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Die AfD will die CDU jagen und Wähler abwerben – so steht es in einem Strategiepapier. Warum sieht die Partei um Alice Weidel in der CDU den größten Gegner? Und wie erlebt das ein CDU-Politiker im Thüringer Landtag, wo die AfD die stärkste Kraft ist?

Aktuell ist die AfD nach CDU/CSU die zweitstärkste Partei im Bundestag – mit knapp 21 Prozent der abgegebenen Stimmen. Das ist das vorläufige amtliche Endergebnis (Stand 01.03.2025). Ihr erklärtes Ziel ist stärker zu werden und CDU/CSU auf der rechten Seite des politischen Spektrums abzulösen.

"Die AfD hat im Moment wahnsinnig Oberwasser. Sie trägt ein irrwitziges Selbstbewusstsein vor sich her", sagt Nadine Lindner. Sie arbeitet als Korrespondentin im Hauptstadtstudio des Deutschlandfunks und berichtet seit 2018 über die AfD. Auf Länderebene hat die AfD das Ziel mancherorts bereits erreicht – in Thüringen zum Beispiel.

"Man sieht ein Playbook, was die AfD jetzt ausrollt, mit verschiedenen Werkzeugen."
Nadine Lindner, Korrespondentin im Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio

Schon vor der Wahl habe die AfD offen verkündet, es vor allem auf die CDU abgesehen zu haben, sagt Nadine Lindner. Dieser Partei glaube die AfD am ehesten Wähler abringen zu können und hier sehe die AfD auch die größten Schnittmengen – jedenfalls im Vergleich zu den übrigen Parteien. Einerseits sei die CDU also potentieller Koalitionspartner für die AfD, andererseits auch potentielle Beute.

Mehr für die AfD

Beide Aspekte werde sich nun deutlicher zeigen, weil die AfD zweitstärkste Kraft ist, sehr wahrscheinlich Oppositionsführerin wird und mehr Redezeit, mehr Geld, möglicherweise auch mehr Macht über Ausschussvorsitze hat, davon ist Nadine Lindner überzeugt.

"Ich glaube, dass dieser sehr aggressive Kurs gegenüber anderen Fraktionen, auch gegenüber den etablierten Medien nicht nachlassen wird, eventuell noch gesteigert wird."
Nadine Lindner, Korrespondentin im Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio

Die AfD wolle zwischen den liberalen, progressiven Teil der CDU und den konservativen einen Keil treiben. Das geht aus einem nicht-öffentlichen Strategiepapier aus dem AfD-Bundesvorstand hervor. Es ist im Vorfeld der vorgezogenen Bundestagswahl entstanden. Nadine Lindner liegt es vor.

Unterschiede als Nebensache

Die AfD werde versuchen Kompromisse, die nun die CDU/CSU voraussichtlich in einer Koalition eingehen müsse, schlechtzureden und ein Gefühl der Unsicherheit und Instabilität unter den Wählenden zu etablieren und aufrechtzuhalten. Tatsächliche programmatische Unterschiede zwischen AfD und CDU/CSU, wie beispielsweise in der Europapolitik, werden so in den Hintergrund gedrängt.

"Die CDU ist eine europafreundliche Partei, wohingegen die AfD sowohl den Euro als auch die Europäische Union gnadenlos umgestalten, wenn nicht sogar am Ende abschaffen will."
Nadine Lindner, Korrespondentin im Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio

In Thüringen ist die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte AfD seit der Landtagswahl im Herbst 2024 unter ihrem Landesvorsitzenden Björn Höcke mit Abstand stärkste Kraft geworden. Sie erreichte dort 32,8 Prozent der Stimmen – auch vor der CDU.

Die Landesregierung von Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) besteht aus einer Koalition von CDU, BSW und SPD. Die drei Fraktionen kommen gerade mal auf genau die Hälfte der Sitze im Landesparlament. Sie haben also auch gemeinsam keine eigene Mehrheit.

Lennart Geibert (CDU) kennt die Herausforderungen in dem Bundesland. Er ist seit September 2024 Mitglied des Thüringer Landtags in Weimar und Vorsitzender der Jungen Union des Bundeslandes. Dort gibt es zur lebenslangen Ernennung von Richtern und Staatsanwälten einen Wahlausschuss, den die AfD momentan blockiert (Stand 01.03.2025).

Denn im Landtag hat die AfD eine Sperrminorität. Ihre 32 Abgeordneten können Entscheidungen blockieren, die nicht von einer einfachen Mehrheit getroffen werden können. Das Justizministerium des Landes kann beispielsweise bei diesen Mehrheitsverhältnissen Richter*innen und Staatsanwälte*innen nur vorläufig ernennen und verbeamten.

"Es ist im Moment so, dass die AfD in Thüringen diesen Ausschuss blockieren und letztlich verhindern kann, dass wir Richter und Staatsanwältin Thüringen auf Lebenszeit ernennen können."
Lennart Geibert, CDU Thüringen, Landtagsabgeordneter und JU-Vorsitzender

Eine Ursache für dieses Blockadeverhalten der AfD ist der Streit um die Vizelandtagspräsidentschaft. Die AfD hat zunächst Wiebke Muhsal vorgeschlangen. Wegen Betrugs zulasten des Thüringer Landtages ist sie für Lennart Geibert nicht wählbar. Auch Jörg Prophet nicht, der mit antisemitischen Äußerungen und durch Holocaust-Leugnung aufgefallen ist. "Es ist für mich völlig indiskutabel, so jemanden zu wählen", sagt Lennart Geibert.

Grundsätzlich müsse auch er nun irgendwie mit der AfD im Landtag umgehen und sich austauschen. "Das geht gar nicht anders", sagt der Landtagsabgeordnete. Das fange bereits bei organisatorischen Fragen an – Raumverteilung zum Beispiel – ende dabei aber nicht. Bei einem Thema, von dem er überzeugt ist, dürfe er sich doch nicht davon abhängig machen, wer zustimmt und wer nicht, findet Lennart Geibert.

"Eine komplette Blockade geht an der Realität vorbei."
Lennart Geibert, CDU Thüringen, Landtagsabgeordneter und JU-Vorsitzender über den parlamentarischen Alltag mit der AfD

Zurück auf die Bundesebene mit Nadine Lindner: Hier seien die inhaltlichen Optionen von CDU/CSU schon sehr begrenzt, was die thematische Konkurrenz zur AfD angeht, findet sie. Ein Versuch sei es, Ostthemen stärker zum Tragen kommen zu lassen. Ein Patentrezept hätten allerdings auch die anderen Parteien bislang nicht gefunden, sagt Nadine Lindner.

"Im Moment fällt den anderen etablierten Parteien nicht viel ein, wie man dieses Wachstum der AfD wirklich stoppen kann."
Nadine Lindner, Korrespondentin im Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio

Strafzölle durch Trump, Niedergang der Automobilindustrie: Nadine Lindner ist überzeugt, es werde wirtschaftspolitisch schwierig für die neue Bundesregierung, weil auch eine CDU-geführte Bundesregierung äußere Faktoren nicht per Knopfdruck abstellen könne.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Kampfansage
Wie die AfD die CDU zerstören will
vom 28. Februar 2025
Moderation: 
Rahel Klein
Gesprächspartnerin: 
Nadine Lindner, Korrespondentin im Hauptstadtstudio des Deutschlandfunks
Lennart Geibert: 
JU-Landesvorsitzender in Thüringen und Landtagsabgeordneter in Weimar