Die Gewalt in Syrien flammt wieder auf: Drusische Milizen, Beduinen und die Armee kämpfen, Israel bombardiert. Wir sprechen mit Alaa, dessen Familie betroffen ist, und mit Korrespondentin Nina Amin über den Konflikt – und was er für Syriens Zukunft bedeutet.
Alaa Alsaad ist 22, lebt in Heidelberg, studiert dort Politik- und Bildungswissenschaften. Seit Sonntag ist er pausenlos am Handy. In Whatsapp-Familiengruppen checkt er ständig, wie es seinen Verwandten in Syrien geht.
In seinem Heimatort Suwayda, im Süden Syriens, tobt ein neuer Konflikt zwischen drusischen Milizen, Beduinen, Regierungstruppen – und auch Israel mischt mit. Alaa ist seit 2014 in Deutschland und in Dresden aufgewachsen, doch die Vergangenheit lässt ihn nicht los.
"Ich mache mir sehr viele Sorgen. Manche Familienmitglieder erreichen wir aktuell nicht."
Alaa beschreibt die aktuelle Lage seiner Famile als erschütternd. Immer wieder tauchen neue Namen auf – von Toten, Bekannten, Verwandten. In Sprachnachrichten hört er Schüsse und Explosionen im Hintergrund. Die Angst ist allgegenwärtig.
Er berichtet, dass viele seiner Angehörigen seit Tagen in den Häusern festsitzen. Erst mit dem jüngsten Waffenstillstand hätten sich einige rausgetraut – um Leichen zu identifizieren und Beerdigungen zu organisieren. Doch die Unsicherheit bleibt.
"Das ist gerade eine ungreifbare Situation. Ich bin mit solchen Meldungen aufgewachsen – aber diesmal betrifft es direkt meine Familie."
Alaa betont, wie schwer es sei, den Konflikt aus der Ferne zu ertragen. Besonders erschreckend sei für ihn, dass fremde, bewaffnete Männer durch die Straßen fahren. Ob sie das Haus seiner Verwandten verschonen, bleibe Zufall.
Eskalation mit Ansage
Die Ursachen des Konflikts sind komplex – aber nicht neu. Nina Amin, ARD-Korrespondentin für Syrien, ordnet ein:
"Es war wohl ein Raubüberfall auf einen drusischen Händler. Daraufhin entführten Drusen Angehörige eines Beduinen-Stamms – und die Gewalt eskalierte."
Laut Amin haben die Drusen seit jeher den Wunsch nach Autonomie. Die Übergangsregierung wolle zwar Minderheiten einbinden – doch das gelingt nur teilweise. Auch Israel sei involviert – nach offizeller israelischer Lesart zum Schutz der Drusen, aber auch aus geopolitischen Interessen.
"Aktivisten berichten von über 350 Toten – bei den Drusen, bei Regierungstruppen, unter Zivilisten. Das war sehr, sehr brutal."
Nina Amin zufolge bombardiere Israel schon seit geraumer Zeit immer wieder Stellungen in Syrien – auch solche der syrischen Regierung. Offiziell diene das dem Ziel, die Grenzregion zu Israel zu entmilitarisieren.
Gleichzeitig sei Israel selbst militärisch in der Region präsent, auch in einer UN-Pufferzone, in der eigentlich ausschließlich UN-Kräfte erlaubt seien.
"Es gibt mahnende Worte in Richtung Israel. Gestern waren die Bombardierungen in Damaskus heftig. Das syrische Verteidigungsministerium wurde angegriffen."
Laut Amin gebe es inzwischen sogar Befürchtungen, dass sich das Vorgehen Israels in Syrien dem im Libanon annähere – mit regelmäßigen Luftangriffen trotz bestehendem Waffenstillstand.
Amin: Israel will keinen starken syrischen Präsident
Israel wolle in jedem Fall verhindern, dass sich ein starker syrischer Präsident etabliert. Das liege auch daran, dass die Übergangsregierung aus islamistischen Kämpfern hervorgegangen sei, denen man in Tel Aviv misstraue.
Zwar habe Übergangspräsident Al-Sharaa sich inzwischen vom Dschihadismus distanziert – Israel, so Amin, glaube ihm das jedoch nicht. Vor allem Premierminister Netanjahu traue ihm nicht.
"Er hat versprochen, das Land zu einigen. Aber seine Armee besteht aus ehemaligen Milizen, die oft eigene Ziele verfolgen."
Deshalb wolle Israel verhindern, dass sich die syrische Regierungstruppen in der Nähe der Grenze festsetzen – und gehe dabei militärisch sehr entschlossen vor.
Syriens Präsident Al-Sharaa habe zudem in dieser Region kaum Kontrolle, so Amin. Ob sich das Land dauerhaft stabilisieren kann, sei offen.
Hoffnung auf Rückkehr
Für Alaa steht fest: Der Sturz des Assad-Regimes hat nicht automatisch Sicherheit gebracht.
"Die Unsicherheit ist größer geworden. Die neue Regierung schützt Minderheiten nicht wirklich."
Er betont, dass sich viele Drusen in Syrien allein gelassen fühlen – sowohl von der eigenen Regierung als auch von der internationalen Gemeinschaft.
"Ich wünsche mir, dass ich irgendwann wieder nach Hause kann. Dass junge Menschen in Syrien die gleichen Chancen haben wie ich hier."
Trotz allem bleibt Alaa hoffnungsvoll. Er will Teil eines Syrien sein, das funktioniert – mit funktionierender Bildung, Infrastruktur und Sicherheit für alle.
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