Bisher machten sich Ärztinnen und Ärzte strafbar, wenn sie Menschen beim Suizid begleiteten. Das gilt nun nicht mehr, wenn der Suizid medizinisch nachvollziehbar ist. Wir haben mit einem Mediziner gesprochen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass Ärztinnen und Ärzte nicht dafür bestraft werden dürfen, dass sie den nachvollziehbaren Suizid eines Menschen begleiten.
Matthias Thöns ist Facharzt für Anästhesiologie, Notfall- und Palliativmedizin. Er begrüßt, dass das Urteil Medizinerinnen und Mediziner nicht mehr der folgenden Situation aussetzt: Im einen Moment müssen sie den Patientenwillen zur Beendigung des Lebens akzeptieren und dann im nächsten Schritt – bei Bewusstlosigkeit – unmittelbar zur Lebensrettung schreiten. Das nennt sich Garantenpflicht. Die Ausgangslage vor dem Urteil bezeichnet Matthias Thöns als absurd.
"Ich muss als Arzt akzeptieren, dass der Patient den Giftbecher trinkt. Sobald er das Bewusstsein verliert, muss ich ihn aufgrund der Garantenpflicht retten."
Dem Urteil zufolge machen sich Mediziner nicht grundsätzlich strafbar, wenn sie bei einem Suizid dabei sind und vor dem Tod nicht eingreifen. Die Garantenpflicht wird im Fall eines Suizids für Mediziner außer Kraft gesetzt. Wenn sich die Menschen, die Suizid begehen wollen, das gut überlegt haben, wenn sie nicht unter Druck gesetzt wurden, dann dürfen Ärztinnen und Ärzte diesen Menschen sterben lassen. Sie sind nicht mehr verpflichtet, sie wiederzubeleben.
Es ging um zwei Fälle, die von staatsanwaltschaftlicher Seite angestrengt worden sind.
- Ein Hamburger Arzt war dabei, als zwei über 80-jährige Frauen Suizid begangen haben. Die Frauen wollten, dass er dabei ist. Er sollte keinesfalls versuchen, sie wiederzubeleben.
- Im zweiten Fall war es ein Hausarzt in Berlin. Dieser hatte einer Frau mittleren Alters, die krank war und ständig unter starken Schmerzen litt, auch dann noch betreut als sie eine Überdosis Schmerzmittel genommen hatte.
Beide Ärzte wurden erstmal wegen Tötung durch Unterlassen angeklagt, weil sie die Frauen nicht wiederbelebt hatten. Die jeweils zuständigen Landgerichte hatten zwar beide Ärzte freigesprochen. Das Bundesverfassungsgericht hat nun entschieden, dass es bei diesen Freisprüchen bleibt. Dabei geht es nur um Fälle, in denen der Suizidwunsch medizinisch nachvollziehbar ist. Matthias Thöns geht in seinem Bereich etwa von einem von jährlich 400 Patientinnen und Patienten aus.
"Es geht ausschließlich um die ganz seltenen Fälle, wo dieser selbstbestimmte Gedanke nachvollziehbar ist – bei sehr schweren körperlichen Leiden zum Beispiel."
Hilfe im Notfall
Wenn du selbst von Suizidgedanken betroffen bist, versuche, mit anderen darüber zu sprechen. Das können Freunde oder Verwandte sein, müssen es aber nicht. Es gibt eine Vielzahl von Hilfsangeboten, bei denen du - auch anonym - mit anderen Menschen sprechen kannst. Eine Übersicht der Angebote findest du zum Beispiel bei der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.
Sofortige Hilfe erhältst du rund um die Uhr bei der Telefonseelsorge unter der kostenlosen Rufnummern 0800 - 111 0 111 und 0800 - 111 0 222. Und im Internet unter www.telefonseelsorge.de.
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