorgen und den Zusammenhalt schwächen."
Zudem steht der Verdacht im Raum, dass jene Nähe und Aufmerksamkeit gekauft sein könnten. Aktuell beschäftigen mehrere Ermittlungsverfahren die europäischen Sicherheitsbehörden – darunter auch der Fall des prorussischen Nachrichtenportals Voice of Europe, führt Riedel aus. "Ermittler vermuten, dass es sich dabei um eine russische Einflussoperation gehandelt haben könnte."
"Die große Frage ist: Inwiefern machen sich Politiker womöglich zu käuflichen Werkzeugen Putins und tragen dazu bei, dem eigenen Staat und damit unsrer Demokratie zu schaden?"
Gegen den AfD-Abgeordneten Petr Bystron laufen Ermittlungen wegen des Verdachts, er habe über dieses Portal Geld angenommen. Auch gegen Maximilian Krah aus Dresden wird ermittelt, nachdem er dem Portal Interviews gegeben hatte. Beide weisen die Vorwürfe zurück. "Natürlich gilt in beiden Fällen die Unschuldsvermutung", betont die Investigativjournalistin.
Journalistin Riedel: Es geht um unsere Demokratie
Gleichzeitig beobachtet sie, dass die Sicherheitsbehörden seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine von 2022 sensibler reagieren. "Es gibt jetzt ein entschlosseneres Vorgehen", sagt sie. "Die Frage ist einfach, ob das Nachrichtenportal nur ein Portal ist oder so etwas wie eine Tarnorganisation, um Geld an europäische Politiker zu verteilen."
Ob es sich bei den Thüringer Anfragen wirklich um einen Versuch handelt, geheime Informationen auszuspähen, muss noch untersucht werden. Für Riedel geht es bei solchen Vorwürfen und Verdachtsäußerungen aber nicht um einzelne AfD-Politiker. Für sie geht es um übergeordnete Fragen: "Wer nimmt womöglich von außen Einfluss? Und wer möchte unsere Demokratie gefährden?"
Deswegen, sagt sie, lohnt es sich, die kleinen Anfragen der AfD im Thüringer Landtag systematisch anzuschauen.
Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an unboxingnews@deutschlandradio.de
