• Deutschlandfunk App
  • ARD Audiothek
  • Spotify
  • Apple Podcasts
  • Abonnieren

Mehr Wirbelstürme, Starkregen und Waldbrände: Klimaforschende warnen vor einem Worst-Case-Szenario. Die Erde könnte sich bis 2050 um drei Grad erwärmen. Die Folgen: immer mehr Extremwetter und Massenflucht. Aber kommt die Warnung überhaupt noch an?

In 25 Jahren könnte die Temperatur im Schnitt um drei Grad angestiegen sein. Diese Zahl ist auf dem Extremwetterkongress in Hamburg gefallen. Forschende der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft und der Deutschen Physikalischen Gesellschaft zeigen in einem Papier: Die Erde könnte sich schneller aufheizen als bislang angenommen. Doch die Warnung stößt nicht auf breite Debatten – viele Menschen scheinen erschöpft.

Klimakrise trifft auf Klima-Müdigkeit

Der renommierte Klimaforscher Stefan Rahmstorf macht klar, wie dramatisch das Szenario wäre.

"Große Teile der Landflächen der Erde würden einfach zu heiß, um dort zu leben. Das heißt, es würde große Flüchtlingsbewegungen geben."
Stefan Rahmstorf, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Er geht davon aus, dass eine ungebremste Erwärmung nicht nur die Umwelt, sondern auch Gesellschaften und politische Systeme unter Druck setzen würde, bis hin zu großen Fluchtbewegungen.

Psychologin Katharina van Bronswijk sieht den Grund für die abnehmende Aufmerksamkeit darin, dass viele Menschen schlicht überfordert seien.

"Es ist ein globales, sehr komplexes Problem, das sich über eine lange Zeit entwickelt. Das macht es schwer, einen Ansatzpunkt zu finden."
Katharina van Bronswijk, Psychologists and Psychotherapists for Future

Sie erklärt, dass dies häufig zur Verantwortungsverschiebung führe: Bürgerinnen und Bürger erwarteten Lösungen von der Politik, die Politik wiederum verweise auf fehlenden Rückhalt in der Bevölkerung. So bleibe vieles blockiert.

Zwischen Angst, Wut und Resignation

Studien zeigen, dass Menschen auf Bedrohungsszenarien zunächst mit Angst reagieren. Das ist evolutionär bedingt normal. Wir seien so eingerichtet, dass wir auf Gefahren mit Angst reagieren, erklärt Katharina van Bronswijk.

"Das ist wie eine Warnleuchte, die innerlich angeht und uns eigentlich motivieren soll. Aber zu starke Angst kann lähmen."
Katharina van Bronswijk, Psychologists and Psychotherapists for Future

Van Bronswijk betont, dass es entscheidend sei, eine Balance zu finden – zwischen motivierender Sorge und lähmender Panik. Dazu brauche es konkrete Handlungsmöglichkeiten. Resignation drohe sonst, wie sie es aus ihrer Praxis kennt: Wer zu oft scheitere, probiere es irgendwann gar nicht mehr. Kleine Erfolgserlebnisse seien deshalb zentral, um aktiv zu bleiben.

Auch Wut könne eine produktive Rolle spielen. Wenn einflussreiche Politiker wie Donald Trump Klimaschutz als Mogelpackung und Schwindel, als "con job" abtun, könne das sogar anspornen.

"Im besten Fall macht es uns ärgerlich. Wut oder Empörung kann sehr motivierend sein – gerade für politisches Handeln."
Katharina van Bronswijk, Psychologists and Psychotherapists for Future

Was die Politik liefert – und was nicht

Katharina Thoms aus dem Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio hat die Klimabilanz der neuen Bundesregierung unter die Lupe genommen.

"Die Regierung bekennt sich zu den Zielen der EU und will bis 2045 klimaneutral sein. Es gibt Milliarden aus dem Sondervermögen für Klimaschutz."
Katharina Thoms, Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio

Damit verweist sie auf die ehrgeizigen Versprechen im Koalitionsvertrag. Klimaneutralität bis 2045, Investitionen in Infrastruktur und erneuerbare Energien – auf dem Papier klingt vieles nach Aufbruch.

Doch die Korrespondentin betont, dass die praktische Umsetzung bisher ganz anders aussehe.

"Im Moment werden viele Weichen gestellt, aber im Vordergrund steht Entlastung für die Wirtschaft. Die Strompreise sind zu hoch, also wird dort gegengesteuert."
Katharina Thoms, Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio

Sie weist darauf hin, dass die Regierung neben dem Ausbau der Erneuerbaren auch fossile Energien nicht links liegen lässt.

"Vor Borkum kann nach Erdgas gebohrt werden. Und beim Verbrenner-Aus ab 2035 gibt es Debatten, ob man es verschiebt, weil es der Autoindustrie schlecht geht."
Katharina Thoms, Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio

Gerade beim Thema Stromerzeugung zeigt sich für sie eine neue Richtung: "Es wird stark auf neue Gaskraftwerke gesetzt. Eigentlich sollte sie nur Puffer sein, wenn Sonne und Wind nicht reichen – jetzt ist es ein zentraler Baustein geworden."

Im Gespräch macht Thoms deutlich, dass diese Entscheidungen die Energiewende abbremsen könnten. Zwar gebe es Fortschritte bei Photovoltaik und Windkraft an Land, doch beim Ausbau der Netze und bei Offshore-Wind sei das Bild durchwachsen.

Auffällig sei zudem, dass Forderungen der Regierung wortwörtlich aus Papieren großer Energiekonzerne wie RWE und Eon stammen.

Thoms: Umweltministerium hält sich bislang auffallend bedeckt

Bundeskanzler Merz und Wirtschaftsministerin Reiche, beide CDU, könnten mit ihrer eher wirtschaftsfreundlichen Linie nicht allein die Richtung vorgeben. Entscheidend sei, dass Umweltminister Carsten Schneider von der SPD ein neues Klimaschutzprogramm vorlegen müsse – eine Pflichtaufgabe jeder neuen Regierung. Darin müsse jedes Ressort darlegen, wie es in den kommenden vier Jahren die Klimaziele erreichen wolle.

Bislang sei aus dem Umweltministerium jedoch nichts zu hören, es halte sich auffallend bedeckt. Besonders im Bereich Gebäude und Verkehr sehe es schlecht aus, hier drohten deutliche Zielverfehlungen, so Katharina Thoms.

Orientierung statt Ohnmacht

Wie können Menschen im Alltag mit der wachsenden Klimakrise umgehen? Psychologin Katharina van Bronswijk plädiert für eine sinnorientierte Strategie.

"Was besonders hilft, ist, sich seiner Werte bewusst zu werden und zu fragen: Was ist mir wirklich wichtig? Und wie kann ich mich dafür einsetzen?"
Katharina van Bronswijk, Psychologists and Psychotherapists for Future

Wer sich an eigenen Werten orientiere, finde leichter Wege, ins Handeln zu kommen – sei es durch Engagement für soziale Gerechtigkeit, Gesundheit oder Umweltschutz. Auf diese Weise könne individuelle Handlungsfähigkeit trotz überwältigender Nachrichten erhalten bleiben.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an unboxingnews@deutschlandradio.de

Shownotes
Szenario bis 2050
Klimakrise: Drei Grad mehr – und keinen juckt es?
vom 25. September 2025
Host: 
Ilka Knigge
Gesprächspartnerin: 
Katharina Thoms, Hauptstadtstudio Berlin
Gesprächspartnerin: 
Katharina van Bronswijk, Sprecherin der Psychologists and Psychotherapists for Future