Wir brauchen nicht mehr, sondern weniger Kliniken in Deutschland, dann wird alles besser. Das sagt eine neue Studie, die die Bertelsmann-Stiftung veröffentlicht hat.

Auf dem Land gibt es meistens deutlich weniger Ärzte und Krankenhäuser als in den Städten. Die ärztliche Versorgung in den unterschiedlichen Regionen Deutschlands ist schon lange ein Thema. Die neue Studie der Bertelsmann-Stiftung wirkt da schon fast provokativ. Sie schlägt vor, die Zahl der Krankenhäuser von 1400 auf 600 zu reduzieren – also auf weniger als die Hälfte. Und die Versorgungssituation soll dadurch sogar besser werden.

"Etwa 1400 Krankenhäuser gibt es aktuell in Deutschland. Die Studienautoren sagen: 600 würden ausreichen – und die Situation verbessern."
Jakob Vogel, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichten

Bei einem Notfall ist es vor allem wichtig, möglichst schnell medizinische Hilfe zu bekommen, also in nächster Nähe eine Versorgungsmöglichkeit zu haben. Das ist aber nur die gefühlte Wahrheit, sagen die Experten, die die Studie gemacht haben. Nähe sei nur ein vermeintlicher Vorteil. Es bringe einer Patientin oder einem Patienten nur wenig, wenn sie oder er zwar eine Klinik um die Ecke hat, diese dann aber keinen Facharzt oder die technische Ausstattung für die jeweilige Erkrankung bereitstellen kann.

Studie: Nähe ist nur vermeintlicher Vorteil

Fazit der Studie: Besser, die Betroffenen gehen gleich zu den richtigen Experten. Das dauert dann zwar vielleicht länger, dafür wird den Patientinnen und Patienten aber auch besser und zielgerichteter geholfen. Dadurch würden Ärztefehler vermieden, also Komplikationen oder im schlimmsten Fall auch Todesfälle, sagen die Autoren.

"Die Kliniken, die erhalten bleiben sollen, müssen bestimmte Kriterien erfüllen, so die Studie. Es geht vor allem um die Größe."
Jakob Vogel, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichten

Die Studie schlägt vor, folgende Krankenhäuser zu erhalten:

  • Ein Krankenhaus sollte mindestens 200 Betten haben
  • Es sollte technisch auf dem neuesten Stand sein
  • Es sollte Spezialisten haben, die über umfangreiche Erfahrungen mit Notfallbehandlungen verfügen – vor allem, was Herzinfarkt- oder auch Schlaganfallpatienten angeht
  • Es sollte Fachabteilungen haben, die mit mindestens 25 Betten ausgestattet sind

Die Idee, die dahinter steht: Wo mehr operiert wird, gibt es mehr Erfahrung. Also werde dort auch besser behandelt.

Mehr Operationen = mehr Erfahrung

Die Autoren sagen, man brauche in Zukunft einerseits große universelle Versorgungskliniken mit durchschnittlich 600 Betten. Auf der anderen Seite müssten auch etwa 50 Universitäts- und andere Spezialkliniken etabliert werden, die mit rund 1300 Betten gut doppelt so groß sein sollten. Die Kliniken, die es heute in Deutschland gibt, haben meistens viel weniger Betten.

"Die deutschen Kliniken haben im Schnitt weniger als 300 Betten – ein Drittel davon sogar weniger als 100."
Jakob Vogel, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichten

Die Studienautoren sind überzeugt, dass sich die Umstellung auch auf die Personalsituation positiv auswirken würde – Stichwort Ärzte- und Pflegermangel in Deutschland. Die Fachkräfte würden nämlich an weniger Orten gebündelt.

Bisher ist es in Deutschland so, dass es mehr medizinisches Personal pro Einwohner gibt als in vergleichbaren Ländern. Auf den einzelnen Patienten gerechnet, steht allerdings weniger Personal zur Verfügung. Deutsche Krankenhäuser nehmen viel zu viele Patienten stationär auf, die man auch gut ambulant behandeln oder operieren könnte, sagt die Studie. Hier würden unnötig Kapazitäten verschwendet.

Shownotes
Ärztliche Versorgung in Deutschland
Studie: Weniger Kliniken bringen mehr
vom 15. Juli 2019
Moderation: 
Thilo Jahn
Gesprächspartner: 
Jakob Vogel, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichten