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Der 8. Mai 1945 ist der Tag, an dem Deutschland vom Nationalsozialismus befreit wurde und der Zweite Weltkrieg endete – so steht es in unseren Geschichtsbüchern. Aber was passierte damals wirklich? Geschichte ist das, was wir von der Vergangenheit erzählen. Und mit diesem kollektiven Erinnern wird auch Politik gemacht. Ein Vortrag der Historikerin Ulrike Jureit.

Das, was die Menschen in Deutschland und weltweit gleichzeitig am 8. Mai 1945 erlebten, fühlten und dachten ist so vielfältig, dass wir nicht leichtfertig von einer kollektiven Erfahrung sprechen sollten. Diese Mahnung schickt die Historikern Ulrike Jureit ihrem Vortrag zum Erinnern an das Kriegsende voraus.

Viele verschiedene Perspektiven auf das Kriegsende

Als der zweite Weltkrieg endete, hatte er Schätzungen zufolge mehr als 60 Millionen Menschen das Leben gekostet, überwiegend Zivilist*innen. Mehr als 50 Staaten waren in diesen Krieg verwickelt. Das Ausmaß an Zerstörung und Gewalt war beispiellos. In Europa gilt der 8. Mai 1945 als der Tag, an dem der Krieg endete.

"Der 8. Mai 1945 ist als symbolisches Datum nicht nur europazentriert, er verdichtet und synchronisiert zudem extrem heterogene Erfahrungen."
Ulrike Jureit, Historikerin, Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur

Allerdings: An einigen Orten war der Krieg da schon längst vorbei und an anderen endeten an diesem Tag weder die Massengewalt noch der Zweite Weltkrieg, erinnert die Historikerin.

Portrait der Historikern Ulrike Jureit
© Ulrike Jureit
Die Historikerin Ulrike Jureit

Dass beispielsweise der Krieg im Pazifik nach Abwurf der beiden Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki im August dort schließlich erst am 2. September 1945 endete, ist nur eines von vielen Argumenten dafür, "dass der 8. Mai als historische Zäsur nicht gänzlich überzeugt", so Ulrike Jureit, zumindest nicht global.

"Am 8. Mai erklärte die Wehrmacht gegenüber den Alliierten ihre militärische Niederlage – nicht mehr, aber auch nicht weniger."
Ulrike Jureit, Historikerin, Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur

Was also geschah wirklich an diesem 8. Mai – und was nicht? Wie erinnern wir uns heute an dieses Ereignis und was dachten die Menschen damals darüber? In den 80 Jahren nach Kriegsende hat sich die Erinnerung daran nämlich verändert, auch durch politischen Einfluss.

Was genau geschah am 8. Mai 1945?

In ihrem Vortrag betrachtet Ulrike Jureit zunächst die Fakten, was genau am 8. Mai 1945 in Deutschland und weltweit geschah. Inwiefern war der Tag wirklich eine Zäsur – nicht nur für Europa?

Dafür schaut sie sich den Begriff der Zäsur genauer an, analysiert dann beispielhaft unterschiedliche Narrative zum Kriegsende und blickt zum Ende auf die Bedeutung des 8. Mai für die Ursprungserzählung unserer demokratischen Grundordnung.

"Zäsuren sind meistens an historische Großereignisse gebunden und damit zwangsläufig ereignisgeschichtlich verengt."
Ulrike Jureit, Historikerin, Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur

Ulrike Jureit ist Neuzeithistorikerin an der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur, assoziiert mit dem Hamburger Institut für Sozialforschung. Zum kollektiven Erinnern und zu Geschichtspolitik hat sie viel geforscht und geschrieben – ihre wissenschaftliche Biografie findet Ihr hier.

Ihren Vortrag "Vom Ende zum Anfang – Geschichtspolitische Umdeutungen des 8. Mai 1945" hat sie am 15. Januar 2025 im Rahmen des Offenen Hörsaals an der Freien Universität Berlin gehalten, und zwar in der Ringvorlesung "Gründe erzählen – Aitiologische Narrationen von Ursprung, Gründung und Gegenwart.

Im Pazifik tobte der Weltkrieg länger als in Europa: Unser Artikelbild zeigt den brennenden US-Flugzeugträger USS Bunker Hill nach zwei Kamikaze-Angriffen während der Schlacht von Okinawa.

Shownotes
Zweiter Weltkrieg
Was geschah am 8. Mai 1945? Geschichte als Erzählung
vom 08. Mai 2025
Moderation: 
Katrin Ohlendorf
Vortragende: 
Ulrike Jureit, Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur
  • Vortragsbeginn
  • Hörtipps
Quellen aus der Folge:
  • Walter Kempowski: Das Echolot. Ein kollektives Tagebuch in 4 Bänden. Erstausgabe als Sammel: Albrecht Knaus, München, 1993
  • Hans Magnus Enzensberger: Europa in Trümmern - Augenzeugenberichte aus den Jahren 1944 – 1948, Eichborn, Frankfurt am Main, 1990 (später herausgegeben unter dem Titel "Europa in Ruinen")
  • Richard von Weizsäcker: Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes, 1985