Den Staat Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch isolieren: Keine Konzerte dort, keine Reisen dorthin - damit Israel die Palästinensergebiete zurückgibt. Das ist das Ziel der weltweiten Kampagne BDS.

BDS steht für "Boycott, Divestment and Sanctions". Unter diesem Namen haben sich verschiedene Gruppen zusammengeschlossen, die im Detail durchaus unterschiedliche Positionen haben, erklärt Floris Biskamp, Soziologe an der Uni Kassel. Der gemeinsame Nenner bei allen: die anti-israelische Haltung.

"BDS ist keine zentral geführte Organisation, sondern eher eine lose koordinierte Kampagne."
Floris Biskamp, Soziologe

Prominente Unterstützer

Vor allem in Großbritannien hat die BDS-Kampagne Unterstützer, sagt Biskamp, weniger in Frankreich oder auch Deutschland. Die Musiker Brian Eno, Pink-Floyd-Mitgründer Roger Waters und Richard Ashcroft, Frontmann von The Verve, unterstützen BDS zum Beispiel. Und genau das wird ihnen jetzt vorgeworfen. 

"Die BDS-Anhänger wollen den Staat Israel und die israelische Gesellschaft als ganze - Musiker, Universitäten und so weiter – akademisch, kulturell und ökonomisch isolieren."
Floris Biskamp, Soziologe

Das offizielle Ziel der Kampagne ist, durch die gesellschaftliche Isolierung politischen Druck aufzubauen, damit die israelische Regierung gewisse Forderungen erfüllt. Die Hauptforderungen im Gründungsaufruf lauten: 

  1. Besetzung und Kolonisation allen arabischen Landes beenden. 
  2. Alle israelischen Sperranlagen im Westjordanland und um den Gazastreifen abreißen. 
  3. Das Grundrecht der arabisch-palästinensischen BürgerInnen Israels auf völlige Gleichheit anerkennen.
  4. Die Rechte der palästinensischen Flüchtlinge, in ihre Heimat und zu ihrem Eigentum zurückzukehren, wie es in der UN Resolution 194 vereinbart wurde, respektieren, schützen und fördern.
"Wenn man sich die Forderungen des BDS genauer anschaut, ist relativ klar, dass das auf das Ende Israels hinausläuft."
Floris Biskamp, Soziologe

Sollten etwa alle Nachkommen der arabischen Bevölkerung, die 1948 und 1967 aus dem Kernland Israel geflohen sind, nach Israel zurückkehren, erklärt Biskamp, wären das samt aller Nachkommen über fünf Millionen Menschen. Da in Israel überhaupt nur neun Millionen Menschen leben, sei relativ klar, dass allein die Erfüllung dieser vierten Forderung das Ende des Staates Israels bedeuten würde, so der Soziologe. 

Druck auf die israelische Politik

Die BDS-Aufrufe an Künstler, nicht in Israel aufzutreten, habe zum Ziel, der israelischen Bevölkerung klarzumachen, dass diese Druck auf ihre eigenen Politiker ausüben müsse, um an dieser Isolation etwas zu ändern. 

"Nach allem, was man über Friedens- und Konfliktforschung weiß, ist das keine erfolgversprechende Strategie. Wenn man so etwas wie Frieden will, braucht man Kontakt und keine Isolierung."
Floris Biskamp, Soziologe

"Israelbezogener Antisemitismus"

Die BDS-Kampagne insgesamt bezeichnet Biskamp als antisemitisch. Das heiße aber nicht, dass alle, die den Aufruf unterschrieben haben, Antisemiten sind. Und auch nicht, so Biskamp, dass alle Unterzeichner Juden hassen.

"In der Forschung heute ist man sich einig, dass Judenhass nur eine Form von Antisemitismus ist."
Floris Biskamp, Soziologe

Die israelische Politik – im Kernland und in den besetzten Gebieten – könne man kritisieren, ohne dass es antisemitisch wäre, so der Soziologe. 

Kate Tempest fühlt sich ungerecht behandelt

Ähnlich hat das wohl auch Kate Tempest gesehen. Sie hat "Artists for palestine" unterstützt – die stehen aber der BDS-Bewegung nah. Die britische Rapperin bekam daraufhin Drohungen und sagte ihr Konzert in Berlin im Oktober ab. Und das alles, obwohl Tempest selbst jüdischer Abstammung ist, wie die die 31-jährige auf ihrer Facebook-Seite schreibt: 

"Ich bin eine Person jüdischer Abstammung und zutiefst von den Vorwürfen, ich würde eine antisemitische Organisation unterstützen, verletzt. Die israelische Regierung ist nicht die einzige Stimme des Judentums."

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Shownotes
BDS-Kampagne
Was hinter dem Aufruf zum Israelboykott steckt
vom 02. Dezember 2017
Moderation: 
Ralph Günter
Gesprächspartner: 
Floris Biskamp, Soziologe, Uni Kassel