Manche genießen Ruhe und Rückzug, andere werden unruhig, sobald niemand in der Nähe ist. Psychotherapeut Bastian Willenborg erklärt, warum uns das Alleinsein verunsichern kann und was wir daraus mitnehmen können, wenn wir uns der Angst stellen.

Alleinsein kann befreiend sein – oder beklemmend. Während die einen ihre Auszeiten brauchen, die Ruhe genießen und dadurch Kraft tanken, spüren andere Unruhe, sobald niemand bei ihnen ist.

Wenn das Alleinsein alte Ängste weckt

Psychotherapeut Bastian Willenborg erlebt in seiner Praxis oft, dass es Menschen schwerfällt, allein zu sein. Für viele fühle sich Alleinsein wie Einsamkeit an. "Viele haben in ihrer Kindheit gelernt, dass Alleinsein etwas Unsicheres ist", sagt er. "Wenn Bezugspersonen nicht da waren, konnte das Angst auslösen. Diese frühen Erfahrungen wirken bis ins Erwachsenenalter nach."

"Oft steckt hinter dem Alleinsein die Angst verlassen oder nicht gemocht zu werden."
Bastian Willenborg, Psychotherapeut

Dazu kommt: Wer nie lernt, mit sich allein klarzukommen, läuft Gefahr, sich
über andere zu definieren. "Wenn ich nur in Beziehungen spüre, wer ich bin, mache ich mich abhängig", erklärt Willenborg. "Das kann Beziehungen eher instabil machen, weil man ständig Bestätigung sucht."

Doch Alleinsein lässt sich üben, so Willenborg. Kleine Schritte können dabei helfen:

  • sich nicht überfordern und versuchen, erst mal eine Stunde allein zu sein
  • nicht allein in der Bude hocken, sondern einen Spaziergang machen
  • einen Spaziergang machen – ohne dabei Musik oder einen Podcast zu hören
  • allein in den Urlaub fahren, zwischendurch jemanden besuchen und dann wieder ein, zwei Tage allein sein

Außerdem könne es hilfreich sein, aufzuschreiben, welche Gedanken und Gefühle wir beim Alleinsein haben. Der Psychotherapeut ist überzeugt: Wer regelmäßig übt, allein zu sein, wird irgendwann feststellen, wie aus dem anfänglichen Unwohlsein eine sich gut anfühlende Ruhe wird. Gleichzeitig, betont Willenborg, dass wir Menschen soziale Wesen sind. "Wir Menschen brauchen das Gefühl, dazuzugehören, verstanden und gesehen zu werden." Und das meint auch, wir dürfen uns Hilfe holen. Oder anders gesagt: Wir müssen das Alleinsein nicht allein lernen.

Im Audio erklärt Bastian Willenborg, welche Rolle soziale Medien beim Erleben von Einsamkeit spielen.

Shownotes
Spoiler: Es kann schön werden
Wie wir lernen, Zeit mit uns selbst zu verbringen
vom 09. November 2025