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Trump liefert Patriot-Raketen für die Ukraine, die andere Nato-Länder bezahlen sollen. Gleichzeitig eskalieren Putins Angriffe auf Kiew. Denis lebt mittendrin und erzählt, was die Hilfe wirklich bedeutet. Ist Trumps Wende echt – oder nur Taktik?

Denis Trubetskoy lebt in Kiew. Der Journalist arbeitet als freier politischer Korrespondent für deutschsprachige Medien und berichtet regelmäßig über den Krieg. Derzeit sind es vor allem die nächtlichen Drohnenangriffe, die das Leben in der Hauptstadt prägen.

"So richtig schlafen geht eigentlich im Moment nicht."
Denis Trubetskoy, ukrainischer Journalist

In seiner Wohnung legt er sich nachts nicht ins Schlafzimmer, sondern auf den Boden des Wohnungsflurs – möglichst weit entfernt von Fenstern, um sich vor möglichen Splittern zu schützen. In Kiew ist das Alltag geworden.

Krieg, die (nicht mehr) neue Normalität

Das Geräusch der Drohnen, die stundenlang über der Stadt kreisen, beschreibt Trubetskoy als psychisch belastender als die eigentlichen Explosionen. Viele Menschen in seiner Umgebung seien erschöpft, übermüdet und zunehmend gereizt.

"Das Geräusch der Drohnen hört man drei, vier Stunden in Folge. Und das macht eigentlich mehr Angst als das Geräusch der Explosion an sich."
Denis Trubetskoy, ukrainischer Journalist

Die Sorge um Familie und Freundeskreis sei allgegenwärtig. Selbst der Weg in den nächstgelegenen Luftschutzkeller – etwa 300 bis 400 Meter – erscheint ihm oft riskanter als in der Wohnung zu bleiben.

"Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Rakete genau mein Wohnhaus trifft, ist gering."
Denis Trubetskoy, ukrainischer Journalist

Aber zerberstende Fensterscheiben durch Druckwellen seien real – und gefährlich.

Patriot-Systeme haben Grenzen

Die Entscheidung Trumps, erneut Patriot-Systeme bereitzustellen, ist in der Ukraine grundsätzlich begrüßt worden – auch wenn sie unter der Bedingung erfolgt, dass europäische Länder die Kosten übernehmen. Deutschland hat angekündigt, zwei Systeme zu finanzieren, ein weiteres wird von Norwegen gestellt. Andere Staaten wie Dänemark, Großbritannien oder Kanada könnten folgen.

Patriot-Systeme sind mobile Luftabwehrplattformen, deren Radar feindliche Flugobjekte wie Raketen erfassen und abfangen kann – innerhalb einer Reichweite von rund 68 Kilometern. Die Ukraine besitzt bereits einige dieser Systeme, unter anderem aus deutscher Lieferung.

Sabine Adler, Journalistin im Deutschlandfunk-Team für Osteuropa, weist jedoch auf die begrenzte Wirksamkeit hin.

"Gegen Drohnen helfen Patriot-Systeme kaum – nicht nur wegen ihrer technischen Ausrichtung, sondern auch aufgrund der hohen Kosten."
Sabine Adler, Deutschlandfunk Osteuropa-Expertin

Drohnen, so Adler, würden in großer Zahl und zunehmend autonom eingesetzt. Sie seien deutlich günstiger als Raketen – und schwerer abzufangen. Dabei würden die Patriot-Systeme wenig nützen.

Zwar arbeite die Ukraine an eigenen Abwehrtechnologien, darunter Störsender und sogenannte Abfangdrohnen. Doch auch Russland entwickle seine Drohnentechnik kontinuierlich weiter. Der Konflikt sei längst ein Rüstungswettlauf im Schnellformat, mit Innovationszyklen von teils nur 30 Tagen.

Trumps Kehrtwende: Kalkül mit politischem Risiko

Dass Trump nach langem Zögern nun doch bis zu 17 Patriot-Luftabwehrsysteme liefern will, verbindet er gleich mit einer Forderung: Innerhalb von 50 Tagen soll es einen Friedensdeal geben.

Doch Sabine Adler warnt vor überzogenen Erwartungen an Washington. Trumps außenpolitischer Kurs sei schwer vorhersehbar, ein dauerhafter Rückhalt für die Ukraine damit nicht garantiert.

In Russland werde das 50-Tage-Ultimatum zudem nicht als Druck, sondern als Einladung zur taktischen Verzögerung gelesen. Die offizielle Linie: Russland verhandle nicht unter Druck. Und die Verhängung von 100 Prozent Strafzöllen für Russland sei – angesichts von republikanischen Forderungen im Senat von bis zu 500 Prozent – geradezu mild.

"Die Hoffnung, dass von Trump eine klare Linie in der Ukraine-Politik zu erwarten ist, hat sich längst erledigt."
Denis Trubetskoy, ukrainischer Journalist

Für Denis Trubetskoy ist das Signal zwiespältig. Die militärische Unterstützung sei nötig – daran bestehe kein Zweifel. Aber die monatelange Verzögerung habe viele Menschenleben gekostet, so seine Einschätzung.

Unterstützung, aber kein Wendepunkt

Die angekündigten Lieferungen von Patriot-Systemen sind für die Ukraine ein wichtiges Signal. Sie stärken die Verteidigungsfähigkeit gegen ballistische Angriffe – insbesondere auf größere Städte wie Kiew. Doch sie sind kein Allheilmittel.

Denis Trubetskoy bleibt realistisch. Er rechnet mit einer Fortsetzung der nächtlichen Angriffe – und mit zunehmender Unsicherheit: Russland habe seine Drohnen- und Raketenproduktion deutlich erhöht. Die Lage, so Trubetskoy, sei heute angespannter als noch vor einigen Monaten.

"Ich mache mir keine Illusionen darüber, dass es bald ruhiger wird."
Denis Trubetskoy, ukrainischer Journalist

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an unboxingnews@deutschlandradio.de

Shownotes
Waffen für die Ukraine
Russlandpolitik: Was steckt hinter Trumps Wende?
vom 15. Juli 2025
Moderatorin: 
Ilka Knigge
Gesprächspartnerin: 
Sabine Adler, Osteuropa-Expertin
Gesprächspartner: 
Denis Trubetskoy, ukrainischer Journalist