• Deutschlandfunk App
  • ARD Audiothek
  • Spotify
  • Apple Podcasts
  • Abonnieren

Auf deutschen Autobahnen gibt es laut ADAC rund 1.200 Baustellen. Dadurch entstehen zum Teil lange Staus. Jahrzehntelang wurden Straßen und Brücken vernachlässigt, jetzt sind sie marode. Wie bekommen wir das Problem in den Griff?

Vollsperrung oder wegen Baustellen nur eine Spur befahrbar? Wer auf deutschen Autobahnen unterwegs ist, hat gute Chancen, von einem Stau in den nächsten zu fahren. Werden die Milliarden, die der Bund jetzt mit dem Sondervermögen auch in Straßen investieren will, dabei helfen, dass der Verkehr wieder flüssiger wird? Verschiedene Expert*innen sagen: So schnell wird das nicht gehen.

"Wir hatten alleine in den letzten Monaten 1.200 Baustellen bundesweit. Das ist fast schon Rekord. Und jede Baustelle ist ein Nadelöhr, ein Problembereich, wo Stau entstehen kann."
Roman Sutold vom ADAC Nordrhein

Philipp ist 22 Jahre alt. Er hat 2024 seine Ausbildung zum Straßenbauer abgeschlossen und studiert parallel Bauwesen. Er weiß, wie hart die Arbeit auf den Autobahnbaustellen ist: "Von oben zum Beispiel sind es dann 30 Grad, die die Sonne auf einen brutzelt. Von unten der Asphalt mit 160 Grad, das ist eine sehr anstrengende Arbeit."

Wie aufwendig und langwierig eine Baustelle ist, hängt vom Schaden ab. "Der einfachste Fall wäre eigentlich, dass im Prinzip nur eine Deckensanierung vorgenommen wird." Wenn etwa die Grundbausubstanz noch in einem guten Zustand ist und nur Spurrillen entfernt werden müssen, sagt Philipp.

"Wenn aber beispielsweise auch der Boden unter der Straße beschädigt ist, ist es, als würde man eine komplett neue Straße bauen."
Philipp, Student und Straßenbauer

Manchmal wird auf Autobahnbaustellen im Schichtdienst gearbeitet – also rund um die Uhr. Und trotzdem fahren wir an Baustellen vorbei, auf denen nichts passiert. Philipp hat dafür eine Erklärung: "Das Problem ist einfach, dass es auch Arbeiten gibt, die man nicht so sieht. Zum Beispiel, wenn im Bereich von Entwässerungssystemen gearbeitet wird, da wird vielleicht mal mit einer Maschine gearbeitet und da ist vielleicht nur eine Handvoll Leute an dem Tag, während andere Leute auf anderen Baustellen eingesetzt werden, wo mehr Arbeit ist."

Beton muss härten – das braucht Zeit

Außerdem muss Beton aushärten. Und das erfordert Zeit. "Die Normfestigkeit wird nach 28 Tagen, also einem knappen Monat erst erreicht. Je nachdem, was man dann als nächstes machen will, muss man zumindest mal eine Woche oder gegebenenfalls auch länger warten", erklärt Philipp.

"Ich begeistere mich wirklich für die Planung von Straßen, für das Umsetzen draußen auf der Baustelle."
Stefanie Riedler, Bauingenieurin

Stefanie Rieder ist Bauingenieurin und Geschäftsführerin bei einer großen Baufirma, die Straßenbauprojekte plant und umsetzt. Sie kennt weitere Gründe, warum die Erneuerung und Sanierung von Straßen, Autobahnen oder Brücken meist sehr lange dauert. Ein Grund ist das sogenannte Planfeststellungsverfahren. Dabei geht sehr viel Zeit für die Genehmigungen von Bauprojekten drauf.

Um es kurz zu fassen: Jedes Bauprojekt erfordert sehr viel Bürokratie. Dazu gehört, dass Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden, damit die Straßen weiterhin sicher sind für die Autofahrenden, die an den Baustellen vorbei müssen. Und auf der anderen Seite müssen auch die Arbeiter geschützt sein – vor dem vorbeirauschenden Verkehr. Und für den Fall, dass doch mal ein Auto von der Fahrbahn abkommt.

"Das sind viele Rahmenbedingungen, die Autofahrer und Arbeiter auf der Baustelle schützen, damit es keine erhöhte Unfallgefahr gibt."
Stefanie Riedler, Bauingenieruin

Ein weiteres Hindernis sei Fachkräftemangel. Auch wenn es Bewerber*innen – zum Teil auch aus dem Ausland – gebe, fehle es an Personal, um etwa alle Baustellen rund um die Uhr zu besetzen.

Sanierung von Straßen: Ein Umsetzungsproblem

Das Problem mit den fehlenden Fachkräften sieht auch Roman Sutold. Er ist Leiter des Fachbereichs Verkehr und Umwelt beim ADAC Nordrhein und Interessenvertreter für den ADAC Nordrhein-Westfalen.

Roman Sutold sagt, dass das Problem mit den Autobahnen schon lange klar sei: "Bereits in den 2000er Jahren gab es Fachkommissionen, die festgestellt haben, dass wir eigentlich die Bestandsinfrastruktur, gerade die Brücken und Tunnelanlagen erneuern müssen." Die meisten Autobahnen wurden in den 1960er und 70er-Jahren gebaut, nun müssen auf einmal sehr viele gleichzeitig modernisiert werden. Und die Sanierung dauert sehr lange.

"Eigentlich müssten wir bundesweit jedes Jahr 200, 300 Brücken sanieren. Aber realistisch hatten wir 2024 nur 69 Brücken, die erneuert worden sind."
Roman Sutold, ADAC Nordrhein-Westfalen

Hinzukommt: Die Brücken und Tunnel sind damals noch mit ganz anderen Maßstäben geplant worden, erklärt der Experte. "Damals waren LKW um die 22 Tonnen schwer, heute um die 40 Tonnen. Das heißt, die Belastung der Infrastruktur war viel höher, als zu Beginn geplant worden ist", so Roman Sutold.

"Die Belastung der Infrastruktur war viel höher als zu Beginn geplant. Die Lebenszeit insbesondere der Brücken hat sich stark dadurch verkürzt."
Roman Sutold, ADAC Nordrhein-Westfalen

Er findet, die Politik habe das Problem so lange ignoriert, bis es nicht mehr ging. "Erst als die ersten Brücken Anfang der 2010er-Jahre dann ausgefallen sind, hat die Politik reagiert. Mittlerweile haben wir kein Erkenntnisproblem mehr und auch kein Finanzierungsproblem, würde ich sagen, sondern ein Umsetzungsproblem. Weil wir haben so viel Infrastruktur, die saniert werden muss oder erneuert werden muss, dass wir gar nicht genug Fachpersonal haben, um das alles umzusetzen", sagt er. Es fehle sowohl an Ingenieur*innen, um die neuen Brücken zu planen, als auch an Fachpersonal, um den Bau oder die Sanierung dann auf der Baustelle umzusetzen.

Seine Prognose, ab wann es auf den Straßen wieder etwas besser werden könnte? "Wir werden nie komplett baustellenfrei durchs Land fahren. Das wäre ein Irrglaube, weil die Fahrbahnsanierung immer alle 10 bis 15 Jahre stattfinden muss. Aber wir müssen diesen Peak, den wir gerade haben, überwinden und das ist mindestens bis 2035", sagt Roman Sutold.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Verkehr
Dauerbaustelle Autobahn: Was kann den Stau lösen?
vom 30. Juni 2025
Moderation: 
Ilka Knigge
Gesprächspartnerin: 
Stefanie Riedler, Bauingenieurin
Gesprächspartner: 
Roman Suthold, ADAC Nordrhein
Gesprächspartner: 
Philipp Nässer, Straßenbauer und angehender Bauingenieur