Großbritannien verlässt die Europäische Union. Für Studierende fällt in Zukunft auch das Erasmus-Programm weg. Premier Boris Johnson argumentiert mit den Kosten – richtig überzeugend ist das nicht.

Die Beziehungen zwischen EU und Großbritannien werden nach dem Brexit voraussichtlich vertraglich geregelt sein. Das Abkommen ist in der Ratifizierungsphase und wird am 01.01.2021 zumindest vorläufig in Kraft treten (Stand 29.12.2020).

Die britische Regierung hat sich aber nicht entschlossen, der Europäischen Union den Rücken zu kehren, sie steigt nun auch aus dem europäischen Erasmus-Programm aus. Premierminister Boris Johnson begründet den Schritt mit den hohen Kosten. Er selbst war der Schüler der europäisch finanzierten Europäischen Schule in Brüssel.

Boris Johnson, Britischer Premierminister
"The UK is a massive contributor to the higher education economy. Over the last decades we had so many EU nationals study here and its been a wonderful thing. Erasmus was also extremely expensive."

Diejenigen, die schon eine Zusage für ihr Erasmus-Semester in Großbritannien haben, müssen sich aber keine Sorgen machen. Uta Staiger, Leiterin des European Institute am University College London, sagt: Erasmus-Gelder stehen bis Mai 2022 zur Verfügung.

"Das UCL, wie auch viele andere Universitäten, haben tatsächlich Erasmus-Gelder bis Mai 2022. Dementsprechend werden wir weiter an dem Programm teilnehmen."

Deutschlandfunk-Nova-Reporter Jan Bungartz weist darauf hin, dass die britische Regierung auch beim Erasmus-Programm einen Meinungswechsel vollzogen hat. Anfang 2020 hatte Boris Johnson noch verkündet, sich dafür einzusetzen, dass Großbritannien Teil des Erasmus-Programms bleibe.

Kosten als Argument

Die britische Regierung gibt nun an, es koste hunderte Millionen Pfund, Erasmus nach dem Brexit fortzuführen. Sie weist auch darauf hin, dass mehr Studierende aus anderen EU-Ländern ins Land gekommen sind als umgekehrt.

Die britischen Universitäten betonen hingegen den volkswirtschaftlichen Nutzen der einreisenden Erasmus-Studierenden. Diese hätten in Großbritannien jährlich rund 420 Millionen Pfund ausgegeben, schätzt der Dachverband Universities UK.

"Das könnte eine Milchmädchenrechnung sein. Die Dachorganisation britischer Universitäten hat errechnet, dass ausländische Erasmus-Studierende der Wirtschaft jährlich 420 Millionen Pfund bringen."
Jan Bungartz, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichtenredaktion

Ohne das Erasmus-Programm dürfte Großbritannien für europäische Studierende wegen der hohen Studiengebühren an britischen Universitäten unattraktiv werden. Außerdem brauchen auch Studierende in Zukunft ein Visum.

Nordirland als Ausnahme

Nur für britische Studierende, die ins Ausland gehen wollen, soll es in Zukunft ein Programm geben. Das will sich die Regierung gut 100 Millionen Pfund kosten lassen.

Das Auslaufen des Erasmus-Programms betrifft neben England auch Studierende in Schottland und Wales. Nur für Nordirland gibt es eine Ausnahmeregelung. Dort sorgt voraussichtlich die irische Regierung finanziell dafür, dass das europäische Austauschprogramm fortgeführt werden kann.

Studierender in seiner Unterkunft an der Manchester Metropolitan University im September 2020
© imago images | Xinhua | Jon Super
Student in seiner Unterkunft an der Manchester Metropolitan University im September 2020

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Brexit und Studium
Aus für Erasmus-Programm in Großbritannien
vom 28. Dezember 2020
Moderatorin: 
Sonja Meschkat
Gesprächspartner: 
Jan Bungartz, Deutschlandfunk Nova