Der Tiefbahnhof Stuttgart 21 sollte 2026 öffnen. Jetzt ist klar: Frühestens 2027 wird das klappen – vielleicht später. Wieso kriegt die Bahn das nicht hin? Und warum ist Youtuber Cato trotzdem begeistert?
Pünktlichkeit, große Ingenieurskunst, Effizienz, dafür steht Deutschland – bis man an den Flughafen BER, die Elbphilharmonie oder Stuttgart 21 denkt. Beim Mega-Projekt klemmt es wegen einer Vielzahl an Problemen. Jetzt hat die Bahn durchblicken lassen: Die Eröffnung rutscht erneut nach hinten, mit 2026 wird es nichts.
Die erneute Verschiebung hängt unter anderem mit Verzögerungen bei der Digitalisierung der Leit- und Sicherungstechnik zusammen. Doch das sei nur eines von vielen Problemen, sagt Bahn-Experte Frieder Kümmerer vom SWR. Als Reporter in Stuttgart beschäftigt er sich seit Jahren schwerpunktmäßig mit Bahnthemen – vor allem mit dem Projekt Stuttgart 21.
"Dass auch die gesamten Projektpartner von Stuttgart 21 komplett überrumpelt wurden mit der Nachricht, das ist eine neue Dimension, wie mit so einer Verschiebung vorgegangen wird."
Ihn habe es kaum überrascht, dass der Eröffnungstermin erneut wackelt, auch wenn der Wille groß gewesen sei, 2026 planmäßig Züge fahren zu lassen. Überraschend sei jedoch der Zeitpunkt gewesen: Üblicherweise sickern Verzögerungen vorher durch und Partner würden informell vorbereitet, sagt er. Diesmal seien alle völlig überrumpelt worden – eine neue Dimension im Umgang mit solchen Verschiebungen.
Stuttgart 21 - auch ein Immobilienprojekt
Der bisherige Kopfbahnhof liege im Herzen Stuttgarts und alle Züge müssten dort einfahren, wenden und wieder ausfahren. Die Grundidee des Projekts sei gewesen, dass ein Durchgangsbahnhof effizienter sei, wenn Züge eine Stadt durchfahren. Daher habe man überlegt, den Bahnhof grundlegend umzubauen.
Zudem nehme der Kopfbahnhof enorme Flächen in der Innenstadt ein, weshalb die Stadt große Chancen für neue Wohn- und Bauprojekte gesehen habe. Viele bezeichneten Stuttgart 21 deshalb eher als Immobilien- denn als Bahnprojekt, so Frieder. Aus diesen Überlegungen sei der Plan entstanden, den Bahnhof unter die Erde zu verlegen und Platz in der Stadt zurückzugewinnen.
Ein neues Wahrzeichen für die Stadt
Cato berichtet über Megaprojekte in Deutschland und weltweit. Sein Youtube-Kanal konzentriert sich auf Architektur und Design. Er stammt aus Stuttgart – entsprechend hat das Thema für ihn eine besondere Bedeutung. Bei Stuttgart 21 kämen ihm zwar Begriffe wie Kostenkonflikt und Katastrophe in den Sinn, er freut sich aber auch darüber, dass der Bahnhof der Stadt ein neues Wahrzeichen bescheren könne.
"Es kann ein neuer Aufbruch sein und beschert Stuttgart ein neues Wahrzeichen."
Der provisorische Hauptbahnhof sei ein echtes Chaos. Besonders die Umsteigewege vom Tiefbahnhof zu den Gleisen wirkten wie ein langer Fernwanderweg. Es dauere rund zehn Minuten, quer über die Baustelle nach draußen zu gelangen – alles andere als das, was Stuttgart sich wünscht, so Cato. In der Stadt sei das Thema Stuttgart 21 auf jeden Fall ein Pulverfass.
Stuttgart 21 – Digitalisierung, Kosten, Terminchaos
In den vergangenen 15 Jahren habe es zahlreiche Gründe für Verzögerungen gegeben: geänderte Anforderungen, Probleme beim Bau durchs schwere Gestein, Verzögerungen am Flughafenbahnhof, Umweltklagen und jetzt die schwierige Integration der digitalen Technik, so Frieder Kümmerer vom SWR.
Ursprünglich wurde das Projekt auf rund zweieinhalb Milliarden Euro kalkuliert, inzwischen liegt die Summe bei über zehn Milliarden. In Stuttgart kursiere das Gerücht, dass jede weitere Verzögerung rund eine halbe Milliarde Euro Mehrkosten verursache. SWR-Journalist Frieder kann sich vorstellen, dass die Zwölf-Milliarden-Marke am Ende noch überschritten werde.
Offiziell hat die Bahn die Verschiebung noch nicht bestätigt. Frider und der SWR hätten die Informationen von Projektpartnern erhalten. Die Bahn selbst gibt nur an, dass Risiken bestehen, den Eröffnungstermin einzuhalten. Sie dürfe das auch erst nach Zustimmung des Aufsichtsrats kommunizieren.
Frieder schätzt, dass es frühestens im Dezember 2027 klappen wird. Solche Großprojekte werden in Deutschland immer zum großen Fahrplanwechsel in Betrieb genommen, der nur einmal jährlich stattfindet.
Hohe Belastung für Berufspendler
Für die Fahrgäste bedeute das, weiterhin mit einem alten, sehr verspätungsanfälligen Kopfbahnhof in Stuttgart zu leben. Täglich gebe es Signal- und Weichenstörungen, die auch Reisende aus Hamburg, Berlin oder Köln betreffen, wenn sie über Stuttgart nach München fahren, da der alte Bahnknoten nicht mehr zuverlässig funktioniere, so Frieder.
"Täglich ändern sich für Pendler die Fahrpläne. Jemand, der heute mit seinem Zug zur Arbeit gefahren ist, weiß nicht, ob dieser Zug so noch mal fährt."
Im Großraum Stuttgart herrsche seit Monaten ein Baustellenfahrplan. Pendler wüssten oft nicht, ob ihre Züge am nächsten Tag noch wie geplant verkehren. Dieses Dauerprovisorium werde noch länger andauern, und am Ende seien die Leidtragenden eindeutig die Fahrgäste.
Neuer Bahnhof – Beeindruckende Architektur
Während Fahrgäste noch warten müssen, hat Cato vom Architekten Christoph Ingenhoven einen exklusiven Einblick in die Architektur des neuen Bahnhofs bekommen. "Ich war echt geflasht", sagt Cato. Beeindruckt habe ihn auch die Energie und das Herzblut, das Ingenhoven nach fast 30 Jahren Projektarbeit noch zeige.
"Das ist so beeindruckend, dass auch die ganze Welt davon mitbekommt und Architekturbegeisterte extra nach Stuttgart kommen."
Wenn der Bahnhof öffnet, dann ist Cato gespannt, ob die Deutsche Bahn hält, was sie verspricht, oder ob es doch wieder zu Problemen komme. Die Architektur sei aber so beeindruckend sei, dass sie weltweit Aufmerksamkeit erregen könnte und Architekturbegeisterte extra nach Stuttgart kommen, um den Bahnhof zu sehen.
Auch der SWR-Reporter ist von der Architektur des Bahnhofs überzeugt. Wer die neue Halle während der Baustelle gesehen habe, wisse, wie spektakulär sie wirkt. Manche vergleichen sie sogar mit der Elbphilharmonie. Dennoch bleibe es ein Bahnhof, und es gibt berechtigte Zweifel, ob die versprochenen Funktionen eingehalten werden. Letztlich müsse der Betrieb zeigen, ob die Zusagen erfüllt werden.
Gegner sehen Bestätigung durch Verzögerung
Die Gegner von Stuttgart 21 - Aktionsbündnisse oder Parkschützer zum Beispiel, werden durch die erneute Verschiebung des Eröffnungstermins bestätigt. Sie haben eigene Konzepte entwickelt, wie man das große Bauloch nutzen könnte, und sehen vor allem den Kopfbahnhof als erhaltenswürdig. Auch viele Experten halten es für sinnvoll, den alten Bahnhof zusätzlich zum Tiefbahnhof zu nutzen.
Frieder erklärt, dass es neue politische Pläne für steigende Fahrgastzahlen gibt, die es beim ursprünglichen Beschluss noch nicht gab. Daher demonstrieren die Gegner heute weiterhin jeden Montag in Stuttgart und fordern, den alten Kopfbahnhof zu modernisieren, technisch aufzurüsten und weiterzubetreiben.
Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an unboxingnews@deutschlandradio.de
