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Die Alten reden, die Jungen sollen ran: Beim Streit um den Wehrdienst fehlt die Generation, die es betrifft, findet der Aktivist Simon Marian Hoffmann. Er fordert: Junge Stimmen müssen gehört werden. Und fordert deshalb einen Jugendrat für die Politik.

Der neue geplante Wehrdienst war in der Regierungskoalition eines der Streitthemen in den letzten Wochen. Ende August erst hat das Bundeskabinett ein freiwilliges Wehrdienstmodell beschlossen, mit dem Ziel, mehr Menschen für die Bundeswehr zu gewinnen. Die Diskussionen drehen sich nun darum, was passiert, wenn sich nicht genug Freiwillige melden.

Zur Debatte steht etwa, ob dann alle jungen Männer gemustert oder per Losverfahren diejenigen bestimmt werden sollen, die einen Pflichtdienst leisten müssen. Würde aus einem freiwilligen Wehrdienst dann doch eine Art Wehrpflicht? Bei Union und SPD gibt es dazu noch keine Einigung.

Jugend in der Wehrdienstdebatte zu wenig gehört

Den 29-jährigen Simon Marian Hoffmann stört einiges an der Debatte. Als Aktivist setzt er sich dafür ein, dass die vielfältigen Stimmen von jungen Menschen in unserer Demokratie gehört werden, sagt er. Seiner Ansicht nach werde gerade über die Jugend verfügt, ohne sie wirklich einzubeziehen – außer wenn es darum gehe, Wehrdienst zu leisten.

"Hier wird einfach über eine Jugend verfügt, die nicht anders beteiligt wird als an der Demokratie, als jetzt den Wehrdienst zu leisten."
Simon Marian Hoffmann, Generation Machtlos

Als Kind habe ihn die Vorstellung, zum Militär zu müssen, verängstigt, und er sei froh gewesen, dass die Wehrpflicht abgeschafft wurde. Jetzt sorge er sich um die junge Generation, die ohnehin durch Krisen stark belastet sei. Es macht ihn wütend, dass ihre Perspektiven gefährdet würden, indem ältere Generationen versuchten, ihre Konflikte auf sie abzuwälzen, sagt er.

Jugendrat für den Bundestag gefordert

Simon fordert eine neue Debatte und mehr Verantwortungsbewusstsein der älteren Politikgeneration. Er warnt vor einem Generationenkonflikt, in dem sich junge Menschen abgehängt fühlen, während von ihnen verlangt werde, für die Älteren zu kämpfen. "Wenn eine Wehrpflicht kommen soll, dann muss es zumindest die Jugend gefragt werden, ob sie das möchte oder nicht", sagt er.

Der Austausch mit Abgeordneten hätte gezeigt, dass es eine feste Instanz beim Bundestag brauche – etwa einen ausgelosten Jugendrat. Die Mitglieder sollen zwischen 14 und 28 Jahren alt sein, zum Wehrdienst beraten und Empfehlungen erarbeiten. Die sollten dann in den Bundestag gehen, bevor dort irgendetwas entschieden werde. Seine Petition darüber hat bereits über 70.000 Unterschriften gesammelt.

Wehrpflicht – Zustimmung sinkt mit dem Alter

Umfragen zum Thema Wehrdienst oder Wehrpflicht zeigen ein gemischtes Bild. Laut einer Greenpeace-Umfrage von September lehnt die Mehrheit der 16- bis 25-Jährigen die Wehrpflicht ab. In anderen Erhebungen vom Juli spricht sich unter 18- bis 30-Jährigen eine knappe Mehrheit dafür aus. Insgesamt zeigt sich: Die Zustimmung zu Wehrpflicht oder Wehrdienst sinkt mit dem Alter. Ältere, die selbst nicht betroffen wären, befürworten die Wiedereinführung eher.

Claudia Rizzi, Professorin für politische Theorie und Ideengeschichte an der Universität Trier, kann das Gefühl junger Menschen gut verstehen, dass ihre Stimme weniger zähle, als die der Älteren, sagt sie.

"Ich verstehe diese Sorge und das Gefühl von: 'hier nicht so viel zu melden wie die Älteren.'"
Claudia Ritzi, Politikwissenschaftlerin

Die Politikwissenschaftlerin erklärt, dass sich nicht eindeutig festlegen lasse, ab welchem Alter Menschen politisch mitbestimmen sollten. Dennoch gebe es Grund, darauf zu vertrauen, Gehör zu finden: Befragungen zeigen, dass Abgeordnete im Bundestag sich aufrichtig bemühen, die Interessen aller Bürgerinnen und Bürger unabhängig von Alter, Geschlecht oder Lebenssituation, angemessen zu vertreten.

Politik – Eigeninteressen treffen auf Gemeinwohl

Die Politikwissenschaftlerin erklärt, dass junge Menschen großes Interesse daran haben, möglichst früh wählen zu dürfen, und grundsätzlich starkes politisches Interesse zeigen. Es sei ein Irrtum zu glauben, dass junge Erwachsene Politik für ihr Leben irrelevant fänden.

Gleichzeitig weist sie darauf hin, dass heute weniger junge Menschen aktiv in Parteien oder Gewerkschaften mitarbeiten als früher. Zwar bestehe große Bereitschaft, politisch mitzuwirken, doch bei kontinuierlicher Beteiligung zeige sich ein Defizit.

„Wenn man von einer politischen Entscheidung betroffen ist, dann hat man immer auch eine ganz starke Eigeninteressenperspektive“
Claudia Ritzi, Politikwissenschaftlerin

Die Situation bei der Wehrdienstdebatte sei besonders, weil eine politische Entscheidung die Gruppe direkt betreffe, die aktuell noch nicht wählen darf und im Bundestag nicht vertreten ist. Dadurch entstehe eine starke Perspektive der Eigeninteressen, ähnlich wie Themen wie Erbschaftssteuer oder Kita-Gebühren.

Rizzi betont jedoch, dass Politik Lösungen für das Gemeinwohl entwickeln soll. Deshalb sei es nicht sinnvoll, nur die unmittelbar Betroffenen zu fragen, sondern wichtig, die Interessen der Gesellschaft insgesamt in den Blick zu nehmen.

Demokratie braucht Mechanismen für Zukunft und Nachhaltigkeit

Für das Gelingen der Demokratie sei entscheidend, dass wichtige Themen gut debattiert werden, angemessen in die Parlamente gelangen und im Sinne der Zukunftsfähigkeit der Gemeinschaft berücksichtigt werden. Allein die Verantwortung jungen Menschen zu überlassen, löse die Probleme nicht.

"Solche Themen primär in die Hände von Jüngeren zu legen, das wäre noch nicht die Problemlösung"
Claudia Ritzi, Politikwissenschaftlerin

Zentrale Mechanismen seien vielmehr die Verankerung von Grundrechten, die Klimaschutz berücksichtigen, oder die Verantwortung der Politik durch das Verfassungsgericht, Entscheidungen auf Nachhaltigkeit zu prüfen. Solche demokratischen und rechtsstaatlichen Instrumente seien entscheidend, um langfristig Fortschritt zu sichern.

Die Idee eines Jugendrats findet Claudia Rizzi gut. Beratungsinstitutionen in modernen Demokratien seien sehr wichtig. Bei der Wehrdienstdebatte könne der Rat dabei helfen, die Perspektive junger Menschen einzubringen.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an unboxingnews@deutschlandradio.de

  • Unboxing News
  • Moderation: Rahel Klein
  • Gespräschspartner: Simon Marian Hoffmann, Generation Machtlos
  • Gespräschspartnerin: Claudia Ritzi, Politikwissenschaftlerin