Wundversorgung und Medizin, die gibt es bei Bedarf auf Rezept. In manchen Ländern gibt es auch Pflaster für die Seele: das sogenannte Soziale Rezept. Bei psychischen Krisen werden kulturelle Angebote verschrieben.
Einsamkeit, depressive Verstimmung oder der Verlust von jemandem, der uns nahestand. In persönliche Krisen geraten wir oft überraschend. Und andere Menschen, die vielleicht helfen wollen, sind dann meist ratlos.
Zusätzlich zu der Vielzahl an Therapie- und Behandlungsmöglichkeiten für die mentale Gesundheit, wird in Deutschland nun ein neuer Ansatz getestet: das Soziale Rezept.
Soziales Rezept: In anderen Ländern schon gängige Praxis
In klassischen Therapieformen unterstützt ein Therapeut seinen Patienten zum Beispiel dabei, herauszufinden, woher das Gefühl der Einsamkeit herrührt. Was mögliche Ursachen in dessen Biografie sein und welche Strategien helfen könnten, um das Gefühl der Einsamkeit zu überwinden.
Link-Workerin hilft dabei neue Verbindungen herzustellen
Natalie Viaux versucht es auf eine unkonventionellere Art: Sie ist gelernte Psychotherapeutin und arbeitet als sogenannte Link-Workerin in Berlin. Mit ihrer Arbeit hilft sie etwa Menschen, die zu Depressionen neigen, dabei, wieder zurück ins soziale Leben zu finden.
"Ich habe Menschen in Umbruchsituationen: Das kann jemand mit einem festen Job oder einer Beziehung sein. Der aber genau mit diesem Job oder mit der Beziehung durch eine Krise geht."
Das Motto der Psychotherapeutin ist: "Connection is care." Sie unterstützt Klient*innen dabei, aktiv Verbindungen aufzubauen, um wieder stärker in den sozialen Austausch mit anderen zu treten, wieder mehr am kulturellen Leben teilzuhaben.
Ihre Klient*innen kommen nicht zufällig zu Natalie Viaux, sondern mit einem sogenannten Sozialen Rezept. Hausärzt*innen verschreiben ihren Patient*innen damit soziale oder kulturelle Aktivitäten, um ihre mentale Gesundheit zu stärken.
Das Soziale Rezept ist nicht neu. In Ländern wie Großbritannien oder Kanada gehört es schon seit Jahren mit zur Regelversorgung. Mit Erfolg – wie die Rückmeldungen von Link-Workern aus einer Fallstudie von 2023 zeigen. Die Studie wurde in Wales durchgeführt. Natalie Viaux ist inzwischen Teil eines Teams, das hierzulande eine Machbarkeitsstudie für das Soziale Rezept durchführt.
"In erster Linie höre ich zu. Ich glaube zuhören ist ein ganz wesentlicher Aspekt."
Sie beginnt damit, dass sie Klient*innen aktiv zuhört, um herauszufinden, welche Bedürfnisse hinter deren Leidensdruck stehen. Dann beginnt sie – wie eine Kuratorin – eine Liste von örtlichen Community-Angeboten zusammenzustellen, die sie ihren Patient*innen vorschlägt. Die Psychotherapeutin stimmt das Angebot dann individuell auf die Patient*innen ab.
Aktionsplan enthält Meilensteine und Hindernisse
Diese sind vollkommen frei darin, die Angebote an- oder abzulehnen. Gemeinsam mit ihnen stellt Natalie Viaux im nächsten Schritt dann einen Aktionsplan zusammen: Der enthält gewisse Meilensteine, aber zugleich auch gewisse Hindernisse, die es zu überwinden gilt. Dann begleitet die Therapeutin die Patient*innen im nächsten Schritt dabei, den Plan umzusetzen.
"Also was ich spannend an dem Konzept finde, ist, dass es eine Brücke baut zwischen der medizinischen Versorgung und den Nachbarschaften, den Angeboten in der Nachbarschaft vor Ort.”
Ob das sogenannte Soziale Rezept in Deutschland zur Regelversorgung wird, steht noch offen. Denn die Kassen des Bundes und der Krankenkassen sind ziemlich leer. Es läuft aktuell jedoch eine Machbarkeitsstudie, 2026 sollen Ergebnisse geliefert werden.
