Das Bierchen zum Fußball-Spiel oder der Wein zum virtuellen Spieleabend – seit der Corona-Pandemie haben viele von uns auch mal etwas alleine getrunken. Doch wie viel alleine Trinken ist okay? Ist das überhaupt okay? Die Frage "Warum trinke ich gerade?" kann bei der Einordnung helfen.
Bei unserer kleinen, nicht-repräsentativen Umfrage auf Instagram scheiden sich die Geister: Für 30 Prozent ist alleine Trinken ein absolutes "No Go" und "gefährlich", für die restlichen 70 Prozent ist es völlig okay, sich ein kaltes Bierchen oder ein Glas Wein alleine zu gönnen, – solange es eben im Rahmen bleibt und nicht zur Gewohnheit wird.
Expertinnen sehen das ähnlich wie die meisten Befragten: "Gegen Genuss ist nichts einzuwenden", sagt beispielsweise die Suchtexpertin Silke Biester von der Suchtberatung der Caritas in Berlin. Mal ein Glas Wein zum Essen oder ein Bier beim Fußball Schauen, das geht noch in Ordnung.
"Gegen Genuss ist nichts einzuwenden."
Es sollte aber nicht zu viel und auch nicht zu regelmäßig werden. Um herauszufinden, ob der eigene Konsum noch im Rahmen ist, sollte man sich bei jedem Glas fragen, warum möchte ich jetzt trinken? Wer aus Langeweile und Frust und nicht aus Lust auf den Geschmack trinkt, sollte sein Trinkverhalten unbedingt überdenken.
Trinken aus Langeweile oder Einsamkeit ist keine gute Idee
Denn neben der Menge und der Regelmäßigkeit ist das Motiv wichtig. Oft fühle man sich vielleicht zuhause einsam und wisse nicht so recht etwas mit sich anzufangen. Alkohol scheine da eine der einfachsten Lösungen zu sein, sagt Silke Biester. Trinken gegen Langeweile, Einsamkeit oder vielleicht auch Stress – das ist nie eine gute Idee.
"Es stellt sich vielleicht eine gewisse Leere her, weil ich alleine abends sitze, dann ist Alkohol immer so die scheinbar einfachste Lösung."
Dass Fitnessstudios und andere Sporteinrichtungen geschlossen sind, macht die Situation für viele noch schwieriger. Die Suchtexpertin Liane Duesenberg vom Blauen Kreuz in Coburg berichtet beispielsweise, dass sich bei ihr seit dem Lockdown mehr Menschen gemeldet haben, die ihren Frust und Stress bisher im Sport abgelassen hätten. Vielen falle es zudem durch die Home-Office-Situation zuhause schwer, Arbeit von Freizeit zu trennen und sie griffen deshalb zur Flasche.
Alkoholkonsum weltweit angestiegen
Den gestiegenen Alkoholkonsum seit der Pandemie belegen auch mehrere Umfragen aus den letzten Monaten aus Großbritannien, den USA und Deutschland. Laut dem Global Drug Survey ist beispielsweise bei fast einem Drittel der deutschen Befragten der Alkoholkonsum gestiegen.
Oft kann sich dieser erhöhte Konsum zuhause ganz nebenbei einschleichen. Denn Zuhause würden wir es – anders als in Bars oder Restaurants – nicht so merken, wie viel wir eigentlich trinken, erklärt Liane Duesenberg. Der Vorgang des Bestellens und Kaufens fehle einfach.
Eher ältere Menschen gefährdet
Nach Einschätzungen von Liane Duesenberg und ihren Kolleginnen seien es aber nicht die jungen Menschen, sondern vor allem die Menschen mittleren und älteren Alters, die seit dem ersten Lockdown mehr trinken würden.
"Gerade Menschen im mittleren Alter und auch ältere, da merken wir schon eine Steigerung des Alkoholkonsums."
Besonders gefährdet sind zudem Menschen, die an Depressionen leiden, diejenigen, die sich sehr einsam fühlen und die Menschen, die auch vor der Pandemie mit einem Alkoholproblem zu kämpfen hatten. Denn wer vorher schon getrunken hat, trinke jetzt oft noch mehr, sagt die Suchtexpertin Liane Duesenberg.
Die "Lust am Rausch"
Zum Suchtverhalten von Alkoholabhängigen hat eine neue Studie aus den USA noch weitere Erkenntnisse gebracht und damit den bisher gängigen Suchttheorien widersprochen. Bisher ist man davon ausgegangen, dass Menschen im Laufe ihrer Alkoholsucht eine immer höhere Dosis brauchen, um einen Rausch zu erleben. Die Forschenden der neuen Studie sagen allerdings, dass der Rausch nach jahrelangem Alkoholkonsum nicht nur gleich bleiben, sondern sich auch erhöhen kann. Zudem haben sie herausgefunden, dass nicht jede Person gleich anfällig für einen Rausch ist.
Manche sind empfänglicher für den Rausch
Denn bei den untersuchten Probandinnen und Probanden stellte sich heraus, dass die Personen, die bereits in den 20er Jahren starke Gefühle wie Euphorie oder Entspannung durch Alkoholkonsum erfahren hatten, in ihren 30ern sogar noch mehr davon wahrgenommen hatten. Personen, bei denen der Rausch nicht so ausgeprägt war, hätten dagegen auch in späteren Jahren ihren Alkoholkonsum im Griff.
Eine der Hauptautorinnen der Studie möchte diese Erkenntnisse nicht nur in der Therapiearbeit einsetzen, um den Suchtkranken zu helfen, ihr Verhalten besser zu verstehen, sondern bereits in der Präventionsarbeit. Wer früh genug wisse, welcher Alkoholtyp er sei und wie ausgeprägt der Rausch ist, der könne vielleicht schon rechtzeitig den eigenen Alkoholkonsum kontrollieren.
Ihr habt das Gefühl, euer Alkoholkonsum ist seit der Pandemie gestiegen und ihr sucht Hilfe? Die Telefonberatung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bietet unter der Nummer 0221892031 eine Suchtberatung an. Für eine Online-Beratung könnt ihr euch beispielsweise hier anmelden.