Während das Wachstum bei uns Menschen eine lineare Angelegenheit ist, gibt es Tiere, die ihre Körpergröße variabel – gewissermaßen bedarfsgerecht - gestalten können. Die amerikanische Schwarzkopfmeise, die Spitzmaus, das Mauswiesel und der Hermelin sind dazu in der Lage.

Die, die nur ihr Hirn schrumpfen lassen 

Amerikanischen Schwarzkopfmeisen lassen im Herbst ihr Gehirn zunächst einmal wachsen, denn sie brauchen ein gutes Ortsgedächtnis. Die kleinen Vögel legen im Herbst zur Überbrückung des nahrungsarmen Winters oft bis zu mehrere hundert Nahrungsverstecke an. Bei Bedarf müssen sie diese wieder finden. 

Die kolossale Geistesleistung bewältigen die Meisen mit einem genialen Trick: Sie vergrößern im Herbst ihren Hippocampus um 30 Prozent, indem neue Nervenzellen angelegt werden. Der Hippocampus ist der Teil des Gehirns, der für die Orientierung und das Ortsgedächtnis zuständig ist. 

Schwarzkopfmeise (Poecile atricapillus).
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Schwarzkopfmeisen lassen ihr Hirn erst wachsen und dann wieder schrumpfen

Im Frühjahr, wenn die zusätzliche Gehirnleistung nicht mehr benötigt wird, lassen die Vögel ihr Hirn wieder auf Normalgröße zurückschrumpfen. Gesteuert, so vermutet die Wissenschaft, wird das Gehirnwachstum durch die vermehrte Ausschüttung von Östrogenen.

Schrumpfende Spitzmäuse

Spitzmäuse lassen im Winter nicht nur ihr Gehirn, sondern gleich den gesamten Körper inklusive Knochen und Organen schrumpfen. Dass Spitzmäuse im Winter schrumpfen, ist eigentlich eine altbekannte Tatsache. Dem polnischen Zoologen August Dehnel ist bereits vor etwa 70 Jahren aufgefallen, dass  "Winterspitzmäuse" deutlich kleiner sind als "Sommerspitzmäuse". Dieser sogenannte Dehnel-Effekt wurde jedoch von der Wissenschaftscommunity lange als Scheineffekt abgetan. Die gängige Erklärung lautete: Größere Spitzmäuse würden im Winter halt häufiger sterben, sodass eben nur noch kleinere Exemplare überleben würden. 

Deutsche Wissenschaftler vom Max Planck Institut in Radolfzell haben Spitzmäuse im Laufe des Jahres immer wieder unter ein Röntgengerät gelegt und Schädel und Knochen vermessen. Die Körper sind um 20 Prozent geschrumpft. Inneren Organe, selbst Rückgrat, Hirn und Schädelknochen inbegriffen. Im Frühjahr kehrte sich dann der Prozess um: Die Spitzmäuse nahmen wieder rund 15 Prozent an Größe zu. 

Weshalb schrumpfen die Tiere? 

Eine Regel im Tierreich besagt, dass kleine Tiere erheblich mehr Energie für die Versorgung von einem Gramm Körpergewicht bereitstellen müssen, als große Tiere. Also werden Spitzmäuse im Winter als Energiesparmaßnahme einfach kleiner. Durch die Reduktion ihrer Körpergröße verbrauchen sie weniger Energie.

Maximal ein Schrumpfzyklus

Weil die Tiere nicht wieder ihre Ausgangsgröße vor dem Herbst erreichen, könnte man annehmen, dass bei einem Schwund von jährlich fünf Prozent die Spitzmäuse irgendwann im Laufe ihres Lebens winzig klein sein müssten. Dass dem nicht so ist, hat mit der Lebensdauer der Spitzmäuse zu tun. Spitzmäuse werden maximal 13 Monate alt und durchlaufen deshalb diesen "Schrumpfungszyklus" nur einmal in ihrem Leben.

Wiesel
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Hermeline schrumpfen im Winter ebenfalls

Mit der Körperschrumpfung ist die Spitzmaus auch nicht alleine. Auch Mauswiesel und Hermelin lassen im Winter das Gehirn und auch den restlichen Körper schrumpfen.

Quellen

Shownotes
Das Tiergespräch
Wenn Tiere schrumpfen
vom 18. April 2018
Moderator: 
Markus Dichmann
Gesprächspartner: 
Mario Ludwig, Zoologe und Biologe