Die Meldung über einen möglichen Impfstoff aus Großbritannien gibt Hoffnung. Doch auch andere Impfstoffe sind auf einem guten Weg. Die Infektiologin Marylyn Addo geht allerdings davon aus, dass es keinen Impfstoff geben wird, der für alle funktioniert.

In einer Studie mit über 1.000 Test-Personen konnten Forschende der Oxford-Universität zeigen, dass ihr entwickelter Impfstoff-Kandidat wichtige, neutralisierende Antikörper und spezifische T-Zellen aktivieren kann. Außerdem ist er gut verträglich. Der mögliche Corona-Impfstoff wurde gegen einen schon zugelassenen Impfstoff getestet. Die Ergebnisse stimmen optimistisch, sagt Marylyn Addo. Sie leitet das Institut für Infektiologie am Universitätsklinikum in Hamburg.

Impfstoff geht in Phase Drei

Der mögliche Impfstoff hat nun erfolgreich Phase Eins und Zwei abgeschlossen und kommt nun in Phase Drei. In dieser Phase geht es vor allem um die Schutz-Wirkung, erklärt Marylyn Addo. Die Forschenden müssen nun also testen, wie gut der Impfstoff vor einer Infektion bewahren kann. Diese Tests werden dort durchgeführt, wo es noch viele Infektionen gibt, also beispielsweise in den USA oder Brasilien.

Die geimpften Test-Personen werden in dieser Phase nicht direkt Sars-CoV-2 ausgesetzt, sondern sie gehen in ihre normale Umgebung zurück. Der Impfstoff gilt als erfolgreich, wenn nach Abschluss der Phase unter den Geimpften die Zahl der Infektionen niedriger ist, als in der restlichen Bevölkerung.

Keine Human-Challenge Studie

Anders läuft es bei Studien, die ein Human-Challenge-Modell anwenden. Bei solchen Studien werden die Test-Personen absichtlich mit dem Virus infiziert, erklärt Marylyn Addo. Dieses Vorgehen ist sehr umstritten. Auf der Suche nach einem Impfstoff gegen Sars-CoV-2 gibt es derzeit keine solche Studien.

"Im Grunde wissen wir noch nicht, was schützende Immunität im Fall des Corona-Virus bedeutet."
Marylyn Addo, Leiterin der Sektion Infektiologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Marylyn Addo arbeitet zusammen mit einem Team ebenfalls an einem möglichen Impfstoff. Dabei messen sie bei einer natürlichen Infektion sowohl Antikörper als auch T-Zellen. Diese sind Teil des eigenen Immunsystems. Sie können die vom Virus befallene Körperzellen erkennen und abtöten. Aber: Bisher ist nicht klar, welche Reaktionen des Immunsystems schützen können, erklärt Marylyn Addo.

Breitere Immunantworten für mehr Wirksamkeit

Eine Immunantwort ist die Reaktion des Immunsystem auf eine fremde Substanz. Ist sie produktiv, dann hat sie die Beseitigung des fremden Reizes zum Ziel. Von anderen Virus-Erkrankungen weiß die Wissenschaft: Je breiter ein Impfstoff Immunantworten bilden kann, desto wirksamer ist er.

"Bei der Hepatitits-B Impfung reagieren auch nicht alle Geimpften mit Antikörpern – trotzdem sind sie geschützt."
Marylyn Addo, Leiterin der Sektion Infektiologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Viele Studien beobachten, dass einige Genesene keine Antikörper gegen das neuartige Coronavirus haben oder nur vorübergehend. Für Marylyn Addo ist das noch kein Grund zur Sorge. Denn: Auch bei früheren Coronaviren ließ sich das beobachten. Keine Antikörper bedeuten nicht zwangsläufig, dass eine Person nicht immun ist. Es kann zum Beispiel auch Gedächtniszellen im Immunsystem geben, die einen Schutz vor einer Wiederansteckung bieten können, erklärt Marylyn Addo.

Kein Impfstoff für alle

Die Chancen für den Erfolg des Impfstoffes der Oxford-Universität stehen derzeit gut. Marylyn Addo glaubt aber nicht, dass es einen Impfstoff geben wird, der für alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen passt. Wahrscheinlicher ist es, dass unterschiedliche Dosierungen und verschiedene Impfstoff-Prinzipien benötigt werden, so wie es beispielsweise auch bei der Grippe der Fall ist, sagt Marylyn Addo. Das sei auch gut so, denn so stehen mehr Kapazitäten zur Herstellung zur Verfügung.

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Shownotes
Marylyn Addo
Infektiologin: "Keine Antikörper bedeuten nicht unbedingt keine Immunität."
vom 21. Juli 2020
Moderator: 
Ralph Günther
Gesprächspartnerin: 
Marylyn Addo, Leiterin der Sektion Infektiologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf