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Zwei Jahre nach dem Hamas-Massaker mit etwa 1200 Toten: Was hat der 7. Oktober verändert – für Israel, Gaza, aber auch konkret bei uns? Ron Dekel ist Präsident der Jüdischen Studierendenunion und sagt: Der Hass gegen Jüdinnen und Juden hat zugenommen.

Für Ron Dekel, Präsident der Jüdischen Studierendenunion Deutschland, war der 7. Oktober 2023 ein Wendepunkt – nicht nur für Israel, sondern auch für das jüdische Leben hierzulande. Er beschreibt den Tag als tiefe Zäsur:

"Ich kenne kaum junge Jüdinnen und Juden, die keine Freunde verloren haben. Ganze soziale Umfelder sind zerbrochen."
Ron Dekel, Präsident der Jüdischen Studierendenunion Deutschland

Dekel betont, dass viele jüdische Studierende seitdem ihren Alltag als unsicher empfinden. An den Universitäten habe der offene Antisemitismus zugenommen, Schmierereien und Beleidigungen gehörten inzwischen fast dazu. Viele junge Menschen würden sich zurückziehen, ihre jüdische Identität im Netz oder im Studium nicht mehr zeigen. Für ihn ist das kein Einzelfall, sondern ein strukturelles Problem: Der 7. Oktober habe Antisemitismus in Deutschland sichtbarer und für manche wieder "sagbar" gemacht.

"Es reicht, jüdisch zu sein"

Ron Dekel selbst ist mehrfach attackiert worden. Videos von ihm kursierten online, er erhielt Morddrohungen. Wer sich gegen Judenhass engagiere, werde sofort zur Zielscheibe, erzählt er.

"Es reicht, jüdisch zu sein – vor allem öffentlich jüdisch zu sein."
Ron Dekel, Präsident der Jüdischen Studierendenunion Deutschland

Dass Antisemitismus schon lange existierte, ist ihm bewusst. Er sieht eine Kontinuität, die sich in Krisen immer wieder Bahn bricht – ob während der Pandemie oder in Reaktionen auf den Nahostkrieg.

Viele hätten damals den gelben Stern mit der Aufschrift "ungeimpft" getragen, erinnert er. Für Dekel war das ein Missbrauch von Symbolen und eine Relativierung des Holocaust, die nun erneut in Teilen der Gesellschaft wiederkehre.

"In manchen Kreisen ist es inzwischen fast cool geworden, nach einer Intifada zu rufen."
Ron Dekel, Präsident der Jüdischen Studierendenunion Deutschland

Der 23-Jährige kritisiert, dass besonders an Hochschulen Solidarität fehle. Zwar werde an Gedenktagen viel erinnert, aber im Alltag schaue man weg, wenn jüdische Kommiliton*innen angefeindet würden. Nach seiner Beobachtung ist das Erinnern oft ritualisiert, während echter Schutz und Empathie fehlen.

"Wenn es wirklich darauf ankommt, jüdisches Leben in Deutschland zu schützen, wird schnell weggeschaut."
Ron Dekel, Präsident der Jüdischen Studierendenunion Deutschland

Dekel glaubt trotzdem an eine Zukunft für Jüdinnen und Juden in Deutschland. Das Grundgesetz sei aus den Lehren des Holocaust entstanden, sagt er – und genau daran halte er sich fest. Trotz der Bedrohung wolle er bleiben und für eine offene, demokratische Gesellschaft eintreten.

"Man hört das Artilleriefeuer – aber niemand zuckt mehr“

Während Dekel in Berlin Mahnwachen organisiert, steht ARD-Korrespondentin Bettina Meier in Israel auf dem Gelände des früheren Nova-Musikfestivals. Nur wenige hundert Meter vom Gazastreifen entfernt erinnert der Ort heute an die über 360 Menschen, die dort von Hamas-Kämpfern ermordet wurden.

"Das ist ein unglaubliches Zusammenrücken, was ich hier erlebe unter den Familien. Man hört ständig Artilleriefeuer, aber die Menschen zucken kaum noch – sie haben sich daran gewöhnt."
Bettina Meier, ARD-Korrespondentin in Israel

Meier beschreibt, wie Eltern die Fotos ihrer getöteten Kinder reinigen, Blumen niederlegen und Bäume pflanzen – als Zeichen des Erinnerns und Weiterlebens. Die Trauer sei allgegenwärtig, sagt sie. Viele Angehörige empfänden sie heute noch stärker als im ersten Jahr nach dem Angriff.

Hoffnung trotz allem

Trotz der Gewalt und der andauernden Angst bleibe der Wunsch nach Zukunft. In Israel hofften viele Familien auf eine Freilassung der noch verbliebenen Geiseln, erzählt Meier. Und auch Dekel sagt, dass Hoffnung für ihn und seine Generation kein leerer Begriff sei:

"Nach zwei Jahren ist es wirklich schwer, aber natürlich haben wir Hoffnung."
Ron Dekel, Präsident der Jüdischen Studierendenunion Deutschland

Für ihn bedeutet diese Hoffnung, dass jüdisches Leben in Deutschland nicht nur weiterexistieren, sondern sichtbar bleiben soll – gegen jede Einschüchterung.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an unboxingnews@deutschlandradio.de

Shownotes
"Es reicht, jüdisch zu sein"
Wie Juden in Deutschland den Hass erleben
vom 07. Oktober 2025
Moderatorin: 
Ilka Knigge
Gesprächspartner: 
Ron Dekel, Präsident der Jüdischen Studierendenunion
Gesprächspartnerin: 
Bettina Meier, ARD-Studio Tel Aviv