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Neugeborene nach der Geburt 24 Stunden wegsperren – ohne Mutter: Johanna Haarer schrieb ihre Erziehungsratgeber in den 1930er-Jahren passgenau zur NS-Linie. Probleme machten ihre kruden Ideale dann bis in die 1980er – und indirekt bis heute.

"Dass ein Kind seinen Eltern unter allen Umständen gehorchen muss, war in vergangenen Jahrhunderten das A und O aller Erziehung und wurde niemals in Zweifel gezogen", schreibt Johanna Haarer 1934 in ihrem hunderttausendfach verkauften Erziehungsratgeber "Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind".

Sie propagiert darin die bindungs- und emotionslose Erziehung, weil ansonsten aus Kinder kleine Terroristen würden, die jeder Familie das Leben schwer machen.

Mangel als Ideal

Johanna Haarer empfiehlt, den Kindern nur zu bestimmten Zeiten und auch nur eine bestimmte Menge Essen und Trinken anzubieten. Würde das Kind in der vorgegebenen Zeit nichts essen, müsse es eben Hunger und Durst ertragen.

"Sie war Lungenfachärztin, und Ärzte waren damals unangefochtene Autoritäten in der Gesellschaft."
Miriam Gebhardt, Historikerin

Wenn ein Kind schreit, solle man darauf nicht reagieren, sondern warten, bis es sich von allein beruhigt hat. Derartige Erziehungsprinzipien wurden während der NS-Zeit von vielen Müttern und Vätern in die Tat umgesetzt – mit langfristigen Folgen.

Generationen mussten leiden

Denn Kinder lernen von ihren Eltern vor allem non-verbal, also nachdem was sie tun und nicht so sehr, was sie sagen. Deshalb werden versteckte Verhaltensmuster, die die Eltern als Kinder gelernt oder unter denen sie gelitten haben, an die nächste Generation weitergegeben.

"Haarers Schriften werden zuletzt 1987 gedruckt. Ihre Ideen aber leben weiter. Sie haben sich längst eingenistet ins Denken vieler Eltern."
Armin Himmelrath, Deutschlandfunk-Nova-Reporter, über die späte Wirkung Johanna Haarers

Das gilt umso mehr, weil der Ratgeber "Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind" nach 1945 unter dem Titel "Die Mutter und ihre erstes Kind" auch in der Bundesrepublik bis 1987 erfolgreich gedruckt und verkauft wurde. In den Nachkriegsausgaben waren lediglich jene Passagen entschärft worden, die eindeutig der NS-Propaganda entsprachen.

Ihr hört in Eine Stunde History:

  • Die Historikerin Miriam Gebhardt berichtet über Johanna Haarer und ihren Werdegang.
  • Die Salzburger Erziehungswissenschaftlerin Sabine Seichter beschäftigt sich mit dem Begriff der "Schwarzen Pädagogik".
  • Die Pädagogin Nina Kolleck erläutert, wie sich Erziehungsideale von einer auf die nächste Generation übertragen können und damit fortdauern, auch wenn sie längst als falsch erkannt wurden.
  • Der Deutschlandfunk Nova - Geschichtsexperte Dr. Matthias von Hellfeld erklärt, wie Kinder in früheren Jahrhunderten gesehen und behandelt wurden.
  • Deutschlandfunk-Nova-Reporter Armin Himmelrath setzt sich mit einigen pädagogischen Leitlinien von Johanna Haarer auseinander.
Shownotes
Schwarze Pädagogik
Johanna Haarer und die Erziehung im NS-Staat
vom 10. Oktober 2025
Moderation: 
Markus Dichmann
Gesprächspartner: 
Dr. Matthias von Hellfeld , Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte
  • Die Historikerin Miriam Gebhardt berichtet über Johanna Haarer und ihren Werdegang.
  • Die Historikerin Sabine Seichter klärt den Begriff der "Schwarzen Pädagogik".
  • Die Pädagogin Nina Kolleck erläutert, wie sich Erziehungsideale übertragen können.