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Die Protagonistin des Romans "Gym" von Verena Keßler sieht nachlässig aus, als sie sich um einen Job im Mega Gym bewirbt. Um die überzähligen Pfunde zu rechtfertigen, lügt sie, dass sie gerade erst entbunden habe. Eine Lüge mit Folgen.

"Gym" heißt er und das Cover des Romans von Verena Keßler zeigt das Bild einer Frau in Leggings und Sport-Bustier. Sie hängt scheinbar lustlos auf einem Hocker – entweder erschöpft oder mit den Gedanken ganz weit weg – vielleicht.

Mega Gym heißt der Ort, an dem ein großer Teil der Geschichte des Romans spielt. Mit einer Frau in der Hauptrolle. Einer Protagonistin, die nur wenig über sich preisgibt.

"Erste Regentropfen prasseln gegen die Fensterscheibe des Mega Gyms. Inzwischen ist es noch dunkler geworden. Draußen braut sich was zusammen. Drinnen aber auch."
Lydia Herms, über den Roman "Gym" von Verena Keßler

Lange bleibt unklar, woher sie kommt. Und ebenso unklar, wohin sie will. Sie hat kein Ziel. Außer überleben, vielleicht. Über die Runden kommen und der Bewährungshelferin beweisen, dass sie sie nicht mehr braucht. Das ist das Mindeste, was sie erreichen möchte. Auf einen Namen dieser Frau müssen wir verzichten. Sie ist nur sie.

Von Obsession und Ehrgeiz

Bei ihrem Bewerbungsgespräch im Mega Gym ließ sich Ferhat, der Besitzer der Muckibude, nichts anmerken. Ungewaschene Haare, ungewaschene Klamotten, Erdnussflipsbauch, alles kein Thema. Irgendwie lief es ganz gut für sie.

Bis er dann doch ins Stocken geriet, mit dem Kugelschreiber die unangenehme Stille durchklickte, und es dann durch die Blume versuchte: Das Team müsse den Ort, sein Gym, verkörpern. Das heißt: Fitness, Wellness und Gesundheit ausstrahlen.

Die Lüge von der Entbindung

Ob sie wüsste, was er damit meint, fragte Ferhat sie. Ja, sie wusste es. Aber sie brauchte den Job. Also log sie. Nochmal. Sie hatte ja bereits gelogen, als sie behauptet hatte, dass Fitness mal ihre Leidenschaft gewesen sei. Sie habe gerade erst entbunden, rutschte es ihr raus. Das reichte schon: Sie hatte den Job, denn Ferhat ist Feminist.

Alles ist gut, bis es kippt

Das Gute ist, sie muss nicht mehr machen, als von ihr verlangt wird: Staubwischen, Klopapier auffüllen, Shakes mixen. Aber, sie muss auch acht Stunden stehen. Das schafft sie nur mit regelmäßigen Pausen auf der Toilette. Das Nicht-so-Gute ist, dass sie sich als Mutter verkaufen muss. Das ist schwerer, als gedacht.

Lügen kann sie

Sie muss lügen, improvisieren und darstellen. Das wiederum kann sie. Alles in allem liebt sie ihren Job im Mega Gym. Bis es kippt.

Bis sie zum ersten Mal selbst an den Geräten sitzt und nach anfänglichem Unwillen spürt, was mit ihr und ihrem Körper passiert: Weil er sich verändert, und sie anders angesehen wird. Und sie beginnt, auch andere Körper anders anzusehen.

Und dann kommt Vick. Für sie ist Vick ein Muskelgebirge. Vick weckt etwas in ihr. Etwas, dass sie nicht hätte wecken sollen, weil es gefährlich ist.

Denn die erfundene Entbindung ist nicht das einzige Geheimnis, das sie hat.

Das Buch:

"Gym" von Verena Keßler, Hanser Berlin, 189 Seiten, Hardcover: 23 Euro, eBook: 16,99 Euro, Hörbuch, gelesen von Lisa Hrdina; Erscheinungstermin: 19.08.2025.

Die Autorin:

Verena Keßler, geboren 1988 in Hamburg, lebt in Leipzig, wo sie am Deutschen Literaturinstitut studierte.

Ihr Debüt "Die Gespenster von Demmin" wurde für zahlreiche Preise nominiert und mit dem Kranichsteiner Jugendliteratur-Stipendium ausgezeichnet.

Zuletzt erschien von ihr bei Hanser der Roman "Eva", für den sie den Literaturpreis "Der zweite Roman" erhielt.

Shownotes
Das perfekte Buch für den Moment...
…wenn du deinen Po vor dem Spiegel fotografierst
vom 17. August 2025
Autorin: 
Lydia Herms, Deutschlandfunk Nova