Erstmals hat ein Forschungsteam umfassend die Artenvielfalt in unserem Land untersucht. Ergebnis: Fast ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten sind bedroht. Wo die Ursachen dafür liegen und wie die Ökosysteme erhalten werden können.
Bislang gab es immer Mal wieder Einzelstudien zu Beständen bestimmter Tier- und Pflanzenarten und ihren Lebensräumen. Ganzheitlich wurde das allerdings noch nicht erfasst – bis jetzt. Für den Faktencheck Artenvielfalt haben 145 Forschende aus insgesamt 78 Institutionen verschiedene Studien zusammengetragen – und zwar für fünf große Lebensräume: Agrar- und Offenland, Wald, Binnengewässer und Auen, Küsten und Küstengewässer sowie urbane Räume. Bei diesen verschiedenen Lebensräumen sind die Forschenden folgenden Fragen nachgegangen:
- Wie ändert sich die biologische Vielfalt?
- Was hat das für Konsequenzen für die Ökosysteme und damit auch für uns?
- Warum ändert sich die biologische Vielfalt vor Ort?
- Was sind die ökonomischen und gesellschaftlichen Triebkräfte dahinter?
- Was können wir tun, um eine Trendwende zu erreichen und wie stellen wir sicher, dass auch tatsächlich etwas für die Biodiversität passiert?
Forschende: Vielfalt der Lebensräume nimmt ab
Das Ergebnis: Die Forschenden haben festgestellt, dass die Vielfalt der Lebensräume abnimmt. Über die Hälfte der Lebensraumtypen in Deutschland sind demnach in einem ökologisch ungünstigen Zustand. Und: Fast ein Drittel aller Arten in den Roten Listen sind vom Aussterben bedroht oder stark gefährdet.
Besonders besorgniserregend ist die Situation nach Ansicht der Forschenden etwa in den Lebensraumtypen des Grünlands, also auf ehemals artenreichen Äckern. Dort seien beispielsweise die Populationen von Vögeln im Agrar- und Offenland in knapp 40 Jahren um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Als Beispiel werden Kiebitze genannt. Das liegt vor allem an der intensiven Landwirtschaft, sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Britta Fecke. Dadurch verlieren die Tiere ihren Lebensraum.
"Damit die großen Maschinen die Ackerflächen bearbeiten können, wurden Hecken und Bäume entfernt. Das sind aber Strukturen, die Insekten und Vögel brauchen."
Die toxischen Pestizide lassen die Insekten sterben – eine Nahrungsgrundlage vieler Vogelarten. Zudem gebe es immer weniger Schmetterlingsarten, sagt Alexandra-Maria Klein, Professorin für Naturschutz und Landschaftsökologie an der Universität Freiburg und eine der Leitautorinnen des Berichts: "Schauen Sie doch mal raus, dann sehen wir vor allem die Kohlweißlinge. Was sehen wir denn da noch großartig anderes?"
Negative Auswirkungen durch Industrie, Landwirtschaft und Verkehr
Die Verschmutzung von Ökosystemen durch Industrie, Landwirtschaft und Verkehr hat negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalt in Deutschland, so die Forschenden: Zahlreiche Schadstoffe wie Pflanzenschutz- und Arzneimittel sowie Mikroplastik und Schwermetalle sind – oft schon in geringen Konzentrationen – sehr schädlich.
Um gegenzusteuern, müssten die Lebensräume der Pflanzen und Tiere besser geschützt werden.
Eine Gegenmaßnahme: Konsum einschränken
Verschmutzung und Pestizide seien nur ein Problem, so der Faktencheck Artenvielfalt. Hinzu komme, dass viele Flächen noch immer für weitere Gewerbegebiete versiegelt werden, obwohl es genug leerstehende Gewerbeflächen gibt.
Eine Gegenmaßnahme wäre, gegen weitere Flächenversiegelungen zu protestieren, erklärt unsere Reporterin. Eine andere: den eigenen Konsum einschränken: "Denn jedes neue Paar Schuhe wurde in der Regel mit giftigen Chemikalien gefärbt. Das landet in Anteilen in der Umwelt, wenn auch nicht immer in deutschen Flüssen. Aber Biodiversitätsverlust ist ja auch ein globales Problem."