Bauchschmerzen auf dem Weg zur Arbeit – Michelle ist vom Job überfordert. Etwas zu ändern, erlaubt ihr der Arbeitgeber nicht. Kündigen ist ein Risiko. Aber es öffnet ihr den Weg für Neues. Wie wir den Mut aufbringen können, weiß eine Psychologin.
Morgens ein Unwohlsein, mit einem schlechten Gefühl in den Feierabend gehen, zuhause oft dasitzen und weinen. Michelle hat Soziale Arbeit studiert und dann auch in diesem Bereich gearbeitet. Die Umstände des Jobs haben es ihr schwer gemacht: Sie fühlte sich überfordert, durfte an den Abläufen aber auch nichts verändern.
Für Michelle wirkte sich der Frust beim Job auch auf andere Lebensbereiche aus. Sie verlor den Antrieb und die Lebenslust. Mal schnell zum Supermarkt gehen und noch eine Kleinigkeit holen, dazu konnte sie sich oft nicht aufraffen. Sich abends mit Freunden verabreden: Auch das schaffte sie nicht mehr.
"Man will nicht hin: Man geht mit Bauchschmerzen hin und geht mit Bauchschmerzen nach Hause."
Die Schwierigkeiten auf der Arbeit überschatteten alles. Michelle verharrte rund ein Jahr lang in dieser Situation. Den Gedanken zu kündigen, fand sie schwierig, weil er viel Unsicherheit mit sich brachte.
Irgendwann entschloss sie sich aber doch zu diesem Schritt. Sie machte sich in der Seniorenbetreuung selbstständig. Das verlässliche monatliche Gehalt war damit Geschichte. Michelle sorgte sich anfangs, ob sie genug Klienten findet, um sich finanzieren zu können. Sie hatte keine Planungssicherheit, wusste nicht, wie es weitergehen und ob ihr Plan aufgehen würde.
Kündigung und Selbstständigkeit: Der Neuanfang verändert alles
Schon am ersten Tag nach der Kündigung fühlte Michelle dann die große Erleichterung. Das permanente Unwohlsein war weg, keine Bauchschmerzen am Morgen. Als ihr Freund sagte, dass eine Zutat fürs Abendessen fehle, bot Michelle von sich aus an, schnell zum Supermarkt zu gehen. Als sie noch im alten Job steckte, wäre das nicht vorstellbar für sie gewesen.
"Am Ende hat man kein festes Gehalt mehr, man lebt in den Tag rein und hofft, dass es anläuft."
Es lief dann auch viel besser an als gedacht: Michelle fand schnell genug Klient*innen. Sie kann sich ihre Tage nun so planen, wie es für sie am besten passt. Aber am aller wichtigsten: Sie bekommt täglich Wertschätzung und Dankbarkeit zu spüren. Das erfüllt sie mit Glück. Auch wenn die Selbstständigkeit eigene Probleme und Herausforderungen mit sich bringt, ist sie sehr zufrieden und glücklich, dass sie diesen Schritt gegangen ist.
Haben wir ein lösungsorientiertes Mindset?
Nora-Corina Jacob ist promovierte Psychologin und Coachin. Sie arbeitet mit den Methoden der Positiven Psychologie. Viele von uns verharren in einer Situation, die unangenehm und nicht zufriedenstellend ist, sagt sie. Es ist menschlich, weil wir generell gerne Situationen vermeiden, die wir nicht gut abschätzen können. Es fühlt sich nicht gut an, ein Risiko einzugehen, wenn wir nicht wissen, zu welchem Ergebnis uns das führt.
"Schauen wir nach vorne und versuchen diese Unzufriedenheit in irgendeiner Form zu lösen?"
Im ersten Schritt empfiehlt Nora-Corina Jakob herauszufinden, weshalb wir unzufrieden sind. Ist unser Mindset lösungsorientiert? Oder finden wir es gerade bequem, uns zu beschweren, ohne dass wir die Absicht haben, etwas zu verändern, fragt sie.
Warum es manchmal dauert, bis wir einen Cut machen
Wer den nett gemeinten Rat bekommt, einfach mal zu machen, für die- oder denjenigen ist es meist nicht einfach, dieser Empfehlung zu folgen. Denn "einfach mal machen", ist nicht immer so einfach, sagt die Coachin. Je nachdem, wie wir aufgewachsen sind, welche Glaubenssätze wir haben und wie unsere Persönlichkeit ist, wollen wir keine Fehler machen, nicht scheitern und Ungewissheit möglichst vermeiden.
Unser aktueller Job, in dem wir unzufrieden sind, bietet die Sicherheit, dass wir die Parameter, also die Umstände, kennen, sagt die Psychologin. Oft muss unser Leidensdruck erst so hoch werden, dass die Angst vor einer Veränderung nicht mehr so schlimm erscheint. Dann trauen wir uns eher, einen Schritt in eine neue Richtung zu gehen.
Auf das Positive fokussieren
Schwierig ist auch, sagt Nora-Corina Jacob, dass dieser "Weg" sich uns erst offenbart, wenn wir ihn gehen. Oft stellen wir uns vor, was alles schiefgehen könnte. Dabei sorgen unsere Ängste dafür, dass wir uns die Konsequenzen fantasievoll ausmalen. Oft läuft in der Realität gar nicht so viel falsch, wie wir uns das in Gedanken vorstellen.
Und wenn wir mal etwas wagen und merken, dass das nicht der Richtige Weg ist, dann muss man das nicht unbedingt als Scheitern definieren, sagt die Coachin. Das kann auch als ein Lernprozess gesehen werden: Wir probieren Dinge aus, sehen was funktioniert und kommen unserem Ziel dadurch näher.
Die eigenen Stärken erkennen und einsetzen
Oft liegt es auch an der eigenen Persönlichkeit, ob wir Unsicherheiten gut aushalten können und dann beispielsweise auch einen Schritt – wie eine Kündigung – wagen. Wenn sich eine Situation nicht ändern lässt, kann Akzeptanz helfen, empfiehlt die Psychologin. Wir arrangieren uns damit, dass wir uns im Job vielleicht nicht selbst verwirklichen können. In so einem Fall besteht die Möglichkeit, den Fokus darauf zu richten, wie wir unser Stärken in unserer Freizeit einsetzen und unsere Interessen dort verwirklichen können.
Die eigenen Stärken zu kennen und zu schauen, wie wir sie nutzen und einsetzen können, kann zum Wohlbefinden und zur Zufriedenheit beitragen, sagt die Coachin. Um sich selbst in dieser Hinsicht besser kennenzulernen, empfiehlt sie bestimmte Persönlichkeitstests, die wir euch verlinkt haben.
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