Die Zahl der Menschen, bei denen eine Migräne diagnostiziert wird, steigt. Vor allem bei Jüngeren: So leiden laut einer Untersuchung der Schmerzklinik Kiel zwei Drittel aller Studierenden in Deutschland unter Kopfschmerzen – 62 Prozent von ihnen bekommen auch Migräne. Die gute Nachricht: In manchen Fällen können schon einfache Veränderungen unseres Lebensstils dafür sorgen, dass wir seltener Migräne bekommen.

Kopfschmerzen und Migräne sind weit verbreitet. Bei Frauen treten die Schmerzen etwas häufiger auf als bei Männern. Unter milderen Kopfschmerzen leidet jede und jeder Dritte gelegentlich, jeder Fünfte regelmäßig, so die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft. Gelegentlich bedeutet dabei, dass der oder die Betroffene bis zu 14 Tage im Monat Schmerzen hat, regelmäßig heißt mehr als 15 Tage monatlich.

Dass die Zahlen von Migräne-Diagnosen steigt, heißt allerdings nicht automatisch, dass es mehr Erkrankte gibt. Möglich wäre auch, dass nur häufiger Diagnosen gestellt werden, wohingegen früher eine Migräne, aus welchen Gründen auch immer, unerkannt blieb. Nichtsdestotrotz sind sich Kopfschmerzspezialisten einig, dass die Tendenz zunehmend ist.

"Mehr dokumentierte Fälle heißt ja nicht automatisch: mehr Krankheit. Es kann ja auch sein, dass einfach nur mehr Diagnosen gestellt wurden."
Katrin Ohlendorf, Deutschlandfunk Nova

Normalen Spannungskopfschmerz kennt fast jeder: so ein Drücken, das aushaltbar ist und das in der Regel nicht stark einschränkt. Eine Migräne ist anders: Der Schmerz ist sehr stark, tritt oft einseitig auf und pocht oder pulsiert. Außerdem geht die Migräne häufig mit anderen Symptomen einher: Licht- oder Lärmempfindlichkeit, möglicherweise auch Üblichkeit oder Sehstörungen. Die Symptome können von Person zu Person sehr unterschiedlich sein, es gibt einen ganzen Katalog von Diagnose-Kriterien. Eine Migräne beeinträchtigt die Betroffenen sehr - An Sport oder Arbeit zum Beispiel ist bei einem Anfall kaum zu denken.

Genetische Veranlagung für Migräne

Mediziner nehmen an, dass wir mit einer genetischen Veranlagung für Migräne geboren werden. Allerdings hat auch unser Lebensstil Einfluss darauf, wie häufig und wie stark wir darunter leiden müssen, sagt die Leiterin des Westdeutschen Kopfschmerzzentrums in Essen, Dagny Holle-Lee. Umgekehrt können wir mit unserem Lebensstil aber demnach auch die Schwere der Symptome und die Anfallszahl senken.

Was wir vorbeugend gegen eine Migräne tun können:

  • Stress vermeiden
  • genug und regelmäßig schlafen
  • entspannen
  • regelmäßig essen
  • ausreichend trinken
  • Sport – dreimal in der Woche eine halbe Stunde moderater Ausdauersport reicht aus
"Man kommt mit der Veranlagung für Kopfschmerzen oder Migräne auf die Welt. Aber wie ausgeprägt das Ganze ist, hängt sehr vom Leben an sich ab. Mit viel Medienkonsum, mit sehr viel Stress, mit wenig Schlaf, vielleicht auch Alkohol- und Kaffeekonsum wird es eben schlechter."
Dagny Holle-Lee, Leiterin des Westdeutschen Kopfschmerzzentrums in Essen

Frei verkäufliche Kopfschmerzmittel helfen oft schon bei Kopfschmerzen und auch milder Migräne. Aber für manche Patientinnen und Patienten reicht das nicht aus. Ihnen können spezielle Migräne-Mittel helfen, sogenannte Triptane, von denen die meisten verschreibungspflichtig sind.

Neue Migränemittel funktionieren wie eine Impfung

Für diejenigen, denen nichts anderes hilft, gibt es seit Kurzem noch eine weitere Option: Seit 2018 gib es neue Präparate auf dem Markt, die wie eine Art Impfung prophylaktisch gegen Migräne wirken: sogenannte CRP-Antikörper, die einmal im Monat unter die Haut gespritzt werden.

Diese Medikamente sind allerdings sehr teuer, sodass Krankenkassen sie nur dann verschreiben, wenn alle anderen klassischen Mittel nicht helfen. Erste Erfahrungen zeigen, dass sie von Migränepatienten in der Regel gut vertragen werden. Allerdings lässt sich eine Migräne auch damit nur lindern, aber nicht heilen.

Schmerzmittel nicht zu häufig einnehmen

Für alle Medikamente gilt: Wir dürfen sie nicht zu viel einnehmen, denn sonst können sie selbst neue Kopfschmerzen verursachen – Akutmittel an mehr als zehn Tagen im Monat sind ein Risiko. Es bleibt also wichtig, immer auch auf die nicht medikamentösen Maßnahmen wie Sport, Entspannung oder regelmäßiges Essen zu achten. Und vor allem: sich gute Beratung zu holen von Kopfschmerz- und Migräne-Experten.

"Wenn man zu häufig akut Medikation einnimmt an mehr als zehn Tagen im Monat, dann machen diese Akutmedikamente selber Kopfschmerzen."
Shownotes
Chronische Kopfschmerzen
Migräne: Weniger Stress kann helfen
vom 15. Januar 2020
Moderator: 
Paulus Müller
Gesprächspartnerin: 
Katrin Ohlendorf, Deutschlandfunk Nova