Noch 64 Tage bis Weihnachten! (Stand: 20.10.25) Noch geht es mit den Temperaturen – doch in den Sozialen Medien wird bereits jetzt vor Schneemassen und Eiseskälte gewarnt. Allerdings ohne wissenschaftliche Grundlage.
Um es gleich vorwegzunehmen: Mit seriöser Wissenschaft haben Formulierungen wie "Jahrhundertwinter" nicht viel zu tun, sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporter Martin Krinner. Es handelt sich eher um stumpfes Clickbaiting.
"Eine Jahreszeitenprognose abzugeben, ist sowieso alles andere als einfach. Und vor allem: Das wissen wir ja immer erst am Schluss, wenn der Winter vorbei ist, wie kalt er denn wirklich war."
Meteorologe Dennis Oswald von Wetteronline hält von solchen Prognosen ohnehin wenig. Denn wie hart oder kalt ein Winter ist, könne man erst diagnostizieren, wenn er vorbei ist. Eine seriöse Prognose ist also schlichtweg nicht möglich. Schließlich geht es ums Wetter und nicht ums Klima. Und die Großwetterlage lässt sich halbwegs zuverlässig nur etwa zehn Tage vorhersagen, erklärt Dennis Oswald.
"Jahrhundertwinter" 1962/63 und 1978/79
Ab wann könnten wir denn tatsächlich von einem Jahrhundertwinter sprechen? Zwei Winter werden hier immer wieder genannt:
- 1962/63 lag das Temperaturmittel in Deutschland bei minus 5,5 Grad. Der Rekord lag damals in Waldmünchen in der Oberpfalz bei minus 27,5 Grad. Der Bodensee fror in diesem Jahr zum letzten Mal vollständig zu.
- 1978/79 gab es – vor allem in Norddeutschland – zwischen Weihnachten und Neujahr ein absolutes Schneechaos. Der Schnee blieb in einer geschlossenen Decke bis Anfang März liegen – also über zwei Monate lang.
Wenn es im Netz heißt, Polarwirbel oder La Niña könnten 2025 für einen außergewöhnlich kalten und langen Winter sorgen, dann ist das zwar nicht grundfalsch – die Betonung liegt aber eben auf dem Wörtchen "könnte". Es könnte also auch ganz anders kommen.
Polarwirbel und La Niña
Das Wetterphänomen La Niña ist, wenn man so will, die Schwester von El Niño – und das genaue Gegenteil. La Niña heißt, dass sich die Meeresoberfläche im zentralen und östlichen Pazifik entlang des Äquators abkühlt. Das hat Auswirkungen darauf, wie sich die Luftmassen bewegen. Für das Wetter in Europa spielt das allerdings keine so große Rolle, erklärt Dennis Oswald.
"Für unseren Winter ist es [La Niña] so gering, dass das jetzt keine Rolle spielt, ob wir jetzt über einen strengen Winter oder einen milden Winter reden müssten. Vielmehr spielt das eine Rolle in Südamerika oder im östlichen Ozeanien."
Beim Polarwirbel handelt es sich um ein großes Tiefdruckgebiet über dem Nordpol in rund 30 Kilometern Höhe, erklärt Meteorologe Dennis Oswald. "Also gar nicht direkt in der Troposphäre, wo das Wetter eigentlich stattfindet. Und dieses Tiefdruckgebiet hält quasi die kalte Polarluft fest."
Alle zwei bis drei Jahre kann es vorkommen, dass die Temperatur hoch über dem Pol deutlich ansteigt – das hat übrigens mit Klimawandel zunächst mal nichts zu tun, sondern ist ein natürlicher Prozess. Dadurch wird der Polarwirbel schwächer und dadurch kann es dann vorkommen, dass die kalte Polarluft dem Wirbel entkommt und sich nach Süden bewegt und bei uns ankommt.
Kalte Luft aus Osteuropa statt milder Atlantikluft
Oder aber, dass sich insgesamt die Luftzirkulation in der Nordhalbkugel verändert. Und dann kommt bei uns nicht die milde Atlantikluft an – wie üblich – sondern kalte Luft aus Osteuropa. "Aber selbst dann, wenn das alles stattfindet, heißt das noch lange nicht, dass wir einen Jahrhundertwinter bekommen", rückt Dennis Oswald das zurecht.
Fazit: Wie der Winter als Ganzes wird – wir wissen es nicht! Der "Jahrhundertwinter" ist also kein Problem für die Meteorologie, sondern eher für die Medienwissenschaften.
