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Wie präsentiert sich die Ukraine seit ihrer Unabhängigkeit auf der Bühne des Eurovision Song Contest? Was erzählen die Beiträge der ukrainischen ESC-Gewinnerinnen und Gewinner über die Ukraine und deren Verhältnis zu Europa und zu Russland? Osteuropa-Historikerin Marie Grünter hat es untersucht.

Im Jahr 1991 erklärt die Ukraine ihre Unabhängigkeit. Das Sowjet-Imperium zerfällt. Die ehemalige Sowjet-Republik Ukraine sucht nach neuen Erzählungen und (Selbst-)Bildern. Auf der großen europäischen Bühne des Eurovision Song Contest (ESC) werden diese Narrative und Images ausprobiert und einem großen Publikum präsentiert.

"Von der Teilnahme versprachen sich die mittel- und osteuropäischen Staaten ihre nationalen post-kommunistischen Identitäten auf einer großen Bühne präsentieren zu können."
Marie Grünter, Osteuropa-Historikerin

Marie Grünter untersucht in ihrem Vortrag die ukrainischen ESC-Beiträge von Ruslana ("Wild Dances", 2004), Greenjolly ("Razom Nas Bahato", 2005), Verka Serduchka ("Dancing Lasha Tumbai", 2007), Jamala ("1944", 2016, oben im Bild), Go_A ("Shum", 2021) und den Gewinner-Song des Jahres 2022 von Kalush Orchestra, "Stefania". Sie setzt diese Songs und Bands in Beziehung zum jeweils aktuellen Zeitgeschehen.

Pop mit Botschaft

So singt Jamala 2016 in ihrem Song "1944" über die Deportationen der Krimtataren nach Usbekistan. Allerdings, so beschreibt es die Rednerin, wurden manche von Jamalas Textzeilen auch auf den Einmarsch Russlands in den Osten der Ukraine bezogen.

"Schon im Vorfeld des ESC wurde diskutiert, ob es sich bei diesem Song nicht viel mehr um einen Kommentar zur aktuellen Situation seit 2014 auf der Krim handelt."
Marie Grünter, Osteuropa-Historikerin

Der Song wurde zum Politikum. Russische Kommentatoren vertaten die Ansicht, er würde Friedensverhandlungen gefährden.

Turiner Aufforderung zur Unterstützung

Die Ukraine hat den ESC insgesamt drei Mal gewonnen. Der jüngste Gewinnersong kam 2022 von Kalush Orchestra. Ihr Song "Stefania" ist der erste komplett ukrainischsprachige ESC-Beitrag des Landes. Beim Finale in Turin appellierte der Sänger nach dem Auftritt der Band an das internationale Publikum, die Ukraine und die Stadt Mariupol zu unterstützen. Das ESC-Reglement verbietet politische Aussagen - der Appell wurde jedoch als humanitäre Aussage bewertet.

2023 in Liverpool wird Tvorchi die Ukraine mit dem Elektro-Song "Heart of Steel" vertreten. Inspiriert sei der Song von der "Tapferkeit der ukrainischen Soldaten im Stahlwerk Azovstal", wie es auf der ESC-Homepage heißt. Das Musik-Duo Tvorchi zählt zu den Favoriten.

"Der ESC ist die Versinnbildlichung all dessen, was das russische Regime an Europa hasst."
Marie Grünter, Osteuropa-Historikerin

Marie Grünter ist Osteuropa-Historikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Auswandererhaus Bremerhaven.

Ihren Vortrag mit dem Titel "Die unabhängige Ukraine und ihre Eurovision Song Contest-Gewinne - Gehört die Ukraine zu Europa?" hat sie erstmals am 01.12.2022 am Deutschen Auswandererhaus Bremerhaven gehalten, im Rahmen der Reihe Lost in War. Ebenfalls aus dieser Reihe: Überfall, Mord, Zwangsarbeit: Deutsche Verbrechen in der Ukraine und wie an sie erinnert wird.

Shownotes
Historische Bezüge
Wie sich die Ukraine auf dem ESC präsentiert
vom 11. Mai 2023
Moderation: 
Katja Weber
Vortragende: 
Marie Grünter, Osteuropa-Historikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Auswandererhaus Bremerhaven
Quellen aus der Folge: