Sich mittels Sprache austauschen: Das war für Jahrtausende Menschen vorbehalten. Doch diese Zeit geht vorbei, denn inzwischen sprechen auch Maschinen. Was das für unsere Sprache bedeutet, erklärt Sprachforscher Henning Lobin in seinem Vortrag.

Seit wenigen Jahren scheinen wir das Monopol auf unsere Sprache verloren zu haben. Nicht nur Alexa und Siri hören zu, verstehen und antworten, Messenger-Dienste funktionieren auf schriftlicher Ebene genauso. Tippen wir eine Nachricht ein, schlagen sie von uns vielgenutzte Wörter vor und übernehmen für uns die Kommasetzung.

Haben wir in unserer Nachricht etwa zuvor viele Fragen gestellt, schlägt der Messenger-Dienst beim nächsten ungeschriebenen Satz eingeständig ein passendes Fragewort vor. Dann geht es darum: Übernehmen wir die Vorschläge der Software einfachheitshalber oder entscheiden wir uns dagegen?

Sprachwandel durch Computer

Whatsapp hat eine "Computer-Linguistik" eingebaut, die die Sprachen im weiteren Gebrauch beeinflusst. Inzwischen beherrschen die Maschinen unsere Sprache mit enormer Durchschlagskraft. Sie hinterlassen Einflüsse, durch die sich sowohl unsere Schrift- als auch Sprechsprache deutlich wandeln.

"Benutzen Maschinen das gleiche Deutsch wie wir? Oder wird ein Impuls eingebracht, der die Sprachentwicklung in eine andere Richtung drängt?"
Henning Lobin, Sprachforscher

Die Einflüsse der Maschinen auf die menschliche Sprache werden weiter zunehmen, erklärt der Sprachforscher Henning Lobin. Ein Beispiel ist die Nachrichtensuchmaschine Google News. Nicht Menschen generieren hier die Inhalte, sondern Maschinen: Softwareprogramme formulieren die Sätze der Meldungen.

Maschine über Mensch

Schon jetzt scheinen solche Programme annähernd so perfekt in der Sprachentwicklung zu sein wie wir Menschen. Und sie sind schneller. Babys brauchen viel länger für den Spracherwerb.

Henning Lobin hat eine Reihe Funktionen inne, die sich mit der deutschen Sprache beschäftigen. Neben seinem Sitz im "Rat für deutsche Rechtschreibung" ist er Direktor am "Leibniz-Institut für Deutsche Sprache" und germanistischer Linguistiker am Seminar für deutsche Philologie der Universität Mannheim. Sein Vortrag "Digital und vernetzt: Die Zukunft der deutschen Sprache" basiert auf seinem Buch "Digital und vernetzt: Das neue Bild der Sprache". Veranstalter der Vortragsreihe "Mensch-Gesellschaft" war die Polytechnische Gesellschaft in Frankfurt am Main. Sein Vortrag wurde am 1. Dezember 2020 aufgezeichnet.

Shownotes
Sprachmonopol verloren
Wenn Computer sprechen wie wir
vom 16. Januar 2021
Moderator: 
Hans-Jürgen Bartsch
Vortragender: 
Henning Lobin, Direktor des Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim