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"Kaufrausch" nennt es Antonia, wenn sie die Online-Plattformen durchkämmt und ihre Warenkörbe füllt. Warum geben wir uns solchen Spontankäufen hin und was sagt das über uns aus? Eine Psychotherapeutin hilft uns, das besser zu verstehen.

Meistens findet Antonia immer einen Aufhänger, warum sie wieder auf Shoppingtour geht. Sie ist Mitte 20, arbeitet im Marketing und kann sich ihren "Kaufrausch" leisten. Für sie ist es ein positives Erlebnis, auf Online-Portalen Dinge auszusuchen, zu bestellen, auf das Paket zu warten und es dann endlich auszupacken.

"Das ist für mich so die Endorphinstrecke, wenn man das so nennen kann."
Antonia gibt sich ihrem "Kaufrausch" hin

Bei Antonia hat dieser "Kaufrausch" viel mit sich belohnen oder sich etwas gönnen zu tun. Und manchmal braucht sie dafür auch gar keinen Aufhänger, dann fällt es in die Kategorie "einfach bummeln". Wenn sie online nicht fündig wird, geht sie in der Stadt shoppen.

Je nach Gefühlslage dem Kaufrausch hingeben

Sie nimmt wahr, dass dieser "Kaufrausch" viel damit zu tun hat, ob es ihr gerade richtig gut oder richtig schlecht geht. Wenn sie in einem Tief hängt, dann "balanciert" sie das mit dem Shoppen aus. Wenn sie in einem Hoch ist, dann verstärkt das Shoppen die Glücksgefühle.

"Ich denke mir dann, boah, mir geht's so gut, ich habe so gute Laune, das Leben ist toll, alles läuft, ich belohne mich jetzt dafür, dass es mir gut geht."
Antonia liebt Shoppen

Mit diesem impulsiven Kaufverhalten ist Antonia nicht allein und neu ist das auch nicht. Es gibt einfach mehr Möglichkeiten, mit denen wir zu solchen Spontanverkäufen verführt werden, sagt Hanna Schramm-Klein, Professorin für Marketing an der Uni Siegen.

"Diese Impulsprodukte gibt es eigentlich schon lange, die sind ja konkret darauf angelegt, Spontankäufe anzutriggern."
Hanna Schramm-Klein, Professorin für Marketing an der Uni Siegen

Früher musste man für seine Spontankäufe noch das Haus verlassen, heute shoppen wir bequem vom Sofa aus. Außerdem gibt es in Social Media den In-App-Checkout, sodass wir mit einem Klick im Shop sind, die Zahlungsmethode ist vielleicht gespeichert und mit einem One-Klick ist das Ding gekauft. Es bleibt viel weniger Zeit, um noch einmal über den Kauf nachzudenken.

Hanna Schramm-Klein erklärt, dass Menschen ihr Budget für bestimmte Dinge planen, sich aber auch einen kleinen Rest zurückbehalten für Spontankäufe. Konsum habe auch etwas mit Spaß zu tun, meint die Marketingprofessorin.

Kaufen nur zum Spaß?

Für manche Menschen hat dieser Spaß aber schon in die Verschuldungsfalle geführt. Abgesehen davon, dass unser Konsumverhalten aktuell die Klimakrise weiter anheizt.

Auch Antonia schaut ein wenig kritisch auf ihr Konsumverhalten, das sie in ihrem Elternhaus gelernt hat. Gerade in der Zeit, in der sie noch studiert hatte, musste sie mit ihrem Geld haushalten. Während der Corona-Pandemie hat sie fast nur noch Online-Shopping gemacht und dabei tatsächlich ihr Budget überreizt, worüber sie sich dann auch geärgert hat.

Problematisches Kaufverhalten abgewöhnen

Aber wenn dieser "Kaufrausch" tatsächlich zum Problem wird, wie kommen wir da wieder heraus? "Ich muss bereit sein, mich selber wirklich ehrlich zu reflektieren, mich selber auch vielleicht zu konfrontieren", sagt Christina Rüttgens. Sie ist psychologische Psychotherapeutin.

Mit den Spontankäufen wollen wir negative Gefühle regulieren, erklärt Christian Rüttgens, weil wir nicht gelernt haben, diese Emotionen richtig zuzulassen. "Dann wollen wir schnell was machen, um uns besser zu fühlen", beschreibt sie den Grund. Für manche sei das dann zum Beispiel Shopping. Schon allein, wenn man den Laden betrete, könne Dopamin ausgeschüttet werden, ein Botenstoff im Gehirn, auch Glückshormon genannt. Und schon ginge es uns besser.

Dieses Verhalten lässt sich ändern, kostet aber Disziplin, Zeit, Mühe und Energie, sagt die psychologische Psychotherapeutin. Jedes Mal, wenn die Situation wieder eintritt und wir dieses negative Gefühl haben, müssen wir anders reagieren, als wir das bisher gemacht haben. "Ich habe einen schlechten Tag und statt jetzt irgendwas zu kaufen, versuche ich eine andere Strategie anzuwenden", sagt sie. Wir müssten bewusst ein anderes Verhalten lernen und dieses immer wieder wiederholen, erklärt Christina Rüttgens.

"Radikale Ehrlichkeit mit sich und auch eine realistische Erwartungshaltung."
Christina Rüttgens, Psychologische Psychotherapeutin

Dabei sollten wir realistisch mit uns selbst sein und wissen, dass so eine Verhaltensänderung nicht von heute auf morgen gehe. Es kann auch passieren, dass die neue Strategie vielleicht erst nicht den Effekt auf unsere negativen Gefühle hat wie das Shoppen. Gleichzeitig locken die Konsumversprechen. Es ist schon schwer, das durchzuhalten.

Christina Rüttgens rät, sich ehrlich selbst zu beobachten und stichpunktartig das eigene Kaufverhalten zu protokollieren:

  • Wann kaufe ich?
  • Wann gebe ich mehr Geld aus, als ich wollte?
  • Was hat mich zum Kauf animiert?
  • Wie habe ich mich an dem Tag gefühlt?
  • Was ist an dem Tag passiert?

Mit diesen Notizen könnten wir ein Muster erkennen, wann wir zum "Kaufrausch" neigen. Also beispielsweise immer, wenn es Stress bei der Arbeit oder einen Konflikt gab, haben wir in einer bestimmten Weise reagiert. "Und dann geht es ja auch darum, diesen Impuls, diesen ersten Impuls zu hemmen, dem nicht sofort nachzugeben", rät Christina Rüttgens.

Notfallliste gegen den Kaufrausch

In diesem Moment innezuhalten und sich zu fragen, warum will ich das Ding jetzt kaufen, wie fühle ich mich gerade, will ich damit eigentlich ein anderes Gefühl verdrängen, kann helfen, das Verhalten zu ändern. Eine Liste mit Ideen, was wir statt des "Kaufrauschs" tun könnten, um die Emotionen zu regulieren, kann hilfreich sein, um sie in dem kritischen Moment hervorzuholen, schlägt Christina Rüttgens vor.

Um aus der Kaufroutine herauskommen, könnte auch eine Pause von Social Media helfen. Die Werbung, mit der wir dort geflutet werden, beeinflusst uns stark. Auch eine Liste mit den Dingen, die wir wirklich brauchen und kaufen wollen, kann beim Shoppen helfen. Und für diesen Einkauf dann vielleicht nur noch gezielt bestimmte Läden aufsuchen.

Die Menschen, deren "Kaufrausch" schon bedenkliche Züge angenommen hat und bereits als Suchtverhalten bezeichnet werden kann, sollten sich direkt an eine Beratungsstelle wenden.

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Shownotes
Ich brauch das jetzt!
Was sagen Spontankäufe über uns aus?
vom 28. November 2025
Gesprächspartnerin: 
Antonia, ist eine emotionale Impulskäuferin
Gesprächspartnerin: 
Prof. Dr. Hanna Schramm-Klein, Professorin für Marketing und Handel an der Uni Siegen
Gesprächspartnerin: 
Christina Rüttgens, Psychologische Psychotherapeutin
Autorin und Host: 
Shalin Rogall
Redaktion: 
Lena Mempel, Jana Niehof, Ivy Nortey, Friederike Seeger
Produktion: 
Susanne Beyer