Pass auf, dass du dir keinen Zug holst! - Diesen Spruch haben die meisten vermutlich schon einmal von einem besorgten Elternteil oder von der Oma gehört. Wir wollten wissen, ob tatsächlich etwas dran ist an der Sorge um den Windzug und haben mit einem Mediziner gesprochen.

Die einen sagen: Na und? Das macht mir doch gar nichts. Ich habe es gerne, wenn mir der Fahrtwind über den Nacken streicht. Andere sind sehr empfindlich, schließen Türen und Fenster und fürchten die nächste Erkältung oder einen verspannten Nacken.

Michael Wünning, Chefarzt in der Notaufnahme am Marienkrankenhaus in Hamburg sagt: "Das ist kein Mythos, das stimmt durchaus - weil unser Körper versucht, sich konstant in einer bestimmten Betriebstemperatur zu halten. Damit die Zellen keinen Schaden nehmen."

Zugluft kann Körperzellen schädigen

Bei Zugluft streicht nun also über einen längeren Zeitraum permanent Luft über bestimmte Körperstellen, das führt zu einer permanenten Abkühlung der Muskulatur, über die die Luft geht, so der Mediziner. Diese Abkühlung ist allerdings so gering, dass die Sensoren, die normalerweise auf Hitze oder Kälte anspringen, nicht reagieren.

Das Problem: Die Körperstelle, über die die Zugluft permanent geht, kühlt aus. Die Gefäße ziehen sich dann in der Kälte zusammen, die Muskeln werden nicht mehr so gut durchblutet und geben einen Teil ihrer Funktionen auf, indem sie verkrampfen.

"Es kann sein, dass da schon mal eine richtige Kaskade von Muskelschmerzen ausgelöst wird."
​Michael Wünning, Chefarzt in der Notaufnahme am Marienkrankenhaus in Hamburg

Besonders gefährdet sind im Sommer die Nackenmuskeln, weil wir sie nicht durch Schals oder Rollkragenpullis bedecken, so wie im Winter. Da die Muskeln im Rücken miteinander in Verbindung stehen, kann eine Verspannung im Nacken zu weiteren Schmerzen führen: "Da kann es sein, dass da schon mal eine richtige Kaskade von Muskelschmerzen ausgelöst wird", sagt Wünning. 

Muskelschmerzen. Rückenschmerzen, Kopfschmerzen – die Folgen eines Windzugs können sehr vielfältig sein. Der Arzt vergleicht den Effekt mit einem Klötzchenturm: Wenn wir ein Klötzchen rausziehen, verändert sich die ganze Statik des Turmes. Und so ist das auch mit unserem Körper, wenn einzelne Muskeln verkrampfen.

Es gibt aber auch noch andere Folgen durch Zugluft: Trifft die Luft auf den Hals oder auf die Schleimhäute, zum Beispiel auf die Rachenschleimhaut, trocknet die Schleimhaut aus. Sie schützt uns dann nicht mehr gegen sowieso vorhandene Viren und Bakterien. "Die dringen dann ein und verursachen Erkältungskrankheiten", erklärt Wünning, "die grassieren um diese Jahreszeit häufig unter dem Begriff Sommergrippe".

So können wir uns vor Zugluft schützen

Der Mediziner hat ein paar Tipps, wie sich diejenigen, die anfällig für Zugluft sind, schützen können:

  • Bei Zugluft Hals und Nacken bedecken – entweder mit einem Tuch oder einfach den Kragen hochklappen
  • drauf achten, dass wir nicht nass geschwitzt im Cabrio oder mit dem Fahrrad fahren, denn durch den Schweiß entsteht sogenannte Verdunstungskälte, die den Effekt noch verstärkt
  • richtig lüften
  • Klimaanlagen nicht zu kühl einstellen

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Shownotes
Medizin
Pass auf mit der Zugluft!
vom 17. Juli 2018
Gesprächspartner: 
Michael Wünning, Chefarzt in der Notaufnahme am Marienkrankenhaus in Hamburg
Moderator: 
Ralph Günther