Vier Wochen lang so wenig Müll wie möglich zu produzieren – am besten keinen – das sollte machbar sein. Denkt sich zumindest unsere Reporterin Kerstin Ruskowski und wagt den Selbstversuch: zwei Wochen in den USA und zwei Wochen in Deutschland.
Über Zero Waste zu recherchieren ist das eine – aber wie schaffen wir es, keinen oder wenig Müll im Alltag zu produzieren? Das hat sich auch unsere Reporterin Kerstin Ruskowski gefragt und versucht es nun selbst. Vier Wochen möchte sie den Zero-Waste-Stil testen. Eine besondere Herausforderung: Kerstin will das Leben ohne Müll in unterschiedlichen Ländern ausprobieren. Zwei Wochen versucht sie es in Kalifornien in den USA und zwei Wochen in Deutschland.
Beim Kompostieren kommt es auf die Mischung an
Eine Sache hat Kerstin sich von Anfang an vorgenommen: Sie möchte kompostieren lernen. Denn ein großer Teil ihres tatsächlich produzierten Restmülls kann auf den Kompost. Daher informiert sie sich in den USA und Deutschland bei Expertinnen: In Kalifornien spricht sie mit Cindy Scott. Cindy ist Naturpädagogin und bringt regelmäßig Kindern bei, richtig zu kompostieren – sie selbst tut es natürlich seit Jahrzehnten. In Köln spricht Kerstin mit Zero-Wasterin Olga Witt.
Die Kalifornierin Cindy erklärt beispielsweise, dass der Kompost circa vier bis fünf verschiedene Komponenten benötigt, um sich schnell zu zersetzen. Hat ein Kompost weniger Komponenten, zersetzt er sich trotzdem – nur eben langsamer.
"There are four, five things that your compost is going to need in order to biodegrade. If you have less or none of one or more, it will still biodegrade, it will still compost, it will just take longer."
Die Balance zwischen trockenem und nassem Material ist dabei besonders wichtig, sagt Cindy. Nasses Material, das sind die klassischen Küchenabfälle, zum Beispiel Obst- und Gemüsereste. Damit diese Masse nicht zu feucht ist und sich optimal zersetzt, wird trockenes Material dazugegeben – beispielsweise Blätter aus dem Park oder Zeitungspapier. Lagen von feuchtem und trockenem Material sollen sich abwechseln. Der beste Feuchtigkeitsgrad ist für Cindy der eines ausgewrungenen Schwamms.
Die Zero-Wasterin Olga, mit der Kerstin in Folge #3 gesprochen hat, trennt sogar ihren Kompost, damit sie das bestmögliche Mischverhältnis hat. Denn wenn wir alles auf einen Haufen schmeißen, brauchen wir Platz – und es dauert noch länger.
"Also, da muss man dann auch wirklich das Mischungsverhältnis einhalten und kann eben nicht alles so gut drauf schmeißen. Wenn man jetzt alles nur loswerden will, dann kann man das auch machen, aber dann braucht man eben auch den Platz dafür."
Wo kompostiert wird und welche Möglichkeiten zum Kompostieren bestehen, ist noch mal eine andere Frage. Manche haben einen Garten, andere müssen eine Kiste in der Küche aufstellen.
Es gibt auch Komposthaufen, die mit Würmern angereichert sind. Die Exkremente der Würmer ergeben einen sehr guten Dünger, sagt Cindy. Aber ohne Würmer gehe es auch. Kerstin will daher auf zwei Arten kompostieren: einmal mit und einmal ohne Würmer.
Ohne Müll in Santa Cruz – der Alltag birgt Herausforderungen
Zwar ist Kalifornien nicht gleich USA, aber Kerstin könnte sich vorstellen, dass Zero Waste in Deutschland leichter für sie sein wird. Ihre Zero-Waste-Challenge startet in Santa Cruz, in Kalifornien: Schon Tag eins wird schwieriger als gedacht. Beim Kochen fällt Kerstin auf, dass der Reis, den sie noch zuhause hatte, in Pappe und Plastik verpackt ist. Das erste Stück Müll entsteht, das sie nicht einfach auf den Kompost werfen kann.
Eine andere Sache, die Kerstin beim Kochen auffällt: Glasflaschen sind eigentlich auch eine Form von Müll, den sie produziert, da sie nicht jede Flasche weiter nutzt, sondern zum Recycling bringt und neue kauft. Der bisher angefallene Müll, also Pappe, Plastik und Glasflaschen, ist eigentlich komplett recycelbar. Trotzdem ist das noch nicht Zero Waste.
Im Alltag begegnen Kerstin einige Dinge, die ihr vorher nicht aufgefallen sind: Wenn sie sich Nagellack von den Zehen entfernt, entsteht beispielsweise nicht kompostierbarer Müll. Denn die Wattepads sind zwar kompostierbar, nicht aber der Nagellack an ihnen. In vielen Restaurants in den USA wird außerdem das Essen auf Einweggeschirr serviert oder der Kaffee im To-Go-Becher – selbst wenn man vor Ort bleibt. Und dann gibt es noch Kassenzettel, und wenn man ganz genau ist, auch die Aufkleber auf Obst und Gemüse, die an nicht bedachtem Müll anfallen.
"Das ist so ein Ding, über das ich vorher nicht nachgedacht habe: dass ja die Wattepads, mit denen ich den Nagellack abmache mit Nagellackentferner zwar theoretisch aus Baumwolle sind und damit kompostierbar, aber nicht, wenn der Nagellack dran ist."
Ohne Müll in Santa Cruz – Beutel für den Einkauf und fürs Waschen
Dafür hat Kerstin es zuvor beim Einkaufen erfolgreich geschafft, Müll zu vermeiden: Indem sie das Gemüse direkt in den mitgebrachten Stoff-Gemüsebeutel gesteckt hat. Und den Gefrierbeutel, in dem die Basilikumblätter waren, kann Kerstin im Supermarkt lassen – er soll dort noch mal genutzt werden.
Auch bei ihrer Wäsche passt Kerstin auf: Sie besorgt sich einen speziellen Wäschebeutel, der Mikrofasern auffängt. Denn sie besitzt Kleidungsstücke aus künstlichen Stoffen – diese alle wegzuwerfen scheint ihr nicht sinnvoll – also lieber nachhaltig waschen.
"Dieser spezielle Waschbeutel ist für mich ne ganz gute Lösung. Finde ich jedenfalls tausendmal besser, als alle Klamotten aus Synthetik-Materialien rauszuschmeißen. Das ist ja auch nicht nachhaltig."
Mikrofasern aufzufangen ist für Kerstin wichtig, denn: Die Mikrofasern von künstlichen Stoffen wie Polyester werden bei jeder Wäsche aus der Kleidung herausgelöst und sind damit auch eine Form von Müll. Filter in Wäschemaschinen und Kläranlagen sind aber zu grob, daher gelangen die Mikrofasern in das geklärte Wasser, ins Meer und in die Körper von Pflanzen Tieren dort. Am Ende landen Fische oder Meeresfrüchte mit diesen Mikrofasern dann auf unserem Teller.
Ohne Müll in Köln – Routine hilft
Und dann: Die Zero-Waste-Challenge in Köln. Auch hier muss Kerstin viel kommunizieren. Zum Beispiel mit dem Mann in der Falafelbude, der irritiert ist, als Kerstin ihn fragt, ob er ihren Halloumiteller in die von ihr mitgebrachte Box füllen kann.
Das Hin und Her kostet Kerstin zwar Überwindung, aber sie würde es wieder tun – und hat die Hoffnung, dass der Mann in der Falafelbude "das komische Mädchen mit den Tupperdosen" beim nächsten Mal erkennt und sich eine Routine einspielt. Beim Bäcker hat das schon geklappt: Kerstin reicht mittlerweile ohne Erklärung ihren Beutel über den Tresen. Ähnlich läuft es bei ihrer Lieblingseisdiele: Hier wundert sich auch niemand mehr, wenn sie mit Löffel und Schüssel kommt, um ihr Eis so mitzunehmen.
Ohne Müll in Köln – Gemüsekiste mit Produkten aus der Region
In Köln hat Kerstin sich eine Gemüsekiste bestellt – die wird jetzt wöchentlich zu ihr nach Hause geliefert und enthält saisonale Produkte von Bauern aus der Region.
Auch hier waren am Anfang manche Dinge verpackt. Daher hat Kerstin beim Vertreiber angerufen und darum gebeten, das Obst und Gemüse einfach in der Kiste und ohne extra Verpackungen geliefert zu bekommen.
"Anfangs waren manche Sachen in der Kiste noch mal extra verpackt - in Papier- oder Plastiktüten oder Plastikdosen. Ich hab dann angerufen und gesagt, dass ich keine extra Verpackungen haben möchte - und seitdem legen die mein Obst und Gemüse direkt in die Kiste."
Zero Waste bedeutet: Im Voraus denken und viel kommunizieren
Kompostieren in den USA und in Deutschland
Erfolgreiches Kompostieren hat in Kerstins Fall weniger mit dem Standort und viel mehr mit der Methode zu tun. In den USA hatte sie sich entschieden, ohne Würmer zu kompostieren – was nicht das gewünschte Ergebnis brachte. Bei Kerstins Abreise war die Tonne so voll, dass man fast nicht mehr umrühren konnte. Der Biomüll rottete sehr langsam, das richtige Verhältnis aus trockenen und feuchten Abfällen war nicht leicht zu erreichen. Außerdem stank der Kompost nach kurzer Zeit. Also keine gute Lösung für die Wohnung, sondern eher für einen Kompost im Garten.
In Köln hat ihr eine Kollegin eine Wurmkiste geschenkt. Auch das ist nicht ganz unkompliziert, scheint aber besser zu klappen. Die Würmer fressen beispielsweise nicht alles. Daher dürfen kein Fleisch, keine Milchprodukte und keine Zitrusfrüchte auf den Kompost. Diese Abfälle müssen in den Restmüll.
Da auch Würmer an ihre Grenzen kommen, hat Kerstin nun bei ihrer Hausverwaltung eine Biotonne angefragt. Das scheint ihr für die Stadt eine sinnvolle Lösung zu sein. Die Würmer behält sie trotzdem.
Wenn Kerstin also keinen unnötigen Müll produzieren will, muss sie ständig vorausdenken und viel kommunizieren, beispielsweise mit den Restaurantmitarbeitern. Sie muss erst einmal alles infrage stellen, und sich über jedes Stück Müll, das anfällt, Gedanken machen.
Dadurch kauft Kerstin weniger, kocht und isst gesünder – denn so hat sie bessere Kontrolle über ihren Müll. Obst- und Gemüsereste, die anfallen, kann sie kompostieren. Der Nachteil: Das Ganze kostet Zeit.
"Generell stelle ich fest: Wenn man keinen unnötigen Müll produzieren will, muss man ganz schön viel vorausdenken und kommunizieren - das kann manchmal anstrengend sein. Und klappt eben auch nicht immer."
Am Ende der zwei Wochen in Kalifornien hat Kerstin deutlich weniger Recycling- und Restmüll produziert, als vorher – und sie hat ein paar langfristige Zero-Waste-Lösungen für sich gefunden:
- feste Seife für Körper und Haar statt Duschgel und Shampoo
- eigener Deo-Mix aus lauwarmem Wasser, Natron und Lavendelöl
- Körperpeeling aus Kaffeeansatz
- mit Bienenwachs ummantelte Stofftücher statt Frischhaltefolie
Aber auch ein paar Kompromisse hat sie gemacht: Die Holzzahnbürsten waren nichts für Kerstin, daher bleibt sie bei der elektrischen Zahnbürste. Dafür mischt sie sich ihre eigene Zahnpasta aus Kokosöl, Natron und Pfefferminzöl – oder nutzt Zahnpastatabletten aus dem Unverpacktladen.
Oder der Nagellack, auf ihn will Kerstin langfristig auch nicht verzichten. Auch Gesichtscreme und Wattestäbchen nutzt sie weiterhin – aber die Gesichtscreme ist ab jetzt im Glastiegel und die Wattestäbchen haben einen Pappstiel. So können sie auch kompostiert werden.
Less Waste statt Zero Waste
Am Ende ihrer Challenges ist für Kerstin klar: Zero Waste bedeutet für jeden etwas anderes. Das fängt mit grundsätzlichen Fragen an wie: Was bedeutet Zero Waste überhaupt für mich? Ist Recyclingmüll erlaubt oder nicht? Und hört auf bei individuellen Routinen und Bedürfnissen.
Außerdem merkt sie, dass es innerhalb des Landes darauf ankommt, wo man wohnt – egal ob in Deutschland oder den USA. Unverpacktläden beispielsweise, in denen sie lose Lebensmittel wie Reis, Pasta oder Müsli kaufen kann, findet Kerstin auch in Köln. Aber in manchen kalifornischen Städten gibt es diese Laden schon häufiger – sie sind also bequemer zu erreichen.
Kerstin sieht die Annäherung an den Zero-Waste-Lifestyle als Prozess an – den sie auch weiter mitmachen wird. Nur eben auf ihre Art. Sie wird weiter alles infrage stellen, was sie nutzt. Sie wird weiter nach besseren Alternativen suchen, bei denen kein Müll anfällt. Ob sie es jemals schaffen wird, gar keinen Müll zu produzieren, weiß sie nicht. Aber der Anfang ist gemacht und darauf wird sie aufbauen.
In der nächsten und letzten Folge von "Ohne Müll" gibt Kerstin noch mal ein paar Tipps, die sie bei ihrer Recherche und ihrem Selbstversuch zusammengetragen hat.
Meldet euch!
Ihr könnt das Team von Facts & Feelings über WhatsApp erreichen.
Uns interessiert: Was beschäftigt euch? Habt ihr ein Thema, über das wir unbedingt in der Sendung und im Podcast sprechen sollen?
Schickt uns eine Sprachnachricht oder schreibt uns per 0160-91360852 oder an factsundfeelings@deutschlandradio.de.
Wichtig: Wenn ihr diese Nummer speichert und uns eine Nachricht schickt, akzeptiert ihr unsere Regeln zum Datenschutz und bei WhatsApp die Datenschutzrichtlinien von WhatsApp.